Die Ausbildung ist hart. Wer Entschärfer werden will, hat sich das gut überlegt, denn ein falscher Handgriff kann tödlich enden. Draufgänger sind nicht gefragt, sondern teamfähige Menschen, die mit Bedacht und intelligent vorgehen, erklärt der Chef der Technischen Sondergruppe (TSG) des Bayerischen Landeskriminalamtes.
Manchmal werden den Beamten Sprengfallen gestellt
Weltkriegsbomben entschärft die TSG nicht, dafür sind in Bayern private Firmen im Einsatz. Sondern "unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen". Genau das macht die Arbeit so gefährlich.
Während militärische Munition in der Regel nach einem festen Bauplan funktioniert, haben es die Entschärfer der TSG mit selbstgebastelten Bomben oder Sprengsätzen zu tun. Unvorhersehbar, wie diese reagieren. Es gibt Täter, die legen extra Sprengfallen für Polizisten, erklärt der Leiter der TSG. Wir nennen ihn Michael Maier. Seinen echten Namen dürfen wir aus Sicherheitsgründen nicht nennen.
Beim OEZ-Attentat war die TSG rund um die Uhr im Einsatz
Fast täglich ist die Spezialtruppe im Einsatz, so Maier. Zum Beispiel, wenn der Verdacht besteht, dass ein Reichsbürger ein Waffenlager angelegt hat. Es gibt auch Erbschaftsstreitigkeiten, die so entgleiten, dass Familienmitglieder der eigenen Verwandtschaft Sprengfallen legen, erzählt der TSG-Leiter.
Einen der aufwendigsten Einsätze hatte er 2016. Beim OEZ-Attentat in München. Damals mussten die Beamten zuerst den toten Attentäter absuchen, weil nicht klar war, ob er Sprengstoff bei sich trägt. Zu diesem Zeitpunkt rechnete die Polizei auch mit weiteren Tätern. Es gab Meldungen über Explosionen in der Stadt, die sich zwar im Nachhinein als falsch herausstellten, trotzdem war die TSG über Stunden im Einsatz.
Wie viele Polizisten in dem bayerischen Spezialkommando arbeiten, das es seit mittlerweile 50 Jahren gibt, will der Leiter der TSG nicht verraten. Kriminelle sollen sich nicht darauf einstellen können.
Im Video: Kontrovers - Die Story: Die Entschärfer - ein falscher Handgriff kann tödlich sein
Wenn Terrorgefahr droht oder sich die Chemielehrerin vertan hat
Auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 waren die Beamten wegen möglicher Terrorgefahr im Einsatz. Manchmal gibt es auch skurrile Einsätze, wie etwa der an einer Schule. Dort war sich eine Lehrkraft plötzlich nicht sicher, ob sie im Chemieunterricht eine gefährliche Mischung hergestellt hat oder nicht.
Unter den Beamten gibt es Chemiker, Ingenieure, Raumfahrt-Techniker. Eine Mischung aus Quereinsteigern und Kollegen, die im Polizeidienst angefangen haben und sich weiterentwickeln wollen, so Maier.
Bomben-Schutzanzug wiegt 40 Kilo
Entschärfer arbeiten in der Regel in Zweier-Teams. Der eine entschärft, der andere leitet den Kollegen aus sicherer Distanz per Funk an. "Man muss sich zu hundert Prozent auf den Kollegen verlassen können", erklärt der TSG-Leiter im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Der Kollege, der sich dem Sprengsatz nähert, trägt einen speziellen Schutzanzug.
Dass man diesen Anzug überhaupt tragen kann, ist Voraussetzung für die Aufnahme zur Entschärfer-Ausbildung. Immer wieder scheitern Anwärter daran. Im Schutzanzug sind schwere Sicherheitskomponenten verbaut. Im Fall einer Detonation muss er vor Druck, Hitze, Flammen und Splittern schützen. Der Anzug wiegt 40 Kilogramm. Dazu kommt ein spezieller Helm mit einem dicken Visier. Die Sicht ist eingeschränkt. Deshalb ist der Kollege, der den Beamten per Funk führt, eine zusätzliche Lebensversicherung.
Roboter werden immer häufiger eingesetzt
Das Gewicht des Schutzanzugs spielt sicher eine Rolle, warum bei der TSG und den Entschärfer-Einheiten in anderen Bundesländern nur wenige Frauen arbeiten. Prinzipiell sei der Beruf für Frauen genauso geeignet, das Tragen des schweren Schutzanzugs könne man auch trainieren, so Maier. Wo auch immer möglich, setzen die Entschärfer kleine oder auch größere Roboter ein, um sich nicht selbst in Gefahr bringen zu müssen. Auch Drohnen werden beim Entschärfen künftig eine immer größere Rolle spielen.
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