Vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bayerischen Landtagswahl hat der ehemalige CSU-Chef und frühere Finanzminister Erwin Huber am BR Sonntags-Stammtisch Kritik an der eigenen Parteiführung und deren Wahlkampf geübt. Huber sagte: "Wir hätten uns vielleicht in den Bierzelten mehr mit der AfD beschäftigen müssen als mit den Grünen, die eine demokratische Partei sind."
Die CSU ist zwar klare Gewinnerin der Landtagswahl, holte mit 37 Prozent aber ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950. Den stärksten Stimmenzuwachs gegenüber 2018 verbuchte die AfD, die insgesamt auf 14,6 Prozent kam und nun Oppositionsführer im Landtag ist.
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Huber: "Bedrohung der Demokratie in Deutschland"
Der Erfolg der AfD bereitet dem ehemaligen CSU-Chef "größte Sorge", die Partei pflege "radikales bis extremistisches Gedankengut." Huber sprach von einer "Bedrohung der Demokratie in Deutschland". Die AfD tue nichts für die "kleinen Leute", stattdessen handle es sich um eine "im Kern völkische, antisemitische, ausländerfeindliche Partei, die den Konflikt und die Spaltung will."
Ziel müsse es jetzt sein, deren Führung zu "demaskieren" und den Menschen zu zeigen, dass diese Partei keine Probleme löse.
Münch: Schuldzuweisungen bringen nichts
Die Politologin Ursula Münch pflichtete Huber bei und äußerte die Befürchtung, dass sich die AfD im bayerischen Landtag weiter radikalisieren werde. Die Abgeordneten, die jetzt neu in den Landtag einziehen, seien "noch radikaler" als die bisherigen Fraktionsmitglieder. Münch wies darauf hin, dass einige AfD-Politiker im bayerischen Landtag in der letzten Legislaturperiode aus der Partei ausgetreten waren: "Dass das den Leuten nicht zu denken gibt, wenn die Leute selbst aus der AfD-Fraktion austreten, weil sie sagen, die sind uns zu extremistisch."
Sie ärgere sich darüber, dass die etablierten Parteien sich gegenseitig die Schuld am Erfolg der AfD zuweisen würden, statt diese aktiv politisch zu stellen: "Die CSU weist die Schuld nur den Grünen zu und sagt: Ihr seid schuld, und wir halten uns zurück." So werde man die AfD nicht in ihre Schranken weisen.
Springer: "Es muss wieder ein anderer Ton her"
Stammgast Klaus Bogenberger gab zu bedenken, dass es schwer sei, eine Partei zu stellen, die keine Regierungsverantwortung trage. Der Kabarettist Christian Springer meinte, dass man bei den Wählern der AfD mit Argumenten nicht weiterkomme – diese wählten "hochemotional." Die anderen Parteien müssten sich auch im Umgang miteinander, so Springers Forderung, von dem Stil der AfD deutlicher abgrenzen: "Es täte uns gut, den Populismus aus der normalen Polit-Ebene herauszunehmen", meinte Springer. "Es muss wieder ein anderer Ton her."
Im Video: Huber über Aiwanger – "Hat das Trinkgeld kassiert"
Aiwanger als "großer Abstauber" der Landtagswahl
Erwin Huber übte angesichts des Erfolgs der Freien Wähler bei der Landtagswahl auch Kritik am "Übermut der Populisten der Freien Wähler", diesen müsse die CSU zukünftig "eingrenzen". Er kritisierte seine eigene Partei dafür, sich im Wahlkampf zu früh auf eine Koalition mit den Freien Wählern festgelegt zu haben: Das sei "politisch und strategisch problematisch" gewesen.
"Es hat bei uns eine Beißhemmung gegenüber dem Aiwanger gegeben, und deswegen hat er in diesem Dialektgebiet von Regensburg bis Reichenhall ungeheuer abgesahnt, auch mit dieser Opferrolle, in die er sich selbst begeben hat." Er selbst, so Huber, habe den Freie-Wähler-Chef in der Vergangenheit mehrfach kritisiert und dafür Gegenwind aus der eigenen Partei bekommen. Im Rückblick habe sich Aiwanger bei der Landtagswahl "als großer Abstauber" herausgestellt: "Wir haben Arbeit gemacht und er hat das Trinkgeld kassiert." So könne es nicht weitergehen, meinte Huber.
Huber sieht Solidarität wegen Flugblatt-Affäre
Bei der Landtagswahl hatten die Freien Wähler 15,8 Prozent der Stimmen geholt, ein neuer Rekordwert. Huber glaubt aber nicht, dass die CSU-Wähler, die zu den Freien Wählern abgewandert sind, für immer verloren seien: "Das sind keine dauerhaften Wählerschaften." Stattdessen sieht er den Hauptgrund in der Solidarisierung vieler Wähler mit Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger vor dem Hintergrund der sogenannten Flugblatt-Affäre: "Ich glaube, das war so der Aufschrei vor allem auch in Niederbayern: So kann man nicht mit einem von uns umgehen."
Mit dem Wahlergebnis seiner eigenen Partei zeigte sich Huber nicht ganz zufrieden, da gebe es noch "Luft nach oben" – als Volkspartei solle sie schon den Anspruch haben, mindestens "40 Prozent" zu erreichen.
Koalitionsverhandlungen wie "niederbayerischer Viehhandel"
In den Tagen nach der Landtagswahl gab es öffentliche Schlagabtausche zwischen CSU und Freien Wählern, Hubert Aiwanger nannte das Auftreten unter anderem "mädchenhaft", Söder nannte Aiwanger "pubertär". Diese Streitereien rund um die Koalitionsverhandlungen dürfe man "nicht so tragisch nehmen", meinte Huber und zog den Vergleich: "Das ist wie beim niederbayerischen Viehhandel, da wird vorher auch bisschen geschummelt."
Kabarettist Springer hingegen bewertete das Verhalten von CSU und Freien Wählern als "unwürdig gegenüber dem Wähler". Für die nächste Legislaturperiode prognostizierte Huber, seine Partei werde mit den Freien Wählern "vernünftig" zusammenarbeiten – aber nur, "wenn der Aiwanger nicht übermütig wird."
Im Video: Sonntags-Stammtisch mit Christian Springer und Erwin Huber
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