Es ist ein historischer Moment: Zum ersten Mal nach der Schoah eröffnet eine internationale jüdische Organisation ihren Hauptsitz in Deutschland. An diesem Dienstag wird damit der Umzug der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) von London nach München besiegelt. Zeitgleich soll auch ein vom Freistaat gefördertes "Zentrum für jüdisches Leben" eingeweiht werden.
Als europäisches Rabbinat vertritt die Konferenz der Europäischen Rabbiner rund 1.000 Mitglieder, darunter nach eigenen Angaben die größten jüdischen Gemeinden Europas. Bislang war der Hauptsitz der Organisation in London.
Die neue Niederlassung befindet sich in einem modernen Büro- und Tagungskomplex in der Innenstadt, unweit des israelischen Generalkonsulats und der einstigen Parteizentrale der NSDAP, also der Nationalsozialisten. "Allen Antisemiten, Israelhassern und Extremisten wollen wir zeigen, wer am Ende der Geschichte siegt", erläuterte Konferenzsprecher Oliver Rolofs die Standortentscheidung gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Diese sei gerade auch wegen der NS-Vergangenheit Münchens gefällt worden.
Rabbiner-Hauptsitz - ausgerechnet in München
Ein bemerkenswerter Schritt: Erklärte doch Adolf Hitler München einst zur "Hauptstadt der Bewegung" für seine rassistische und faschistische Ideologie, die in der Ermordung von sechs Millionen Juden gipfelte.
Es sei schon einmalig, dass eine jüdische Organisation von einer Regierung eingeladen werde, sich anzusiedeln, erklärte Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt in einem Zeitungsinterview. Man fühle sich in München sehr sicher und sei der bayerischen Polizei und den Sicherheitsbehörden sehr dankbar für ihre Unterstützung und die gute Zusammenarbeit. Das Gleiche gelte für die bayerische Staatsregierung, die das Zentrum für jüdisches Leben politisch und finanziell großartig unterstütze. Die bayerische Staatsregierung fördert die Arbeit der CER mit ihren neun Beschäftigten jährlich mit 1,5 Millionen Euro.
Staatsregierung unterstützt mit 1,5 Millionen Euro im Jahr
Von München aus will die CER die öffentliche Präsenz jüdischen Lebens stärken. Dazu zählen auch Weiterbildungsangebote für Rabbiner und ihre Frauen. Diese sollten in den Kultusgemeinden in ihrer Rolle gestärkt werden, erläuterte der Sprecher.
Auch der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle sprach von einem "historischen Moment". Mit der neuen Zentrale werde Bayern "zum Zentrum für jüdisches Leben in Europa". Von der bayerischen Landeshauptstadt aus werde es künftig "wichtige Impulse für jüdische Gemeinden sowie für die Bildungsarbeit zu Geschichte, Glauben und Alltag von Jüdinnen und Juden geben", so Spaenle weiter.
Die Konferenz der Europäischen Rabbiner zählt nach eigenen Angaben 800 aktive Mitglieder von Dublin bis Wladiwostok. An ihrer Spitze steht seit 2011 der ehemalige Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. Dieser musste nach Israel emigrieren. Er werde künftig etwa die Hälfte des Monats in München leben, sagte Rolofs. Ab dem Wintersemester lehrt Goldschmidt dort auch als Gastprofessor an der Technischen Universität. Inhaltlich werde sich der Rabbiner mit ethischen Fragestellungen im Zusammenhang mit neuen Technologien auseinandersetzen.
(Mit Material von KNA und dpa)
Europäische Rabbinerkonferenz eröffnet Hauptsitz in München
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