Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat der ukrainischen Armee den Einsatz von Waffen mit größerer Reichweite genehmigt, um Ziele jenseits der Grenze weit im russischen Hinterland angreifen zu können – mit sogenannten ATACMS-Raketen: Army TACtical Missile System. Bereits zwei Tage später hat die Ukraine Berichten zufolge ein Munitionslager in Russland mit eben solchen Raketen angegriffen.
- Zum Interview: ATACMS: Wie sie funktionieren und was sie bringen
"Ungewöhnliche Entscheidung"
Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik, findet im BR24-Interview für das neue "Possoch klärt" (Video oben, Link unten) die Entscheidung Bidens "ungewöhnlich": "US-Präsidenten sind eigentlich in dieser Phase – der eine ist gewählt, der andere noch nicht abgetreten – sehr zurückhaltend mit politischen Entscheidungen." Jäger vermutet, dass Trump der Grund für Bidens Entscheidung ist, "um die Ukraine zu unterstützen vor dem 20. Januar, weil niemand weiß, was danach ist, wenn Donald Trump im Amt ist".
Militärexperte Franz-Stefan Gady bewertet für BR24 die ATACMS-Freigabe als wichtiges "Signal, dass der Westen durchaus gewillt ist, auch zu eskalieren". Was weitere Fragen aufwirft: Können ATACMS ein Wendepunkt im Ukraine-Krieg sein oder führen sie zum Weltenbrand?
Kreml-Warnung vor dem Atomkrieg "erwartbar"
Der Kreml wähnt die USA jetzt offiziell im Krieg und warnt vor einem Atomkrieg zu Weihnachten. Das ist insbesondere deshalb brisant, weil Putin Russlands Atomwaffendoktrin jüngst geändert hat. Demnach droht Russland mit nuklearer Vergeltung nicht nur für den Fall eines Atomangriffs. Eingeschlossen ist jetzt auch ein konventioneller Angriff auf Russland oder den Verbündeten Belarus, wenn er "eine kritische Bedrohung für deren Souveränität und/oder deren territoriale Unversehrtheit darstellt".
Politikwissenschaftler Thomas Jäger sieht das gelassen: "All das war erwartbar. Russland droht wieder auf die Art und Weise, wie es das seit fast drei Jahren macht." Putin habe im Krieg immer wieder rote Linien definiert, die der Westen übertrat – etwa mit der Lieferung von Kampfpanzern oder Kampfflugzeugen an die Ukraine – und passiert ist nichts: "Der Grund dafür ist relativ schlicht: Putin hat nicht mehr viel Eskalationsmöglichkeiten", so Thomas Jäger.
Im Video: Raketen auf Russland – ATACMS als Wendepunkt des Ukraine-Krieges? Possoch klärt!
Eskalation? "So dumm ist Putin nicht"
Militärexperte Gustav Gressel hält im BR24-Interview die Möglichkeiten Putins, den Krieg zu eskalieren, ebenfalls für begrenzt: "Wenn Russland jetzt gegen die Nato vorgeht, würden sie einen Krieg starten, den sie nicht gewinnen können, das macht Putin nicht, so dumm ist er nicht."
Militärexperte Gady sieht eher eine horizontale Eskalationsdynamik: "Das bedeutet, dass sich der Konflikt geographisch ausweiten kann, das heißt zusätzliche Sabotageaktionen, Cyberangriffe, Manipulationsversuche der öffentlichen Meinung oder auch die Weitergabe von Waffen an dem Westen feindlich gesinnte Gruppierungen wie die Huthis, die dann eben den Welthandel bedrohen können." Hierauf sollte für den Westen der Fokus liegen, schlägt Gady vor.
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