Der Feigenkern ist winzig. Im Grunde nur ein schwarzer Punkt in der kleinen Plastikdose mit Konservierungsflüssigkeit. Aber die Bedeutung des kleinen Kerns ist groß. Er zeigt nicht nur, was vor 800 Jahren in Monheim im Landkreis Donau-Ries auf den Teller kam, sondern auch, wer in Monheim lebte. Nämlich offensichtlich recht wohlhabende Menschen – und das in einer Zeit, in der die Stadt ganz im Norden Schwabens noch gar keine Stadt war.
Feigen aus dem Süden waren Luxus
Im 13. Jahrhundert, als es noch keinen Zucker gab, wie wir ihn heute kennen, waren süße Feigen purer Luxus. Sie wurden gehandelt und kamen meist getrocknet aus dem Mittelmeerraum in den Norden. "Mit dem Transportweg verteuern sich die Feigen enorm. Das war etwas für die Festtagsküche und was man sich auch leisten können musste", sagt Archäologe Johann Friedrich Tolksdorf vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Heißt also, im frühen 13. Jahrhundert gab es schon reiche Menschen in Monheim und damit rund 100 Jahre, bevor die Stadt ihre Stadtrechte verliehen bekam.
Neben viel Getreide landeten Obst und Nüsse auf dem Teller
Entdeckt wurde der Feigenkern im Labor. Er stammt aus einem Block Erde, den Archäologen in Monheims Altstadt aus einem Palisadengraben geborgen haben. Dort hatten die Menschen früher offensichtlich ihre Speisereste entsorgt. Spezialisten schwemmten sechs Liter der geborgenen Erde auf und untersuchten sie auf Samen, Kerne und Pollen. Neben dem Feigenkern fanden sie vor allem das, was zu erwarten war: viel Getreide. Roggen, Hafer, Hanf. Aber auch eine breite Palette an Nüssen und Obst – von Haselnüssen über Wald-Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Schlehen und Physalis.
Archäologen wollen Bandbreite der Ernährung erforschen
Für die Wissenschaft ist das ein wichtiger Einblick in den Speiseplan des Mittelalters. Tierknochen und Getreidereste – das ist zwar zu erwarten, wichtig sei es aber auch, die Bandbreite der Ernährung abzubilden, heißt es beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Also auch den Feigenkern zu finden und zu dokumentieren. Denn seitdem sich organisches Material im Labor untersuchen lasse, zählen in der Archäologie – vereinfacht gesagt – längst nicht mehr nur die Scherben, die ausgegraben werden. "Wenn ich nur einen Topf finde, dann ist das natürlich schön, aber ich will ja im Wesentlichen kulturhistorisch wissen, was war denn in dem Topf drin?", sagt Tolksdorf.
Die Feige als Zutat für Krapfen im späten Mittelalter
Doch in welcher Form wurde die süße Feige in Monheim wohl gegessen? Das bleibt unbekannt. Kochrezepte aus dem Mittelalter sind nur wenige überliefert. Bei seinen Recherchen stieß Archäologe Tolksdorf aber auf das Rheinfränkische Kochbuch, das etwas später, um 1445, entstanden ist. Darin wird ein Rezept für Krapfen in der Fastenzeit beschrieben. Feigen und Nüsse werden dabei gewürzt und in Speiseöl erhitzt. Sie sind die Füllung für den Krapfenteig. Das passt jedenfalls gut zu Monheim, das bis heute eine Faschingshochburg in Nordschwaben ist.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
Eine Palisade aus Baumstämmen wie im Asterix-Comic
Für die Stadtgeschichte Monheims ist die Ausgrabung in der Altstadt aber wohl noch bedeutender durch den Fund von Überresten einer Eichen-Palisade. Also einer Befestigung rund um Monheim, Baumstamm an Baumstamm, wie man sie aus Asterix-Comics kennt. Über die Jahresringe der Bäume lässt sich feststellen, dass die 13 gefundenen Pfosten von Eichen aus dem frühen 13. Jahrhundert stammen. Bisher ist die Verleihung der Stadtrechte im 14. Jahrhundert der wichtigste Meilenstein in der Gründung Monheims. Über die Zeit davor war wenig bekannt. Nun ist klar: Schon 100 Jahre früher muss Monheim eine selbstbewusste Siedlung gewesen sein, die sich durch eine Palisade geschützt hat, bevor danach eine Stadtmauer aus Stein errichtet wurde.
Feigenkern als Inspiration für Monheimer Koch
In der Regel graben Archäologen nur dort, wo etwas gebaut werden soll und deshalb die Gefahr besteht, dass wichtige Funde weggebaggert werden. So war es auch in Monheim. Florian und Stefanie Ferber bauen dort im Hof hinter ihrem Restaurant einen neuen Stadl für Veranstaltungen. Deshalb rückten vor den Bauarbeitern die Archäologen an. Der gefundene Feigenkern inspiriert nun auch Koch Florian Ferber: "Die Feige ist sehr hochwertig und auch heute noch eine teure Zutat. Sie lässt sich gut mit deftigen Speisen kombinieren. Richtig schön wäre ein süßsaures Feigensorbet zum Rindersteak." Die Feige also als Zutat für ganz besondere Mahlzeiten – im Mittelalter genauso wie heute.