Getreideernte mit dem Mähdrescher in der Rhön. Es staubt noch wie eh und je, wenn sich die 12 Meter breite Maschine durch die Wintergerste frisst. Innerhalb der klimatisierten und staubdichten Fahrerkabine aber ist die Zukunft schon deutlich spürbarer. Agraringenieur Andreas Dörr hat neben den abgemähten Halmen auf gleich drei Monitoren alle relevanten Daten jederzeit im Blick. In Echtzeit werden die Erntemenge und sogar die Qualität der einzelnen Körner und ihre Inhaltsstoffe aufgenommen und analysiert. Eine Kamera filmt die Körner, die Automatik achtet darauf, wieviel Bruch oder Strohreste enthalten sind und regelt die Einstellungen des Mähdrescher automatisch nach.
Kann ein Mähdrescher autonom fahren?
Theoretisch könnte die riesige Maschine dabei schon komplett autonom fahren. Der Fahrer ist aber trotzdem noch zur Kontrolle und zur Regulierung wichtiger Parameter nötig. Zudem könne es immer passieren, dass eine Messerklinge abfällt, ein Lager leidet oder Wildschweine auf dem Acker gegraben haben.
"Ich glaube, dass noch eine geraume Zeit Fahrer in den Maschinen sitzen. Die Technik entlastet in erster Linie und macht die langen Arbeitstage erträglicher und effizienter", sagt Dörr.
Digitaler Helfer für Alltagsprobleme
Wenn die Sensoren messen, an welcher Stelle des Feldes mehr oder weniger Dünger nötig ist, dann hilft die Digitalisierung dabei, Mittel nachhaltig und gleichzeitig wirtschaftlich effizient einzusetzen. Im Forschungsprojekt Deep Farming untersucht Dörr gemeinsam mit einer Hochschule, wie sich verschiedene Düngungsvarianten oder Dünge-Zeitpunkte in der Praxis auswirken.
Dörrs Vision: Ein digitaler Helfer auf dem Handy soll dem Landwirt mittels künstlicher Intelligenz und vielen Daten schon bald ganz konkret im Alltag bei den Entscheidungen behilflich sein können. Der könnte dann zum Beispiel antworten, wann man auf der Fläche mähen darf oder ob Schonflächen stehen bleiben müssen.
Kritik: Zu wenige öffentliche Geo-Daten in Bayern
Andreas Dörrs Mähdrescher fährt auf zwei Zentimeter genau in einer zuvor digital festgelegten Fahrspur. In einem teils selbst geschriebenen eigenen Programm hat Dörr dafür seinen kompletten Hof und die Informationen zu seinen rund 1.000 Hektar Ackerland als sogenannter digitaler Zwilling angelegt, einem 3D-Modell, das er wie mit einer virtuellen Drohne überfliegen kann.
Damit das noch besser klappt, müsste Bayern seinen Landwirten aber viel mehr Behördeninformationen und Geo-Daten zur Verfügung stellen, fordert der Landwirt. Andere Bundesländer seien im Bereich Open Data deutlich weiter.
Mögliche Nachteile für Digitalisierungs-Verweigerer
Werden Landwirte, die sich der Digitalisierung verweigern, künftig vom entscheidenden Wissen abgehängt sein? Nur weil ein Landwirt digital ist, sei er noch kein guter Landwirt, sagt der 40-Jährige. "Das A und O bleibt der Sachverstand des Landwirts, seine Erfahrung und sein Gefühl. Aber die Gefahr besteht schon, dass ich eine Wiese zu einem falschen Zeitpunkt mähe."
- Im Interview auf der blauen Couch: Benedikt Bösel, Öko-Landwirt, über die Zukunft der Landwirtschaft
Dörr will seinen Familien-Betrieb konsequent weiter digitalisieren und zum Beispiel den Einsatz der erzeugten Solarenergie weiter optimieren oder die Standorte aller seiner Fahrzeuge in das Programm integrieren.
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