Die Opfer des Solarbooms · Kunden in der Falle
Bildrechte: BR/Malina Köhn | colourbox.com/Eduard Goricev
Bildbeitrag

Silvia und Siegfried Rabl vor einer PV-Anlage

Bildbeitrag
>

Die Opfer des Solarbooms: Kunden in der Falle

Die Opfer des Solarbooms: Kunden in der Falle

Viele Menschen investieren viel Geld in Solaranlagen. Aber der Solarboom lockt auch windige Geschäftemacher, die auf schnelles Geld aus sind. Recherchen von "Kontrovers – Die Story" zeigen einen besonders drastischen Fall.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Sie wollten in erneuerbare Energie investieren, sich unabhängig machen. Doch alle sind auf dieselbe Firma hereingefallen. Betroffene berichten dem BR-Politikmagazin Kontrovers von schlaflosen Nächten, sie sind wütend und enttäuscht: "Wenn man so im Nachhinein drüber nachdenkt, fühlt man sich schon betrogen", ärgert sich ein Betroffener.

Teile wurden nicht geliefert, obwohl der Kaufpreis teilweise schon gezahlt war

Die Rede ist von den "Bayerischen Landeswerken" (BLW), ein Solarunternehmen aus dem Münchner Umland. Viele Kunden bestellten dort "Solar-Komplett-Pakete", von der Lieferung bis zur kompletten Montage und Inbetriebnahme der Anlage, alles aus einer Hand. So wie Birgit Vetter aus einem kleinen Ort in der Oberpfalz: Zwar wurden ihre Solarmodule schnell auf dem Dach ihres Hauses montiert, aber die viel teureren Batteriespeicher und der Wechselrichter, um den Strom in die richtige Spannung umzuwandeln, wurden danach monatelang nicht mehr geliefert, geschweige denn ihre Anlage an den Strom angeschlossen. Sie wartete und kämpfte sehr lange um Lieferung und Anschluss der Anlage, dabei hatte sie einen Großteil des Kaufpreises von 59.000 Euro bereits bezahlt.

Kundin fühlt sich abgezockt: "Ich kam mir so richtig verarscht vor!"

Rückblickend fühlt sich Birgit Vetter "so richtig verarscht", wie sie sagt: "Es hieß immer: Wir rufen zurück. Und kein Mensch hat zurückgerufen." Die BLW reagierte einfach kaum bis gar nicht mehr. So wie Birgit Vetter erlebten es viele Kunden der Firma "Bayerische Landeswerke". In Internetforen haben sie sich vernetzt und ihre Erfahrungen ausgetauscht. Es geht um einen Gesamtschaden in Millionenhöhe. Einige von ihnen haben sich an einen Rechtsanwalt gewandt, Jochen Schanbacher, der nun eine ganze Reihe der Geschädigten vertritt. Von einer anwaltlichen Rechtsverfolgung rät er ihnen allerdings ab, denn die "Bayerische Landeswerke" haben inzwischen Insolvenz angemeldet.

Firma ist insolvent – zuvor war sie Sponsor von TSV 1860 München

Der Betrieb der BLW ist eingestellt, die Webseiten im Internet sind gelöscht. Dabei präsentierte sich das Solarunternehmen zuvor selbstsicher und vertrauenswürdig: Das Marketing reichte von Werbevideos im Internet, über namhafte Geschäftspartner, bis hin zum Sponsoring eines Fußballvereins, von TSV 1860 München. Der will sich auf Nachfrage des BR dazu allerdings nicht äußern.

Mitarbeiter: "Das Motto war: Den Kunden anzuhauen, umzuhauen und dann abzuhauen"

"Kontrovers – Die Story" findet heraus: Die "Bayerischen Landeswerke" hatten eine deutschlandweite Vertriebsstruktur, die Solaranlagen im großen Stil vertrieben hat. Ein ehemaliger Vertriebsmitarbeiter, der anonym bleiben will, spricht davon, dass Kunden massiv unter Druck gesetzt worden seien, damit sie Kaufverträge unterschreiben würden: "Das Motto war: Den Kunden anzuhauen, umzuhauen und dann abzuhauen."

Nicht nur Solar-Pakete, sondern auch Zusatzleistungen wie E-Auto-Leasingverträge

Die "Bayerischen Landeswerke" hätten sich vor allem auf den Verkauf von Verträgen konzentriert, berichtet der Mitarbeiter. Alleine bei seiner Einführungsschulung für Verkäufer seien dreißig bis vierzig Menschen dabei gewesen. Offenbar mit Wirkung: Teilweise haben sich Kunden nicht nur von umfassenden Solar-Paketen überzeugen lassen, sondern auch von Zusatzleistungen, wie Leasing-Verträge für E-Autos, berichten Betroffene dem BR.

Strafanzeigen gegen "Bayerische Landeswerke" erstattet

Einige Kunden haben inzwischen ihre finanziellen Forderungen, teilweise im fünfstelligen Bereich, beim Insolvenzverwalter angemeldet. Genauso wie betroffene Lieferanten und Handwerker. Auch wenn Rechtsanwalt Jochen Schanbacher ihnen wenig Hoffnung macht, weil die Chancen gering seien, in solchen Fällen das Geld wiederzubekommen. Immerhin: Einige Geschädigte haben laut Rechtsanwalt Schanbacher Strafanzeige gestellt. Die Strafanzeigen seien nun bei der Staatsanwaltschaft München anhängig, die sich derzeit zu dem Fall auf BR-Nachfrage nicht äußern will. Auch der Insolvenzverwalter erteilt keinerlei Auskünfte im laufenden Verfahren.

Inhaber der "Bayerischen Landeswerke" hat neue Solarfirma gegründet

Nach Recherchen des Rechtsanwalts Jochen Schanbacher hat der Inhaber der "Bayerischen Landeswerke" längst eine neue Firma gegründet, die ebenfalls Solaranlagen verkauft. Das Team von "Kontrovers – Die Story" kontaktiert den Inhaber telefonisch. Er bestätigt, dass er der Inhaber der insolventen BLW war und auch der neuen Firma ist, will aber nicht zitiert werden. Er weist alle Vorwürfe von sich und hat eine gesetzte Frist für eine schriftliche Stellungnahme verstreichen lassen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!