Dienstagmorgen in Kempten. Für Alice Chechelski vom Stadtjugendring ist heute ein wichtiger Tag. Ein halbes Jahr haben sie und ihre Kollegen ein Spiel entwickelt. Gleich wird es zum ersten Mal von einem Jugendlichen gespielt. "Ich bin froh, dass es jetzt losgeht", sagt sie. Das Spiel soll Jugendliche dazu motivieren, bei der Europawahl wählen zu gehen. Alice hofft, dass das Spiel das auch schafft. "Im besten Fall merken die Jugendlichen, dass Europa in ihrem eigenen Leben eine Rolle spielt und sind dann motiviert, wählen zu gehen", sagt Chechelski und ergänzt: "Das wäre für mich am schönsten."
Die Zukunft Europas mitbestimmen
Ein paar Meter vor Chechelski steht Emiljan. Er öffnet die Tür einer gelben Telefonzelle vor einem Einkaufszentrum in Kempten. Emiljan ist 17 und wird das Spiel zum ersten Mal spielen. Er ist einer von schätzungsweise 220.000 Jugendlichen in Bayern, die bei der Europawahl wählen dürfen, denn: Das Wahlalter in Deutschland wurde auf 16 herabgestuft. Eine Möglichkeit für Jugendliche, Einfluss auf die Zukunft Europas zu nehmen. Deutschland stellt zudem im Vergleich mit den anderen Ländern die meisten Abgeordneten im Europäischen Parlament.
Das Konzept: Im Gespräch mit Europa
Auf der gelben Telefonzelle, in der sich Emiljan befindet, steht "Europe is calling" - Europa ruft an. So heißt die Aktion des Stadtjugendrings. Die Telefonzelle ist die erste von sieben Stationen. Das Spiel funktioniert folgendermaßen: Man scannt an jeder Station einen QR-Code mit dem Smartphone ein. Dann meldet sich meist eine weibliche Stimme und spricht. Sie gibt den Spielern Aufgaben oder Denkanstöße, die man dann noch mal auf das Handy bekommt. Die weibliche Stimme soll Europa repräsentieren – man ist also mit Europa im Gespräch. Deshalb hat der Stadtjugendring das Spiel so genannt.
Geht Chechelskis Konzept auf? Schafft das Spiel es, den Jugendlichen zu vermitteln, dass Europa in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt? Und kann man damit Jugendliche zum Wählen motivieren?
Erste Frage: Nachrichten vs. Fake-News
Auf Emiljans Handy öffnet sich jetzt eine neue Seite. Eine Frage steht auf dem Bildschirm. "Wo bekommst du deine Nachrichten und Infos, welche kein Fake sind?", liest Emiljan die Frage vor. Er überlegt und tippt dann seine Antwort ein. Er denkt darüber nach, wie er sich über die Parteien für die Europawahl informiert. "Die Frage hat mich vor allem daran erinnert, dass man sich umschauen muss, dass man nicht immer alles für die einzige Wahrheit nehmen kann", sagt er dann.
Emiljan hat sich auf diesen Denkanstoß eingelassen. Er hat sich mit einem Aspekt der Europawahl beschäftigt. Bisher scheint das Spiel zu funktionieren. Chechelski kann zufrieden sein. Aber es kommen noch andere Stationen.
Studieren im EU-Ausland? Kein Problem
Dort geht es vor allem darum, welche Rolle die EU im eigenen Leben spielt. Zum Beispiel erfahren die Jugendlichen im Spiel auch, dass sie innerhalb der EU ganz einfach im Ausland studieren oder ein Praktikum machen können. Am Ende von jeder Station gibt es einen Hinweis, wo die nächste Station ist. So entsteht eine Art Schnitzeljagd durch Kempten.
Jugendliche sollen merken: Europa ist schon in meinem Leben
Anderthalb Stunden sind inzwischen vergangen. Emiljan ist bei der vorletzten Station. Das Spiel lässt jetzt auf seinem Handy ein Rap-Lied vom Stadtjugendring abspielen. "Wir feiern Demokratie, Demokratie", rappt eine männliche Stimme aus Emiljans Handy. "Gib der Jugend eine Stimme wegen Zukunft und so. Nutze deine Chance, worauf wartest du, Bro", lautet eine der Zeilen. Emiljan nickt mit dem Kopf zum Beat. "Ist echt ein cooler Song", sagt er. "Die Emotionen – das ist der Weg, Jugendliche zu erreichen", sagt Chechelski. "Dass die jungen Menschen merken: Europa ist ja schon in meinem Leben und es ist schützenswert, und wir sollten dankbar sein und aus diesem Grund wählen gehen."
Wo genau die Station mit dem Song ist, soll auf Wunsch von Chechelski nicht verraten werden. Eine Gruppe Jugendlicher, die in der Nähe steht, wird auf den Song aufmerksam und kommt dazu. Sie erfahren von dem Spiel. "Der Song ist krass", sagt der 16-jährige Hamza. "Wenn der Song so toll ist, ist das Spiel bestimmt auch gut", fügt er hinzu. Er könne sich vorstellen, das Spiel zu spielen. Chechelski strahlt: "Das war heute vielleicht der schönste Moment, dass die Jugendlichen den Song und die Idee cool fanden und tatsächlich spielen wollen. Ich bin glücklich", sagt sie.
Bis zum 9. Juni kann man das Spiel in Kempten noch spielen. Unter den 16- bis 23-Jährigen, die alle Stationen spielen, verlost der Stadtjugendring ein Tablet. Spielstart ist am Forum in Kempten.
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