Erst vor zwei Wochen hat ein Fall für bayernweite Schlagzeilen gesorgt: Im Landkreis Pfaffenhofen wurden neun exotische Schlangen in einem Wald ausgesetzt. Die Tiere sind daraufhin erfroren. Letzte Woche hatte das Veterinäramt bei einem Mann im Nürnberger Land Hunderte Schlangen, Spinnen, Skorpione und Kleinsäuger sichergestellt und der Reptilien-Auffangstation in München übergeben.
Der Leiter der Münchner Reptilien-Auffangstation, Dr. Markus Baur, zeigte sich entsetzt über diese jüngsten Fälle und erklärte im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass ein aktuelles Problem auch eine gewisse Sammler-Szene sei. Königspythons beispielsweise würden bei Züchtern zunehmend an Beliebtheit gewinnen – gerade in ausgefallenen Mustern und Farbvarianten. Bei ständig neuen Varianten könne das Interesse der Käufer dann aber schnell wieder nachlassen, oder die Unterhaltskosten für die Tiere würden zu teuer. Würden Käufer vorab nicht gut beraten, könnten die exotischen Tiere die Halter auch schnell überfordern.
Exotische Tiere werden oft samt rührseliger Geschichten verkauft
BR24: Welche Tiere werden denn bei Ihnen in der Reptilien-Auffangstation abgegeben?
Dr. Markus Baur: "Also grundsätzlich ist das, was bei uns abgegeben wird, auch das, was oftmals in großer Stückzahl gehalten wird. Also Arten wie Geckos, Königspythons, Kornnattern und ganz viele Schildkröten, vor allem Wasserschildkröten. Denn die können den Leuten wirklich über den Kopf wachsen. Häufig auch, weil sie im Handel nicht gut beraten worden sind und die Leute gar nicht wussten, wie groß die Tiere werden. Natürlich gibt es Ausreißer, beispielsweise Tiere, die vom Zoll beschlagnahmt worden sind. Da hatten wir beispielsweise kürzlich einen Alligator, der geschmuggelt werden sollte. Letztes Jahr hatten wir auch einen Puma, aber das sind wirklich die raren Highlights, die nur alle zehn Jahre mal vorkommen."
BR24: Ein Puma – wo kam der denn her?
Dr. Markus Baur: "Beim Puma war es so, dass der aus Osteuropa kam. Da gibt es eine ganze Reihe von Großkatzen-Züchtern und schaurigen Auffangstationen, die sich über den Verkauf von Jungtieren finanzieren. Die bekommt man über's Darknet mit rührseligen Geschichten, aber das ist reine Geldmacherei. Und der junge Mann, der das Tier damals gekauft hatte, meinte wirklich, er kann ihn wie eine Hauskatze auf der Couch halten.
Interessant ist auch, dass der Ukraine-Krieg ein Stück weit missbraucht wird. Denn jetzt wird eben behauptet, die Tiere stammen aus ukrainischer Haltung. Da wird sehr viel auf die Tränendrüse gedrückt. Und es gibt halt doch immer wieder Leute, die solche Tiere dann kaufen. Das ist auch sehr eng vernetzt mit dem illegalen Welpenhandel und dem illegalen Exotenhandel, der quasi über Osteuropa quer durch Bayern in die Benelux-Staaten läuft. Und dann sind es oftmals die Privathaushalte, die überfordert sind. Doch die überwiegende Zahl der Tiere kommt über Behörden zu uns."
Sammler-Szene: Große Nachfrage nach Schlangen in bestimmten Farben
BR24: Stimmt es eigentlich, dass Schlangen mit einer bestimmten Farbe gerade "im Trend" sind und es da sogar regelrechte Sammlerszenen gibt?
Dr. Markus Baur: "Ja, das gibt es seit einigen Jahren und kam vor allem aus Asien und den USA. Es geht um Tiere, die anders gefärbt sind. Da versucht man, diese Merkmale herauszuzüchten. Und wenn so ein Farbschlag ganz neu und selten ist, dann können exorbitant hohe Preise verlangt werden. 20.000 Dollar und mehr. Doch wenn mehr dieser Tiere auf dem Markt sind, dann fällt der Marktwert und Handelspreis. Mehr Leute können sich diese Tiere leisten. Ich glaube, dass dann so ein bisschen der Sammeltrieb mit reinkommt."
Rund 3.000 Tiere leben derzeit in der Auffangstation
BR24: Wurden über die letzten Jahre denn tendenziell mehr Tiere bei Ihnen abgegeben?
Dr. Markus Baur: "Ja, aber auch, weil unser Betätigungsfeld immer größer geworden ist. Wir sind jetzt auch in Österreich tätig. Wir decken ganz Süddeutschland ab, wir bekommen sogar Tiere aus Berlin. Daher kommt bei uns die Steigerung. Die Corona-Zeit selber war bei uns völlig anders als im klassischen Tierheim. Da gab es jetzt nicht den Trend zur Anschaffung einer kuscheln Schlange oder so.
Da die Behörden während der Pandemie oftmals keine Kontrollen gemacht haben, wird das jetzt zum Teil aufgearbeitet. Das heißt, wir haben jetzt mehr behördliche Begehungen und damit auch mehr Tiere, die bei uns landen."
BR24: Wie viele Tiere haben Sie jetzt aktuell in Obhut?
Dr. Markus Baur: "Zwischen 2.500 und 3.000 Tiere, die gerade bei uns leben. Und wir haben im Schnitt etwa 1.000 bis 1.500 Tiere pro Jahr, die reinkommen. Das heißt, wir vermitteln auch fast so viele. Ein Problem: Bei uns ist es im Moment so, dass die Tiere immer länger bleiben, bis wir jemanden finden, der sie haben möchte."
Tiere in Auffangstation: "Auf private Abnehmer angewiesen"
BR24: Wer holt denn die Tiere bei Ihnen ab?
Dr. Markus Baur: "Wir haben relativ viele Privathalter, die sich eben nicht im Laden oder im Internet ein Tier kaufen wollen, sondern erst bei uns gucken, ob sie ein Tier aus dem Tierschutz nehmen können. Auf die sind wir auch schlicht und ergreifend angewiesen. Weil sonst müssten wir irgendwann ganz Schwabing zur Auffangstation machen und Tiere da stapeln. Wir funktionieren da genauso wie ein Tierheim. Bei den Privathaltern checken wir, ob die Tierhaltung gut ist, ob Erfahrung da ist. Wir leisten auch eine Beratung, wenn es da noch hapert oder begleiten die Leute dann auch. Und ansonsten geben wir natürlich auch in Zoos ab oder an Projekte zur Erhaltungszucht."
💡 Was leistet die Reptilien-Auffangstation in München?
Die Auffangstation in München ist ein gemeinnützig anerkannter Tierschutzverein unter wissenschaftlicher Leitung. Der Verein ist der größte seiner Art in Deutschland und zu seinen Kernaufgaben gehört die Aufnahme, Versorgung, Pflege und Weitervermittlung der dem Verein anvertrauten exotischen Tiere.
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