Der Bahnhofs-Vorplatz in Würzburg. Im Juni 2020 wurde hier eine Gedenkstätte eröffnet: der "Denkort Deportationen". Er soll an die 2.069 Männer, Frauen und Kinder erinnern, die von hier in Vernichtungslager deportiert worden sind. Für Josef Schuster nicht nur in seiner Funktion als Zentralratspräsident der Juden in Dt. ein Anliegen – sondern auch als Unterfranke: "Der Denkort zeigt, wie selbstverständlich jüdisches Leben eigentlich in Unterfranken war – gerade hier in der Region mit der größten Anzahl jüdischer Gemeinden bezogen auf die Fläche." 109 jüdische Gemeinden gab es in Unterfranken bis 1933.
Gemeindeleben in Würzburg hat Schuster geprägt
Der Gemeinde in Würzburg stand Josef Schusters Vater David fast 40 Jahre vor. Das Gemeindeleben hat den Sohn sehr geprägt, sagt er, und zu dem Engagement geführt, das er heute in all seinen Funktionen übernommen hat: "Ich sehe in diesen Funktionen eine zukunftsgewandte Aufgabe. Also die Stärkung jüdischen Lebens in Deutschland, das aber nie ohne geschichtlichen Hintergrund geht."
Bundespräsidialamt: "Erinnerung wach halten"
Und dafür wird Schuster heute von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. "Die Erinnerung an die Shoah wach zu halten und die Lehren, die sich daraus für die freiheitliche demokratische Gesellschaft ergeben, bestimmen sein Handeln. Dabei tritt er stets für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen ein", schreibt das Bundespräsidialamt in seiner Mitteilung vorab.
Einmaliges Konzept: Museum und Gemeinde unter einem Dach
Geschichte und Gegenwart: Beides zusammen findet sich im Shalom Europa wieder. Museum und Gemeindeleben sind hier unter einem Dach – ein europaweit einzigartiges Konzept. "Mir ist es wichtig, dass das Judentum zwar als Religion wahrgenommen wird, die ja aber auch viele kulturelle Aspekte hat. Ich möchte erreichen, dass diese wieder als Selbstverständlichkeit in der deutschen Gesellschaft gesehen und akzeptiert werden", sagt Schuster.
Gute Zusammenarbeit mit dem Bezirk
Dieses breite Verständnis von Kultur schätzen viele an Josef Schuster. Allen voran Professor Dr. Klaus Reder, Kulturdirektor des Bezirks Unterfranken. Er hat schon zahlreiche regionale Projekte gemeinsam mit Schuster geplant und umgesetzt: "Diese Treue und Unaufgeregtheit, Dinge anzusprechen und Flagge zu zeigen – Hut ab." Und das ganz authentisch und ohne einen belehrenden Zeigefinger, wie Reder findet. "Dieses Erinnern als Kultur zu begreifen ist wichtig. Nicht als Erinnerungslast oder -ballast, sondern dass aus dem ganzen eine Kultur wird, die einen festen Platz hat in unserem Leben."
Jüdisches Leben in Deutschland lange vor 1933
Schuster ist es ein anliegen, dass jüdisches Leben in Deutschland eben nicht nur mit dem Holocaust in Zusammenhang gebracht wird. Immerhin haben Jüdinnen und Juden schon vorher in Deutschland gelebt, seit nachweislich 1.700 Jahren. Das zu vermitteln, jüdisches Leben und die Kultur wieder sichtbar zu machen, könne nicht die Aufgabe eines Einzelnen sein, sagt Josef Schuster.
Schuster nimmt Verdienstkreuz stellvertretend für alle Engagierten entgegen
Er sieht das Bundesverdienstkreuz deshalb nicht als eine persönliche Auszeichnung, "sondern wir haben in Deutschland 105 jüdische Gemeinden und je einen Vorsitzenden. Da wird überall jüdische Kultur sichtbar gemacht – ich nehme das Verdienstkreuz nur stellvertretend dafür in Empfang", sagt Josef Schuster eher bescheiden, dafür mit ganz viel Überzeugung und einem tiefen Anliegen, den Finger in die Wunde zu legen.
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