Etwa die Hälfte des bayerischen Bahn-Streckennetzes ist elektrifiziert, damit gehört der Freistaat zu den Bundesländern mit dem schlechtesten Ausbaugrad. In ganz Deutschland werden im kommenden Jahr lediglich rund 66 Kilometer Gleise mit elektrischen Oberleitungen ausgestattet. Damit bleibt der Bund weit hinter seinem selbst gesteckten Ziel zurück und auch die Staatsregierung will eigentlich weg von den Dieselloks im Personenverkehr. Weil der Bedarf so groß ist, können viele Strecken überhaupt nicht zeitnah elektrifiziert werden. Darum ist man auf der Suche nach Alternativen.
Akkuzüge auf Nebenstrecken
Bei Regionalstrecken setzt der Freistaat künftig auf Akkuzüge, die an einzelnen Oberleitungsabschnitten aufgeladen werden und die übrige Strecke dann im Batteriebetrieb zurücklegen. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter hat diese Pläne Anfang November zwischen Viechtach und Gotteszell für die Waldbahn präsentiert. "Da muss man ehrlich sein, das ist eine Nebenstrecke, wir haben so viel Rückstand bei der Elektrifizierung, wir wollen aber das Fahren mit Diesel umstellen für die Dekarbonisierung."
Bei der Waldbahn wird der Bahnhof Viechtach mit einer Oberleitung überspannt. Ähnliche Ladestationen kommen nach Bayerisch Eisenstein und nach Zwiesel. Die Kosten betragen rund 660.000 Euro. 90 Prozent übernimmt der Freistaat, 10 Prozent die Länderbahn. Das sieht Bayern als freiwillige Vorleistung, denn für Schieneninfrastruktur in Deutschland ist der Bund zuständig.
Auch Wasserstoffzüge sollen helfen
Akkuzüge sollen ab 2034 die Bahnstrecken im Netz Bayerwald bedienen. Auch auf Strecken in Oberfranken sollen ab 2035 Akkuzüge fahren. Für weitere Netze in Südostbayern, im Allgäu und im Großraum Nürnberg wird laut Verkehrsministerium gutachterlich geprüft, wie Akkuzüge dort eingesetzt werden können.
Weil die Akkuzüge zum Beispiel an den Wendebahnhöfen oder auf einem Bahnhof an der Strecke aufladen müssen, kann das die Fahrzeit verlängern, sagt Arnd Stephan, er ist Professor für elektrische Bahnen an der TU Dresden.
Auf bestimmten Strecken könnten auch Wasserstoff-Züge eine Alternative sein, hofft das Ministerium und fördert einen Testzug: Zwischen Mühldorf und Burghausen werden ab Ende 2026 Wasserstoff-Züge zum Einsatz kommen.
Pro Bahn unterstützt Akkupläne
Lukas Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn unterstützt diese Pläne für Akkuzüge auf Regionalstrecken ausdrücklich. Er weist aber auch darauf hin, dass für alle Projekte die Zeitschiene 2030 + X steht. Verglichen mit der Wartezeit auf Vollelektrifizierung mit durchgängiger Oberleitung sei es aber kurz.
Oberleitungen installieren an bestehenden Bahnstrecken, das ist in Deutschland generell sehr aufwändig. Es müssen gleich mehrere Reihen Masten errichtet werden – für den Fahrdraht und Starkstromleitungen, die den Bahnstrom liefern sollen. Dazu sind mehrere langwierige Planungsschritte nötig, zu denen oft Planfeststellungsverfahren gehören.
Einfacher planen, einfacher und schneller bauen?
Der Verkehrswissenschaftler Heiner Mohnheim plädiert deshalb für einen einfacheren Standard bei Nebenstrecken oder bei Reaktivierungen. Er verweist auf Erfahrungen im Ausland oder bei Straßenbahnen, die auf Bahngleisen unterwegs sind, wie beispielsweise in Karlsruhe. Niedrige Geschwindigkeiten gehen mit einfacher Technik, so die These. Würde die Eisenbahnbetriebsordnung in dem Punkt geändert, könnte es wesentlich schneller eine "Elektrifizierung light" geben für mehr Verkehr, etwa wenn Strecken reaktiviert würden. Da ist sich Heiner Monheim sicher.
1.000 Streckenkilometer bis 2040?
Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan sei in Bayern die Elektrifizierung von überregional bedeutsamen Strecken mit einer Gesamtlänge von 680 km vorgesehen. Der Freistaat stößt nach eigenen Angaben ergänzend die Planungen für die Elektrifizierung von mehr als 300 Kilometern Strecke an, sodass bis 2040 insgesamt über 1.000 Streckenkilometer zur Elektrifizierung vorgesehen sind.
Güterverkehr setzt auf Zweikraftlokomotiven
Auf lange Sicht sind Oberleitungen immer wirtschaftlicher, sagen die Wissenschaftler. Reine Dieselloks werden im Personenverkehr verschwinden. Beim Güterverkehr allerdings rollen noch länger Dieselloks auf nicht elektrifizierten Strecken, das liegt an den hohen Lasten. Da reichen Akkus nicht. Allerdings setzen Güterbahnen zunehmend auf Zweikraftlokomotiven. Die Hersteller Stadler und Siemens haben solche Hybridlokomotiven im Angebot. Die nutzen dank Stromabnehmer Oberleitungen und wo es keine gibt, zieht der Dieselmotor den hunderte Tonnen schweren Zug mit vielleicht 700 Meter Länge.
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