Es sind nicht nur die großen Kliniken in Bayern, in denen die Intensivstationen volllaufen, sondern es sind auch die kleineren Krankenhäuser auf dem Land, wie etwa in Bobingen, einer 16.000-Einwohnerstadt im südlichen Landkreis Augsburg. Von hier stammt eine Patientin, die heute nach Nordrhein-Westfalen ausgeflogen wurde, intubiert und künstlich beatmet. Mit einem Rettungswagen wurde die Frau von der Klinik an den Flughafen ins rund 80 Kilometer entfernte Memmingen gefahren. Eine Intensivärztin betreut sie während der Fahrt.
Klinikvorstand Martin Gösele hatte eigentlich sogar zwei Patienten zum Transport gemeldet. Er habe keine andere Wahl mehr, sagte er: "Wir sind voll belegt. Wir haben viele, viele Covid-Patienten an der Beatmung dran." Es gehe darum, dass wieder Betten frei werden angesichts steigender Inzidenzahlen. "Wir werden täglich beliefert mit Covid-Patienten", so Gösele.
Patientin kurzfristig für Verlegung ausgesucht
Der Klinikchef hat erst gestern spät abends erfahren, dass seine Patientin über das zentrale Register des örtlichen Rettungsverbandes ausgewählt wurde, weil sie alle notwendigen Kriterien erfüllt: beatmet, stabiler Zustand, nicht größer als 1,90 Meter, nicht schwerer als 120 Kilogramm. Vom Flughafen in Memmingen erfolgt der Transport der Patientin aus Bobingen nun in einem speziell umgebauten Flugzeug der Luftwaffe, zusammen mit weiteren Coronapatienten aus der Region.
Maximal sechs Patienten können während des Flugs intensivmedizinisch weiterbehandelt werden. Der Ärztliche Direktor des Augsburger Uniklinikums, Michael Beyer, ist froh, dass die Patientenverlegung im Flugzeug jetzt endlich, wie er sagt, ins Laufen gekommen ist: "Es ist ein gutes Zeichen auch der Solidarität Deutschlands. Und natürlich ist es in gewisser Art und Weise eine Entlastung. Zum jetzigen Zeitpunkt hilft es in jedem Fall erst mal wieder Luft zu holen."
Aktuell mehr als 1000 schwerkranke Covid-19-Patienten in Bayern
In Bayern werden derzeit 1.037 Covid-Schwerkranke auf den Intensivstationen behandelt; das ist mehr als ein Drittel aller Intensivpatienten im Freistaat. In rund der Hälfte aller bayerischen Landkreise und größeren Städte sind die Intensivbetten knapp. Die Intensivpatienten, die heute und am Wochenende in andere Bundesländer gebracht werden sollen, stammen aus Schwaben, Oberbayern und Niederbayern.
Insgesamt sollen zunächst 50 bayerische Patienten verlegt werden, rund 30 davon bis Sonntag. Die sechs Patienten des ersten Flugs sollen in Westfalen weiter behandelt werden - drei in Münster, drei im Umland der Stadt. Eine maßgebliche Ursache der Krankenhauskrise in Bayern und Sachsen sind nach Einschätzung der meisten Mediziner und Wissenschaftler die niedrigen Impfquoten.
Verlegung wird nicht mehr lange möglich sein - befürchten Ärzte
Prof Michael Beyer vom Augsburger Klinikum befürchtet allerdings, dass die Abverlegung von Patienten die Lage nur für kurze Zeit entspannen wird: "Die Delta-Variante hat sich jetzt ausgerechnet hier im süddeutschen Raum ausgebreitet, aber die geht natürlich hoch. Wir werden absehbar auch in Mittel und Norddeutschland mit steigenden Inzidenzen zu kämpfen haben. Dann sind natürlich Abverlegungsmöglichkeiten noch begrenzter."
Für die Angehörigen ist es nicht einfach, wenn ein schwerkrankes Familienmitglied soweit von der Heimat entfernt betreut wird, sagt Doris Wiedemann, die Sprecherin des Krankenhauses in Bobingen, im Moment aber sei das die einzige Lösung: "Ich hoffe natürlich, dass sowohl unsere Patientin als auch alle andere Patienten, die jetzt verlegt werden, dass sie es schaffen und dass sie dann wohlbehalten zu uns nach Bayern zurückkehren."
Holetschek: Nächster Schritt - Verlegung ins Ausland
Der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek sagte zu den Patientenverlegungen heute: "Das Kleeblatt ist aktiviert". Holetschek bedankte sich für die Solidarität der anderen Bundesländer.
Der nächste Schritt wäre die Verlegung ins Ausland und als letztes käme die Triage – das gelte es absolut zu verhindern, so Holetschek.
- Zum Artikel "Holetschek zu Corona-Lage: 'Schließe im Moment gar nichts aus'"
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