Fassungslos zeigen sich die Menschen in dem beschaulichen Dorf Langweid am Tag nach den tödlichen Schüssen eines 64-Jährigen auf drei Nachbarn. Der Deutsche soll die zwei Frauen und einen Mann in einem Mehrfamilienhaus getötet haben, in dem alle zusammen wohnten. Danach soll er in einem anderen Haus zwei weitere Menschen verletzt haben. Das mögliche Motiv: ein Streit unter Nachbarn.
Die beiden Verletzten kamen ins Krankenhaus, schwebten aber nach Angaben der Polizei nicht in Lebensgefahr. Zwischen dem ersten Tatort und dem zweiten liegen mehrere Hundert Meter. Nach den derzeitigen Erkenntnissen ist einer der beiden Schwerverletzten der Sohn eines der Todesopfer aus der Schubertstraße.
Wie die Polizei Schwaben Nord am Samstagabend mitteilte, hinterlässt das getötete Paar aus der Schubertstraße einen minderjährigen Sohn, der sich nun bei Familienangehörigen befindet und professionell betreut wird.
Bürgermeister: "Wir sind alle geschockt"
Vor dem Haus der Verstorbenen stehen einen Tag nach der Tat Grabkerzen, die Passanten dort aufgestellt haben. Zeugen und Anwohner werden von einem Kriseninterventionsteam und von speziell geschulten Polizisten betreut.
Langweids Bürgermeister Jürgen Gilg (CSU) wohnt in unmittelbarer Nähe des Tatorts. Er war nach Hause gekommen, kurz bevor der Polizeieinsatz begann. "Wir haben dann natürlich mitbekommen, dass da ein sehr großes Polizeiaufgebot ist." Landrat Martin Sailer habe ihn anschließend über die Situation informiert.
"Wir sind alle geschockt, das ist eine fassungslose Tat. Das kann keiner nachvollziehen, was da passiert ist", sagt Gilg BR24. "Man sieht es vielleicht auch daran: Die Feuerwehr hat eine Brandlöschparty, die seit Monaten organisiert ist, jetzt für heute abgesagt, weil man sich außer Stande sieht, in irgendeiner Form eine Feierlichkeit durchzuführen, nach dem, was gestern passiert ist."
Auf der Homepage der Feuerwehr heißt es: "Aufgrund der gestrigen Vorfälle in Langweid haben wir die Entscheidung getroffen, unsere heutige Brandlöschparty abzusagen."
Langweid: Laut Polizei eigentlich ein sicherer Ort
Eine Facebook-Userin aus Langweid kommentierte am späten Freitagabend auf der Seite von BR24: "Gegen 19:20 Uhr ging hier nichts mehr. Noch immer ist alles still. Schon beängstigend, wenn der Täter nur ein 'paar Meter' neben dir gefasst wird. Fassungslos... der ganze Ort ist einfach nur fassungslos."
Am Samstagvormittag ist von dem Verbrechen im Ort nichts mehr zu sehen: kein Flatterband, keine Polizeiwagen, nur wenige Menschen sind in der gut 8.900 Einwohner zählenden Gemeinde in Schwaben auf der Straße unterwegs. Eine Anwohnerin berichtet, wie sie in der Nacht von dem Lärm der Hubschrauber geweckt wurde und die Spurensicherung im Garten beobachtete. Sie wirkt ungläubig und entsetzt, dass so etwas hier passieren konnte. "Das ist ein ganz unauffälliger, ruhiger Vorort – und auch ein sicherer Ort", erzählt Polizeisprecher Markus Trieb. Langweid ist ein Ort mit vielen Einfamilienhäusern und Reihenhäusern. Mehrfamilienhäuser wie in der Schubertstraße gibt es eher wenige.
Beim Bäcker und vor dem Supermarkt ist das Geschehen Tagesgespräch und in der Hochvogelstraße, wo zwei Menschen niedergeschossen und verletzt wurden, stehen Nachbarn beisammen und tauschen sich aus. Sie habe einen Anruf von ihrer Nichte erhalten, sagt eine Frau, sie solle sich einsperren, im Ort werde geschossen. Eine andere Dame erzählt, dass sie heute erst das ganze Ausmaß der Tat verstehe: "Ich bin völlig geschockt". Sie kenne Leute aus dem Haus in der Schubertstraße, wo drei Menschen ums Leben kamen. "Ich hoffe, dass meine Bekannte nicht unter den Toten ist".
Video: Langweid nach Gewalttat unter Schock
Kritik an Polizei nach der Gewalttat
Aus Langweid ist indes auch Kritik zu hören: Man habe Hubschrauber und Rettungskräfte gesehen, aber die Bürger seien nicht vor einem bewaffneten Mann gewarnt worden, sagten Anwohner dem BR. In örtlichen Bürgerforen im Internet ist ähnliches zu lesen.
Auf dem Social-Media-Dienst Snapchat war am Freitag nach der Tat zu sehen, wie ein Polizeihubschrauber über Langweid kreiste – ein User schrieb dazu, dass ein Amokläufer gesucht werde. Via Twitter oder anderen Social-Media-Plattformen hatte die Polizei zu der Tat nichts veröffentlicht.
Der Langweider Markus Seidel sagte BR24: "Weil die Polizeihubschrauber halt geflogen sind, haben wir vermutet, dass noch gesucht wird und gefahndet wird. Deshalb haben wir erstmal gesagt: 'Bleiben wir erstmal alle drin, bis sich das beruhigt.' Ja, aber eine Warnung oder bessere Information, das wäre schon wünschenswert gewesen."
Polizei war bereits am Nachmittag vor der Tat gerufen worden
Laut Polizei bestand indes keine Gefahr für die Bevölkerung, weil der Gesuchte bereits innerhalb einer halben Stunde nach der Tat im Ortsteil Foret festgenommen werden konnte. Daher habe es keine Warnung gegeben. "Es bestand ein Verdacht, mit welchem Fahrzeug der Mann unterwegs sein könnte und es bestand auch schon ein Tatverdacht. Unsere Einsatzkräfte konnten Mann und Fahrzeug zeitnah feststellen und den Mann auch festnehmen", sagte Polizeisprecher Markus Trieb.
Am Samstag wurde bekannt, dass die Polizei bereits am Freitagnachmittag wegen eines Streits zu dem Gebäude in der Schubertstraße gerufen worden war. Beim Eintreffen der Einsatzkräfte war der 64-Jährige laut Polizei allerdings nicht mehr vor Ort. Die Polizei wurde Ende 2018 erstmals über Nachbarschaftsstreitigkeiten in der Schubertstraße informiert. Seitdem wurden der Polizei einzelne Vorkommnisse in dem Mehrparteienhaus bekannt, wie es in einer Pressemitteilung vom Samstagabend heißt. Dabei sei es zu Ermittlungen wegen unterschiedlicher Vorfälle (Gerangel, beleidigenden Äußerungen sowie Drohgebärden) gekommen. Darüber hinaus war der 64-Jährige demnach nicht in polizeiliche Erscheinung getreten.
Bei seiner Verhaftung am Freitagabend leistete der Mann nach Angaben der Polizei keinen Widerstand. Gegen den 64-Jährigen erging am Samstagnachmittag ein Haftbefehl. "Der Beschuldigte wurde in eine Justizvollzugsanstalt gebracht", sagte ein Polizeisprecher auf BR-Anfrage. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei Augsburg werden wegen Mordes geführt.
Gedenkgottesdienst für die Opfer geplant
Für die Opfer soll ein ökumenischer Gedenkgottesdienst stattfinden. Er habe bereits mit beiden Kirchen darüber gesprochen, sagte Bürgermeister Jürgen Gilg. Ein Termin für den Gottesdienst steht noch nicht fest. Man wolle jetzt erst die Ermittlungsarbeit der Polizei abwarten. Wenn eine "gewisse Klarheit" da sei, werde man der Opfer gedenken. Gilg geht davon aus, dass das "im Laufe der nächsten zwei Wochen" sein werde.
Wieso der Streit zwischen den Nachbarn derart eskalierte, bleibt weiter unklar. Der Schock in Langweid am Lech sitzt tief – noch lange dürfte im Dorf nichts wieder so werden, wie es war.
Zum Hören: Bestürzung in Langweid nach Gewalttat
Mit Informationen von dpa
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