In sozialen Netzwerken, vor allem auf Facebook, kursiert der Screenshot eines gefälschten Tweets von Markus Söder, der den Ministerpräsidenten quasi wie einen "Autokraten" wirken lässt. Das Bild wurde in mehreren Posts tausendfach geteilt. In dem gefakten Tweet wird Söder die Behauptung untergeschoben, dass er sich für Gefängnisstrafen gegen Kritiker der Corona-Regeln ausspricht, wenn sie sich nicht an die Vorschriften halten. Laut diesem gefälschten Screenshot soll Söder gesagt haben: "Keine Strafe ist hoch genug, um die Kritiker und Verweigerer unserer Coronavorschriften zur Räson zu ziehen. Auch, wenn es dadurch mehr Obdachlose gibt, aber Niemand darf ungestraft unsere Politik kritisieren."
Schon vergangene Woche kursierten angebliche Zitate von Söder aus zwei Videos, die der Faktenfuchs als Falschmeldungen identifiziert hat (hier geht’s zur Recherche). Auch die Faktenchecker von Correctiv und Mimikama haben bereits belegt, dass das Zitat eine Fälschung ist. Doch wie genau stellt man fest, dass es sich um ein Fake handelt?
Tweet weder auf Twitter noch im Webarchiv auffindbar
Laut Screenshot soll der Tweet am 22. August auf dem Profil von Markus Söder veröffentlicht worden sein. Ruft man sein Twitterprofil auf, findet sich allerdings gar kein Tweet, den er oder sein Team am 22. August abgesetzt haben. Dort findet sich ein Tweet vom 17. August zum Tod von Georg Volkert und anschließend einer vom 23. August mit einem Link zu einem Interview Söders mit dem Deutschlandfunk. Doch Tweets können gelöscht werden.
Deshalb lohnt sich ein Blick in die Wayback-Machine. Wie eine Webseite sich verändert hat, lässt sich über die Seite archive.org herausfinden. Sie speichert frühere Fassungen von Webseiten. In einer Sicherung vom 30. August sieht man: Tatsächlich wurde auf dem Profil von Markus Söder am 22. August ein Tweet veröffentlicht. Dieser ist nun nicht mehr auf seinem Profil sichtbar und wurde folglich entfernt.
Aber: Dieser Tweet stimmt nicht mit der Fälschung überein, die derzeit kursiert. Im Text heißt es, man müsse die "Vernünftigen vor den Unvernünftigen schützen", die Corona nicht ernst nehmen würden. Deshalb könnte man zu Zeitpunkt keine weiteren Lockerungen beschließen. Von härteren Strafen gegenüber denen, die sich nicht an die Vorschriften halten, ist aber nicht die Rede.
Der Text ist exakt der gleiche, der am 23. erneut auf Söders Profil veröffentlicht wurde – und der nach wie vor zu sehen ist. Der einzige Unterschied zwischen dem gelöschten und noch sichtbaren Tweet: Der Link zum Interview mit dem Deutschlandfunk, der noch ergänzt wurde:
Woran erkennt man die Fälschung?
Schaut man sich nun den Screenshot, der sich über soziale Netzwerke verbreitet, genauer an, finden sich weitere Indizien für eine Fälschung. Erstens: Die Schriftart im Screenshot stimmt nicht mit der Standard-Schriftart von Twitter überein, wie ein Vergleich mit einem beliebigen anderen Tweet zeigt:
Zwar gibt es mit Textconvertern (z.B. hier , hier oder hier) die Möglichkeit, andere Schriften in einen Tweet einzufügen – die im gefälschten Screenshot verwendete ist allerdings nicht in den festgelegten und begrenzten Optionen dabei.
Außerdem enthält der gefälschte Tweet einige Fehler (doppelt "müssen", "Niemand" großgeschrieben, es heißt "zur Räson bringen" und nicht "zur Räson ziehen") – und er ist vor allem zu lang für Twitter. Maximal 280 Zeichen darf ein Tweet haben, sonst kann man ihn auf der Webseite nicht veröffentlichen. Dieses Zeichenlimit legt Twitter fest. Der Text des Screenshots hat aber 362 Zeichen – 82 Zeichen zu viel. Ein Test auf Twitter zeigt: Markus Söder hätte diesen Tweet gar nicht absetzen können, weil er schlicht zu lang ist.
Fazit
Der angebliche Tweet von Markus Söder, er habe Gefängnisstrafen für wiederholte Verweigerer der Corona-Vorschriften gefordert, ist eine Fälschung. Zwar wurde auf seinem Profil am 22. August tatsächlich ein Tweet veröffentlicht und wieder gelöscht, aber der Inhalt stimmt nicht mit der Fälschung überein. Außerdem hat der Text des Fakes die falsche Schriftart und ist zu lang für einen Tweet. Er hätte so auf der Plattform nicht veröffentlicht werden können, sondern muss anderweitig bearbeitet worden sein.
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