Der Zivilprozess am Oberlandesgericht Bamberg gegen das Pharmaunternehmen Astrazeneca wird heute fortgesetzt. Eine Oberfränkin hatte geklagt, einen Impfschaden erlitten zu haben, der inzwischen auch staatlich anerkannt wurde. In der ersten Instanz hatte das Landgericht Hof die Klage abgewiesen. Der Prozess wird seit August am OLG Bamberg in zweiter Instanz verhandelt. Nun hat die Klägerin durch ihren Anwalt zusätzlich eine Auskunftsklage gegen den Pharmakonzern eingereicht. Das OLG wird heute entscheiden, ob das Biotechnologieunternehmen dem nachkommen muss.
Auskunftspflicht über Nebenwirkungen
Eine 33-jährige Frau aus Hof klagt gegen Astrazeneca. Sie hatte sich im März 2021 mit dem Cov-19-Vakzin "Vaxzevria" impfen lassen. Im Anschluss erlitt sie eine Darmvenenthrombose und fiel in ein Koma. Nur durch die Entfernung eines Teils des Darms konnte das Leben der Frau gerettet werden. Die Klägerin führt die Thrombose auf die Impfung zurück.
Das Oberlandesgericht Bamberg hat Zweifel daran erkennen lassen, ob der beklagte Hersteller Astrazeneca ausreichend über Nebenwirkungen informiert hat. Der Vierte Senat gehe derzeit davon aus, dass die Klägerin nicht mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft worden wäre, wenn das Risiko einer Darmvenenthrombose in der Fachinformation des Herstellers dargestellt gewesen wäre, so das Gericht. Der Zivilprozess vor dem Oberlandesgericht Bamberg gehört zu den ersten gegen einen Corona-Impfstoffhersteller in Deutschland.
Was wusste wer über Nebenwirkungen?
Entscheidend bei dem Prozess ist der Wissensstand des Unternehmens zum Zeitpunkt der Impfung der Klägerin. Mitte März 2021 gab es erste Berichte über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Impfung mit Astrazeneca und zeitnah auftretenden Sinusvenenthrombosen. Einige europäische Länder stoppten daraufhin die Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff.
Das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlichte am 19.03.21 ein Informationsschreiben für Ärztinnen und Ärzte. Darin hieß es: "Eine Kombination aus Thrombose und Thrombozytopenie, in einigen Fällen begleitet von Blutungen, wurde sehr selten nach der Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff von Astrazeneca beobachtet. Die Mehrzahl dieser Fälle trat innerhalb der ersten sieben bis vierzehn Tage nach der Impfung auf und war bei Frauen unter 55 Jahren zu beobachten, was jedoch die vermehrte Anwendung des Impfstoffs in dieser Bevölkerungsgruppe widerspiegeln könnte. Einige Fälle hatten einen tödlichen Ausgang."
Ärztinnen und Ärzten wurde daraufhin empfohlen, bei geimpften Personen auf Symptome zu achten, die auf eine niedrige Thrombozytenzahl (Blutplättchenanzahl) im Blut oder auf eine Thrombose hinweisen könnten. Am 07.04.21 kam dann der Sicherheitsausschuss der Europäischen Arzneimittelkommission, EMA, zum Schluss, dass ungewöhnliche Blutgerinnsel im Zusammenhang mit einer verminderten Anzahl von Blutplättchen als Nebenwirkung des Impfstoffs Vaxzevria aufgeführt werden sollten. Die meisten der gemeldeten Fälle seien bei Frauen unter 60 Jahren aufgetreten.
Am 30.03.21 folgte dann die Pressemitteilung der Ständigen Impfkommission, STIKO. Sie teilte darin mit, dass "auf Basis der derzeit verfügbaren Daten zum Auftreten seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen" der Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca "nur noch für Personen im Alter ab 60 Jahren zu empfehlen" sei. Nach Beratungen der STIKO trat die Empfehlung am 01.04.21 in Kraft.
OLG will Gutachter beauftragen
Ob ein Gutachter eingeschaltet wird, der den Forschungsstand zum Zeitpunkt der Impfung der Oberfränkin eruiert, ist noch nicht entschieden. Dieser würde dann untersuchen müssen, was Astrazeneca über die Risiken einer Darmvenenthrombose nach der Impfung mit ihrem Mittel wusste. Deshalb fordert der Rechtsanwalt der Klägerin, Volker Loeschner, auch in einer Auskunftsklage den Vakzinhersteller auf, alle ihm bekannten Fälle und auch alle Verdachtsfälle, Risiken, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen offenzulegen, die im Zusammenhang mit Impfungen aufgetreten seien. Der Pharmakonzern forderte in der Verhandlung im Februar die Abweisung dieser Auskunftsklage. Er ist der Ansicht, dass bereits Auskunft im vollen Umfang geleistet worden sei. Heute wird das OLG in Bamberg darüber entscheiden, ob der Pharmakonzern die Daten offenlegen muss oder nicht.
Verhandlung zur Schadenersatzklage steht noch aus
Die Informationen aus der Auskunftsklage mit den entsprechenden Daten sind dann Voraussetzung für ein Gutachten über den Impfstoff. Liegt dies vor, wird das Gericht über die eigentliche Schadenersatzklage der Hoferin entscheiden. Sie verklagt den Pharmakonzern auf 250.000 Euro Schmerzensgeld, 17.200 Euro für erlittenen Verdienstausfall und auf Schadenersatz für künftige Beeinträchtigungen in Höhe von bis zu 600.000 Euro.
Frau hat staatlich anerkannten Impfschaden
Ein Vergleich wird bisher von den Anwälten des Impfstoffherstellers ausgeschlossen. Der Impfschaden der Frau ist auch staatlich anerkannt. Zuständig dafür ist im Freistaat das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS). Dort sind seit Beginn der Schutzimpfung gegen das Coronavirus 2.712 Anträge (Stand: 01.04.24) auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt worden. Mehr als 2000 Anträge wurden inzwischen bearbeitet, in 140 Fällen wurde der Schaden anerkannt. Die Betroffenen erhalten somit gemäß Bundesversorgungsgesetz Geld vom Freistaat, da der Staat die Impfung empfohlen hatte.
Dem gegenüber stehen rund 29 Millionen verabreichte Impfdosen im Freistaat. In Deutschland klagen derzeit einige Betroffene unabhängig von einer Entscheidung über staatliche Zahlungen auf Schadensersatz gegen die Impfstoffhersteller.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!