Flüchtlinge kommen auf der griechischen Insel Lesbos an (Archivbild: 24.05.2024)
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Die neue EU-Asylreform ist aus Sicht von Migrationsforschern eine Verschlimmbesserung.

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Experten: EU-Asylreform gefährdet Kindeswohl und Menschenrechte

Führende Migrationsexpertinnen und -experten halten das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem hinsichtlich von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten für problematisch. Die Liste ihrer Kritikpunkte ist lang.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die neue EU-Asylreform ist aus Sicht von Migrationsforschern eine Verschlimmbesserung. Der grundsätzliche Gedanke einer Reform und Einigung der EU-Staaten sei sinnvoll. Aber das Ergebnis stelle Abschreckung statt Solidarität in den Vordergrund, ohne eine langfristige Lösung für anhaltende Fluchtbewegungen zu bieten, kritisierte der Osnabrücker Migrationsforscher Franck Düvell am Montag bei der Vorstellung des Reports Globale Flucht 2024 in Berlin.

"Wir werden nicht Moria verhindern, wir werden ganz viele Morias bekommen", warnte Düvell mit Blick auf geplante Zentren an den europäischen Außengrenzen und das bestehende überfüllte griechische Flüchtlingslager.

Asylreform: Migrationsforscherin Bendel sieht desaströse Aspekte

Insbesondere das Kindeswohl sehen die Autoren des Berichts durch die Reform gefährdet. Aber auch eine mangelhafte Verfahrensgarantie im Grenzverfahren und eine Ausweitung sogenannter sicherer Drittstaaten wird befürchtet.

Aus Sicht der Migrationsforscherin Petra Bendel der Universität Erlangen-Nürnberg ist die Einigung per se ein Durchbruch. Inhaltlich und in der bevorstehenden Umsetzung sieht die Forscherin aber aus flüchtlings- und menschenrechtlicher Sicht gefährliche oder desaströse Aspekte. "Jedes Kind, auch ein Flüchtlingskind, ist schutzbedürftig", mahnte Bendel.

Haftähnliche Bedingungen in den Lagern

So kritisieren die Forscher nicht nur die haftähnlichen Bedingungen in den geplanten Lagern für alle Schutzsuchenden – auch Kinder –, sondern auch die zusätzliche Belastung der Staaten an den Außengrenzen oder die geplante Kooperation mit autoritären Staaten. Auch würde der Familienzusammenführung, einem wichtigen Element des Flüchtlingsschutzes, viel zu wenig Raum gegeben.

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) war Mitte Mai offiziell verabschiedet worden. Die Reform sieht vor, dass Mitgliedstaaten zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet werden. Damit soll zügig festgestellt werden, ob Asylanträge unbegründet seien und Geflüchtete dann schneller und direkt abgeschoben werden könnten. Die 27 Mitgliedstaaten haben bis zu zwei Jahre Zeit zur Umsetzung.

Scholz lobt "humane Begrenzung" irregulärer Migration

Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen in Zukunft nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Nach der Neuregelung können Mitgliedsländer Migranten zudem für den Asylantrag in sogenannte sichere Drittstaaten wie Tunesien und Albanien zurückschicken, wenn die Personen dorthin eine Verbindung haben.

Der EU-Ministerrat hatte am 14. Mai den finalen Beschluss für die Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems gefasst. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete es als historische Einigung "für eine humane Begrenzung von irregulärer Migration. Für verlässliche Registrierungen an den Grenzen." Scholz lobte den solidarischen Ansatz der Reform und kündigte die Umsetzung des Vereinbarten an.

Mit Informationen von KNA, AFP

Ein kleiner Junge weint nach dem Einsatz von Tränengas bei Zusammenstößen mit der Polizei nahe einem Flüchtlingslager im Dorf Diavata in der Nähe von Thessaloniki. Rund 2000 Migranten haben am Samstag zum dritten Tag in Folge ihre Absicht verkündet, von der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki zur rund 60 Kilometer nördlich liegenden Grenze zu Nordmazedonien zu marschieren. Anschließend wollen sie nach Mitteleuropa weiterreisen. (Archivbild: 06.04.2019)
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Immer wieder kommt es zu unermesslichem Leid an den Außengrenzen der Europäischen Union.

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