Cornelia Schwartz besucht das Grab ihres ersten Ehemanns auf dem Münchner Waldfriedhof. Umsäumt von Bärlauch liegt ein kleiner moosbewachsener Grabstein mit verwitterter Inschrift auf dem Boden, dahinter ein Fundament aus Metallstreben und darauf: nichts. "Das ist der klägliche Rest", sagt Schwartz und deutet auf die Stelle im Gras.
Hier liegt seit 2005 ihr erster Ehemann begraben. Eine große Bronzeskulptur des österreichischen Künstlers Gunter Damisch zierte das Grab - bis zum Juli 2023. Zehn Jahre vor seinem Tod habe er das Grabmal direkt aus dem Atelier des Künstlers gekauft, erzählt Cornelia Schwartz. Dann stand das Kunstwerk im Garten. "Das war seine Lieblingsskulptur", erinnert sich die Witwe.
Künstlerskulptur von Grab gestohlen: Angehörige geschockt
Die Skulptur war abstrakt und langgezogen. 2,60 Meter hoch und mehrere hundert Kilogramm schwer, schätzt Schwartz. Im vergangenen Juli dann war die Figur auf einmal vom Waldfriedhof verschwunden. Ihr jetziger Mann sei mit ihrer jüngeren Schwester auf dem Friedhof gewesen und habe ihr dann erzählt, dass die Skulptur weg sei. "Mir blieb der Mund erst mal offen stehen."
Der Diebstahl der Bronzeskulptur war für die 74-Jährige ein großer Schock. Das viele tausend Euro wertvolle Stück ist bis heute verschwunden. Schwartz' Geschichte - kein Einzelfall.
Friedhofsdiebstähle im ganzen Freistaat
Nicht nur München ist derzeit Tatort von Friedhofsdiebstählen. Auch im übrigen Oberbayern wird auf Friedhöfen geklaut: Im März wurden in Traunstein drei Männer wegen schweren Bandendiebstahls zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten von 2022 bis 2023 zahlreiche Gegenstände aus Kirchen und von Friedhöfen in Traunstein, Teisendorf und Siegsdorf gestohlen, um die Gegenstände zu Geld zu machen. Unter anderem klauten sie Grablaternen, Grabkreuze, Weihwasserkessel und Skulpturen.
Im nördlichen Oberbayern haben Diebe seit Anfang Februar in rund 100 Fällen Grabschmuck aus Friedhöfen gestohlen. Der Gesamtschaden beläuft sich der Polizei zufolge inzwischen auf mehr als 30.000 Euro. Zwei Tatverdächtige sitzen in Untersuchungshaft. Die Täter hatten es vor allem auf Messinggrabschalen abgesehen. Vermutlich, um sie anschließend einzuschmelzen und das Material zu verkaufen. Die Polizei geht davon aus, dass es weitere Täter gibt. Die Ermittlungen zu der Serie dauern deshalb noch an.
Spezielle Art von Diebstählen in den vergangenen Wochen
Friedhofsdiebstähle sind nicht neu, doch die Qualität habe sich verändert, sagt Alois Maderspacher, Betriebsleiter der Städtischen Friedhofe München: "Wir verzeichnen insbesondere in den letzten zwei bis drei Wochen Diebstähle von Bronzefiguren, Bronzereliefs, von Gegenständen, die künstlerisch und kunsthandwerklich in hoher Qualität gearbeitet wurden." Maderspacher sagt, dass die Figuren alle einen gewissen Wert hätten und vermutlich deswegen geklaut würden.
Gestiegene Kupferpreise machen Grabschmuck attraktiv für Diebe
Hauptgrund für die Friedhofsdiebstähle sind wohl die steigenden Kupferpreise. Schon seit Jahren werden überall im Land Kupferkabel im großen Stil gestohlen. Vermehrt scheinen die Diebe nun auch Grabschmuck ins Visier zu nehmen. Erste Ermittlungserfolge der Polizei zeigen, dass es sich häufig um organisierte Diebesbanden handelt, die auf Friedhöfen in Oberbayern und darüber hinaus aktiv sind.
Dass es kein Einzeltäter war, der den Diebstahl durchgeführt hat, vermutet auch Cornelia Schwartz. Das Hunderte Kilogramm schwere Kunstwerk stand immerhin auf einem Betonsockel mitten im großen Waldfriedhof: "Ich habe zwar keine Hoffnung mehr, dass die Skulptur irgendwann auftaucht. Aber vielleicht nimmt man ja doch irgendwann mal die Bande oder einzelne Mitglieder fest und kann ihnen dann auch diesen Diebstahl zur Last legen."
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