"Was ist schon gerecht?", fragt Bayerns Finanzminister Albert Füracker im Zusammenhang mit der Debatte um die Erbschaftssteuer. Seit die Grünen bei ihrem Bundesparteitag am Wochenende ein neues Modell dazu vorgelegt haben, nimmt die Debatte wieder Fahrt auf – und dreht sich dabei viel um Gerechtigkeit.
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Grüne wollen "Lebensfreibetrag"
Die Kernpunkte des Grünen-Modells: Ein "Lebensfreibetrag", der für alle – egal ob Familienmitglieder oder andere Privatpersonen – bei einer Million Euro liegen könnte, genau soll das aber noch berechnet werden. Wer mehr erbt, müsste dem Vorschlag zufolge dann bis zu 25 Prozent Steuern auf die Erbmasse zahlen. Betriebsvermögen soll dabei genauso besteuert werden. Bei Problemen müsse der Staat aber großzügige Stundungsmöglichkeiten anbieten, so die Grünen.
Pargent: Vermögensungleichheit "immer krasser"
Tim Pargent, Finanzpolitiker der Grünen im Bayerischen Landtag, sagt: Die Vermögensungleichheit werde "immer krasser". Die Erbschaftssteuer könne ein Instrument sein, um die "Schere zwischen der sehr vermögenden und der einfachen, arbeitenden Bevölkerung" wieder zu schließen. Mit dem pauschalen Freibetrag von einer Million Euro verfolge man gleichzeitig das Ziel, "die vielen kleinen Erbschaften innerhalb von Familien zu schützen und von der Erbschaftssteuer zu befreien". Handele es sich um wirklich große Erbschaften, "dann sollen diese auch einen Beitrag zum Gemeinwesen leisten.“
Ifo-Chef: Erbschaftssteuer hat Fairness-Problem
Reformen ja – aber etwas anders. Das ist die Einschätzung des Chefs des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest. Der Volkswirt findet, die Erbschaftssteuer habe ein "Fairness-Problem", "weil wir unterschiedliche Vermögensarten unterschiedlich belasten". Bei einigen zahle man bis zu 50 Prozent Steuern. Bei selbst bewohnten Immobilien oder Betriebsvermögen dagegen nicht oder kaum.
Etwas abgewinnen kann Fuest dem Grünen-Vorschlag, die Erbschaftssteuerregeln zu "vereinfachen", über den Lebensfreibetrag. Doch die dann von den Grünen geforderte Steuerlast bis zu 25 Prozent sei "zu hoch". Gerade sehr vermögende Menschen oder Unternehmen würden ins Ausland abwandern, beispielsweise nach Österreich, wo keine Erbschaftssteuer aufgerufen werde, so der Volkswirt. Sein Vorschlag: "Ein Freibetrag – und alles darüber hinaus, egal was es für Vermögen ist, zehn Prozent, ich glaube das ist auch für Unternehmen zu schaffen."
Bayerns Finanzminister will regionalisierte Erbschaftssteuer
Um die Unternehmen geht es auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Er ist überzeugt, Betriebe dürften von der Erbschaftssteuer nicht extra belastet werden: "Mir ist es lieber, die Unternehmen können investieren, um Arbeitsplätze zu erhalten, als dass sie viel Erbschaftssteuer zahlen und dann nicht mehr investieren können", so Füracker.
Das Modell der Grünen bezeichnet er als "verfassungsfeindlich". Der Grund: Familienangehörige und andere Erben würden gleichgestellt. Das verkenne aber, dass etwa Kinder qua Gesetz "auch für ihre Eltern einstehen müssen". Es sei ein Unterschied, "ob Kinder oder Fremde erben", so der CSU-Politiker.
Klage der Staatsregierung liegt in Karlsruhe
Doch auch mit der aktuellen Regelung zur Erbschaftssteuer ist Füracker unzufrieden, spricht von einer "Schieflage". Er erklärt, die Freibeträge seien seit 2009 nicht mehr angehoben worden, obwohl die Immobilienpreise stark angestiegen seien.
Auf eine Anpassung hat Bayerns Staatsregierung deshalb beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Eine weitere Forderung: Die Regionalisierung der Erbschaftssteuer, schließlich sei die Lage in Bayern gerade bei Immobilienpreisen anders als in anderen Regionen Deutschlands. Für eine geerbte Immobilie in Bayern zahle man oft deutlich mehr Erbschaftssteuer.
Erbschaftssteuer als Hebel gegen Ungleichheit
Marius Busemeyer von der Universität Konstanz begrüßt, dass die Debatte über die Besteuerung von Vermögen im Wahlkampf geführt wird. Das Argument des Professors für vergleichende politische Ökonomie: Die Vermögensungleichheit in Deutschland sei im internationalen Vergleich hoch. Das treibe die Bevölkerung um und habe ein erhebliches "Spaltungspotenzial", so Busemeyer, der selbst Mitglied der Grünen ist.
Den Beschluss der Grünen zur Reform der Erbschaftssteuer sieht er gleichwohl kritisch. Denn aus "verteilungspolitischer Sicht" hätte man seiner Ansicht nach "mehr zugreifen" können bei der Besteuerung von geerbtem Vermögen, findet Busemeyer. Die Erbschaftssteuer hält er für einen "guten Hebel", um für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen.
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