Die Betroffenen in Bayern sind auch fast zwei Wochen nach Beginn des Hochwassers noch im Ausnahmezustand. Sie wohnen bei Freunden und Bekannten, ihre Zeit verbringen sie damit, ihre Häuser auszuräumen und den Schock zu verdauen. Ihre nächsten Schritte werden viele von ihnen nicht allein gehen können.
Familie Hammer sortiert aus, was noch zu retten ist
Familie Hammer aus dem oberbayerischen Schrobenhausen steht dabei exemplarisch für viele andere. Sie ist noch dabei, die Überreste durchzusehen und das, was wegmuss, auf einen Anhänger zu laden: "Auf dem Wagen liegt ein halbes Leben, eigentlich zwei halbe Leben", klagt Christine Hammer. Als das Wasser in ihrem Haus stieg, musste es plötzlich schnell gehen. Sie und ihr Mann holten das Nötigste aus dem Keller. Als sie realisierten, wie gefährlich es wird, passierte es. "Dann hat die Scheibe gescheppert. Und dann waren es fünf Sekunden, bis der Keller voll war", erinnert sich Christine Hammer.
Juni-Hochwasser in Südbayern - wie geht es nach der Katastrophe für die Betroffenen weiter? BR-Reporter haben Opfer des Hochwassers in Schwaben und Oberbayern besucht und blicken auf die vergangene Sturzflut in Simbach am Inn in Niederbayern. Zu sehen im folgenden Video:
Das Hochwasser kam plötzlich, die Schäden sind immens
Das Wasser stieg bis knapp unters Erdgeschoss. Mit dem Wasser kam auch Öl ins Haus und in den Garten. Vom Büro über die Elektronik der PV-Anlage bis zu den selbst angebauten Tomaten ist alles zerstört. Jetzt hofft die Familie auf Hilfe vom Staat. "Wir engagieren uns selbst ehrenamtlich, da wäre es schön, wenn wir jetzt etwas kriegen könnten. So könnte die Regierung beweisen, dass sie für ihre Bürger da ist", so Christine Hammer. Mit 200 Millionen Euro möchte die bayerische Staatsregierung Privathaushalte und Unternehmen fördern, die vom Hochwasser betroffen sind. Die Anträge hat Familie Hammer schon gestellt, jetzt wartet sie auf eine Antwort.
Erinnerungen an Hochwasser vor acht Jahren in Simbach am Inn
In dieser Situation steckten auch die Menschen in Simbach am Inn. 2016 hat die niederbayerische Stadt ein verheerendes Hochwasser getroffen, sieben Menschen starben. Straßen, die zu reißenden Flüssen anschwellen, Helfer, die Menschen auf Schlauchbooten evakuieren: Die Bilder von damals ähneln den Bildern der aktuellen Hochwasserkatastrophe. Von den Schäden von damals sieht man in der Stadt mit rund 10.000 Einwohnern heute nichts mehr, viele Menschen stehen aber noch immer vor Herausforderungen.
Bürokratie verhindert schnelle und einfache Hilfe
Zu bürokratisch, zu langsam und zuletzt gar nicht mehr sind die Hilfsgelder laut Georg Eiblmeier geflossen. Innerhalb weniger Minuten hat das Hochwasser den gesamten Produktionsstandort des Sägewerksbesitzers zerstört. "Dann ist Corona dazwischengekommen, die Mittel sind inzwischen gestrichen. Und wenn du noch nicht fertig bist, dann hast du Pech gehabt." Trotzdem geht es weiter für ihn: Dank der großen Hilfe und Spenden aus der Bevölkerung hat er einen Teil seines Betriebs wieder aufgebaut.
Ein Simbacher entkam nur knapp dem Tod
Johann Priemeier, ebenfalls Unternehmer in Simbach, war in seinem Auto eingesperrt, als die Wassermassen über Simbach hereinbrachen. Der Motor starb, aber die Fensterheber gingen noch. Durch ein Fenster kletterte er auf die Motorhaube des Autos und in die Schaufel des Laders seines Sohnes. Dank ihm entkam er knapp dem Tod. "Eine Minute später war das Auto weg. Das haben wir dann am übernächsten Tag einen Kilometer weiter unten gefunden." Seine Frau Anita ist dankbar: "So schlimm, wie das alles war: Das Wichtigste ist, dass wir es alle überlebt haben." Ihren Produktionsstandort haben die Priemeiers verloren, nicht aber ihren Mut. "Man braucht einfach wahnsinnig viel Kraft, Ausdauer, Geduld und Energie, dass man das alles wieder auf die Reihe bekommt", sagt Anita.
Betroffene halten zusammen
Das Jahrhunderthochwasser hat Simbach nachhaltig verändert. Die Erinnerungen sind schmerzhaft, aber der Wiederaufbau schreitet voran. Die wichtigste Stütze ist dabei für viele die Gemeinschaft im Ort, sie fühlen sich durch die gegenseitige Unterstützung und Hilfsbereitschaft gestärkt.
Wie Familie Hammer in Schrobenhausen und die Simbacher Unternehmer hat auch Christoph Fisslake Hilfen des Freistaats beantragt, aktuell gibt ihm vor allem der Zusammenhalt im Ort Kraft: "Was wir jetzt gerade aus der Bevölkerung an Hilfe erfahren: Ich muss ehrlich sagen, das rührt mich. So viel Menschlichkeit habe ich noch nie erlebt." Der Schreiner aus Wertingen im schwäbischen Landkreis Dillingen muss nach dem Hochwasser fast bei null anfangen.
Schwierige Suche nach neuer Werkstatt und Wohnung
Durch das Hochwasser der Zusam hat Christoph Fisslake sein Zuhause und seinen Arbeitsplatz verloren. Jetzt packen alle mit an: Freunde räumen die Werkstatt auf, im Holzlager versucht Fisslake zu retten, was geht. Das Gebäude gehört der Stadt, der Schreiner geht davon aus, dass es abgerissen werden muss.
Deshalb ist er schon auf der Suche nach einer neuen Wohnung mit Werkstatt. Er steht noch am Anfang des Weges, den in Simbach viele schon gegangen sind. Doch auch er macht damit einen ersten Schritt nach vorne.
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