Am 9. Dezember 1989 haben sich auf Einladung des Bund Naturschutz in Hof Naturschützer aus Ost und West getroffen. Sie forderten den Erhalt des Naturschutzgebiets am ehemaligen "Todesstreifen" zwischen Ost- und Westdeutschland und dem angrenzenden Gelände. Das war nämlich mit seinen Kontrolltürmen, Zäunen, Schussanlagen und Patrouillen der Natur überlassen und Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten geworden. "Im Osten nannte man es den antifaschistischen Schutzwall, im Westen war es die Zonengrenze. Sie zog sich durchs ganze Land, über 1.400 Kilometer, wie ein grünes Band", sagt Kai Frobel.
Vogelbeobachtung im Grenzstreifen
Der Ornithologe Kai Frobel aus dem Landkreis Coburg hat schon Mitte der 1970er Jahre – also mitten im Kalten Krieg – angefangen, mit dem Fernglas die Natur und die Vögel im streng gesicherten innerdeutschen Grenzstreifen zu beobachten. Von seinem Kinderzimmer aus hat er in 600 Metern Luftlinie entfernt die Grenze gesehen. Mit anderen Ornithologie-Begeisterten begann er mit der Vogelkartierung im Raum Coburg.
Grünes Band – einzigartiger Biotopverbund
Vom Dreiländereck in Hof erstreckt sich das Grüne Band unterschiedlich breit bis Travemünde an der Ostsee. Ganz verschiedene Pflanzen- und Tierarten können in den verschiedenen Lebensräumen wachsen und sich erhalten. Entstanden ist ein einmaliger Biotopverbund, gut 1.200 streng geschützte und vom Aussterben bedrohte Arten der Roten Liste kommen dort vor. Busch und Waldlandschaften, Sümpfe und Heideflächen finden sich dort, insgesamt sind entlang des ganzen Grünen Bandes wohl 10.000 Arten zu Hause.
Bund Naturschutz und Behörden kümmern sich ums "Grüne Band"
Mit Flächenkauf und -tausch in enger Zusammenarbeit von Naturschützern und Bauern vergrößert zum Beispiel ein Naturschutzgroßprojekt im Landkreis Coburg die Biotopfläche. Es gehe über die Ländergrenzen zwischen Bayern und Thüringen hinweg, sagt Stefan Beyer, der Projektleiter. Staatliche Naturschutzbehörden und der BUND arbeiten hier zusammen. Seit 2016 kümmert sich Beyer im Projekt darum, das Grüne Band auszudehnen. Allein auf bayerischer Seite sind schon 45 Hektar dazu gekommen. Außerdem gibt es Vereinbarungen mit Bauern, wie sie die Biotope pflegen können. So sorgen die Landwirte zum Beispiel dafür, dass Flächen mit Kalkmagerrasen oder Zwergstrauchheide nicht verbuschen und langsam zuwachsen. Die Regionen können so Lebensraum für seltene Bodenbrüter wie Bekassinen oder das Braunkehlchen und verschiedene Schnepfenarten sein. Hier helfen Hirten, die ihre Schafe weiden lassen und Bauern, die immer wieder mähen, berichtet Bayer. Es gehe darum, die Artenvielfalt gezielt zu erhalten. Der Bund Naturschutz will weitere Flächen ankaufen, denn auf insgesamt 170 Kilometern oder zehn Prozent der Fläche, wie Kai Frobel sagt, ist das Grüne Band noch "löchrig".
Weitere Projekte im "Grünen Band"
Gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz soll nächstes Jahr bundesweit der Insektenbestand im Grünen Band erfasst werden. Davon erhoffen sich die Biologen und Naturschützer weitere schlagkräftige Argumente für den Erhalt des Grünen Bandes. Staatliche Naturschutzbehörden und der BUND arbeiten eng zusammen, nicht nur beim Ankauf von Flächen. Große Teile des Grünen Bandes sind inzwischen als nationales Naturmonument ausgewiesen. Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sind dabei laut Frobel Vorreiter.
Auf dem Weg zum Welterbestatus
Das Grüne Band steht inzwischen auch auf der Vorschlagsliste für ein Unesco-Welterbe, und zwar als gemischtes Natur- und Kulturerbe. Hier geht es um die Bedeutung als lebendiges, ökologisches Denkmal für die Jahre der Trennung und die Wiedervereinigung. Seit einem Jahr läuft das gemeinsame Weltnatur- und Kulturerbe Projekt der Unesco für das Grüne Band. Es sei ein Segen, dass die Länder das im letzten Jahr angestoßen haben, denn nur alle zehn Jahre laufen Aufnahmeverfahren, so Frobel. "Meine persönliche Hoffnung ist, dass es gelingt, das Grüne Band als Welterbe zu sichern", als zweites Grenzprojekt neben dem Limes als der Grenze zwischen Römern und Germanen. "Beim Grünen Band wird es hoffentlich nicht 2000 Jahre dauern, bis der Welterbestatus erreicht ist", sagt Frobel schmunzelnd.
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