Jürgen Schütz liebt seinen Arbeitsplatz, aber jetzt sitzt er fest. Er kommt zwar aus seinem Büro, aber auch nicht viel weiter, seit Tagen schon. Doch er nimmt es gelassen: "Das kommt schon mal vor", sagt er, wenn man auf dem Wendelstein arbeitet, auf knapp 1.900 Metern Höhe.
Eigentlich ist der markante Brocken vor Münchens Haustür bestens erschlossen: Eine Seilbahn und eine Zahnradbahn führen auf den mit allerlei Gebäuden, Anlagen und dem 60 Meter hohen Sendemast bebauten Gipfel. Doch beide Bahnen sind wegen des Sturms derzeit nicht in Betrieb, weswegen Jürgen Schütz nicht ins Tal kommt und auch kein Besucher zu ihm. Nur per Videokonferenz kann er beschreiben, warum der Wendelstein für den BR so etwas Besonderes ist. Sein Bildschirmhintergrund könnte auch der Blick aus seinem Fenster sein: die tief verschneite Wendelsteinkapelle, dahinter das Panorama der bayerischen Voralpen.
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Zentrale am Rande des Sendegebiets
Die Servicezentrale Wendelstein des BR ist, wie es der offizielle Name schon sagt, zentral. "Das ist unser reichweitenstärkster Sender", sagt Schütz. "Von hier aus versorgen wir fast die Hälfte Bayerns mit den Fernseh- und Hörfunkprogrammen." Schütz ist Leiter der Servicezentrale und nicht allein auf dem Gipfel. Mit ihm verbringen immer vier Kolleginnen und Kollegen im Schichtdienst ihre Arbeitszeit im eigens für den BR errichteten Sendergebäude. Deren Arbeitstage dauern elf Stunden, ihre Arbeitswochen haben sieben Tage, dann ist eine Woche frei.
Sie überwachen nicht nur die eigene Senderanlage, sondern auch die anderen Sender des BR - und das Livestreaming für "das Erste" und "ARD Alpha". Auch die Leitungen der Korrespondenten in Bayern und die der Auslandsstudios in Istanbul, Wien, Rom und Tel Aviv überwachen sie, erklärt Schütz: "Die Leitungen müssen rund um die Uhr stehen, damit die Kolleginnen und Kollegen ihre Beiträge nach München ins Funkhaus und nach Freimann bringen können."
Arbeit in der Zentrale nur mit "Masttauglichkeit"
Wenn also irgendwo im Sendernetz des BR ein Problem auftaucht, dann blinkt es auf dem Wendelstein und Schütz’ Team muss ran. Das kann auch mal bedeuten, dass einer auf den Mast muss. Deshalb müssen auch alle Techniker regelmäßig ihre "Masttauglichkeit" vom Arzt bestätigen lassen. "Wenn es Schäden gibt oder Antennen defekt sind, müssen wir rauf und das überprüfen", erklärt Schütz. "Wir versuchen das aber in den Sommermonaten zu machen. Im Winter ist es sehr gefährlich und auch ziemlich greislich auf dem Mast."
Was der Antennenmast mit der Persil-Werbung zu tun hat
Am 3. Januar 1950 wurde vom Sender Wendelstein das erste Hörfunkprogramm ausgestrahlt. Die UKW-Sender passten noch in zwei Zimmer des damaligen Berghotels; für das Fernsehen musste allerdings ein eigenes Stationsgebäude her. Das entstand 1953/1954 und dient noch heute dem Team um Jürgen Seitz als Arbeitsplatz und Wohnort gleichermaßen - eingerichtet unter anderem mit Gemeinschafts- und Schlafräumen, einem Fitnessraum und einer Küche, denn kochen müssen Schütz und seine Leute selbst.
Für die Senderanlagen brauchte der BR aber noch mehr Platz auf dem Wendelstein. Den pachtete er von der Firma Henkel und verpflichtete sich, der Henkel-Gruppe bei der ersten Werbefernsehsendung den Vorrang einzuräumen. Im ersten Werbespot des Bayerischen Fernsehens hieß es deshalb: "Persil und nichts anderes".
Die größte Herausforderung waren die neun Tonnen schweren Fernsehkabel: Sie wurden auf einer Holzkonstruktion von zwei Loks über die Schienen der Zahnradbahn auf den Gipfel gezogen. Am 6. November 1954 begann der BR mit der Mozart-Oper "Die Gärtnerin aus Liebe" die Ausstrahlung eines eigenen Fernsehprogramms. Im Tagebuch vom Sender Wendelstein notierten die Techniker für diesen Tag: "Bild: sehr gut, Ton: sehr gut, Studio-Premiere gut überstanden".
Arbeit mit Stolz, Spaß und Skiern
Jürgen Schütz arbeitet seit mehr als 20 Jahren am Sender Wendelstein. "Ich habe mich beworben, hatte Glück und bin gleich auf die Station geschickt worden", erzählt er. "Und die Arbeit macht mir Spaß wie am ersten Tag." In der freien Zeit dreht er mit seinem Team Runden auf dem Gipfel oder schickt es in schneereichen Wintern zum Skifahren - "aber nicht zu wild, ich brauch' sie ja wieder gesund". Die schönsten Momente, sagt er, sind die, wenn keine Gäste mehr da sind und keine Touristen. Die Stille. Und dann ein schöner Sonnenuntergang.
"Uns erfüllt es mit Stolz, dass wir hier oben arbeiten können und die Sendeanlagen betreuen. Und solange die Anlagen laufen, feiern wir den 75. Geburtstag des BR auch ein bisschen mit. Indirekt halt." Aus der Zentrale in der Ferne.
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