Viele Landwirte sind unzufrieden mit der aktuell geltenden Düngeverordnung und klagen dagegen. Insgesamt 66 Klagen sind beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Am heutigen Donnerstag werden die ersten beiden verhandelt – als Musterverfahren. Sie stehen repräsentativ für alle Verfahren und ihr Urteil, das Ende Februar erwartet wird, dürfte wegweisend für die weiteren Entscheidungen sein.
Am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München tragen unter anderem betroffene Landwirte aus Lonnerstadt im Landkreis Erlangen-Höchstadt ihre Kritikpunkte vor. Sie alle haben ihre Äcker in einem sogenannten roten Gebiet. Das heißt: Umweltbehörden haben hier an Grundwassermessstellen überhöhte Nitratwerte festgestellt. Nitrat im Trinkwasser kann gesundheitsschädlich sein.
Landwirte im roten Gebiet müssen Düngung reduzieren
Sobald Landwirte im roten Gebiet sind, gelten für sie spezielle Einschränkungen. Hauptkulturen, wie etwa Mais oder Getreide, dürfen sie nur mit höchstens 80 Prozent des errechneten Stickstoffdüngebedarfs düngen. Der Stickstoffbedarf wird durch Bodenproben ermittelt, die die Landwirte im Frühjahr ziehen und einschicken müssen. Zwischenfrüchte dürfen im roten Gebiet gar nicht gedüngt werden.
Landwirt Stefan Erbel aus Lonnerstadt hat zum Beispiel im Herbst Senf als Zwischenfrucht gesät. Der soll den Boden über den Winter bedecken und wird später in den Boden eingeackert. Doch die Pflanze ist nicht gut gewachsen. "Die ist leider gerade mal 20 Zentimeter groß. Und sie könnte bis zu einem Meter hochwachsen. Das wäre gar kein Problem für einen Senf, wenn man den ordentlich düngen könnte im Herbst", erklärt Erbel. Wächst die Zwischenfrucht schlecht, ist der Boden kaum bedeckt, haben Unkräuter leichteres Spiel und es ist weniger Biomasse für den Humusaufbau verfügbar.
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hatte im Vorfeld der Novellierung der Düngeverordnung im Jahr 2020 für die Möglichkeit einer Düngung aller Zwischenfrüchte in roten Gebieten gekämpft. Doch ihr Antrag hatte im Ländergremium keine Mehrheit erhalten. Stattdessen wurde mehrheitlich beschlossen, dass Zwischenfrüchte, die nicht als Futter für Tiere genutzt werden, in roten Gebieten nicht gedüngt werden dürfen, teilt das bayerische Landwirtschaftsministerium mit.
Gülle muss länger gelagert werden
Auch Milchviehhalter Daniel Blankenbühler hat Einschränkungen aufgrund des roten Gebiets. Weil er im Herbst nicht düngen darf, lagert die Gülle bis ins Frühjahr. Weil die alte Güllegrube schon voll ist, brauchte er eine neue, größere Güllegrube. Kostenpunkt: Um die 100.000 Euro.
Die Landwirte aus Lonnerstadt finden die Einschränkungen zum Schutz des Trinkwassers zu streng. Sie haben sich mit anderen Bauern in einer Interessensgemeinschaft zusammengeschlossen und Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Auch Thomas Pfeiffer engagiert sich in der Interessensgemeinschaft: "Wir fordern als erstes, dass es mehr Messstellen braucht, um die Gebiete auch korrekt und nachvollziehbar auszuweisen."
Außerdem kritisieren die Landwirte, die Methode, wie die roten Gebiete ermittelt werden, sei zu kompliziert und unlogisch. Sie solle geändert werden, damit sie gerechter ist. Denn nicht jeder Landwirt, der Flächen in einem roten Gebiet bewirtschaftet, sei auch automatisch für die hohen Nitratwerte verantwortlich. Schließlich dauert es mehrere Jahre, bis Nitrat im Grundwasser ankommt, erklärt Dieter Heberlein, Umweltreferent beim Bayerischen Bauernverband, Bezirk Oberfranken: "Die Interessensgemeinschaft hofft darauf, dass das Gericht eine Entscheidung trifft, dass Landwirte, die ordentlich wirtschaften, nicht gemaßregelt werden und Auflagen erfüllen müssen."
Wie die roten Gebiete ermittelt werden, schreibt der Bund vor
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber teilte auf BR-Anfrage mit, bis Ende des Jahres 600 neue Messstellen bauen zu wollen – dann gäbe es in Bayern insgesamt 1.500 Messstellen. Eine teure Angelegenheit: Alleine eine Bohrung kann mehr als 10.000 Euro kosten.
Glauber selbst sieht es kritisch, dass die Ausweisung der roten Gebiete über die Messstellen erfolgt. Er ist für eine Stickstoffbilanz, bei der ein Landwirt nur so viel Dünger ausbringen darf, wie die angebauten Pflanzen benötigen. Doch die Messstellen-Methode schreibt der Bund aktuell noch vor.
Die Klage der Landwirte richtet sich aktuell gegen den Freistaat, doch sie haben es auf eine höhere Instanz abgesehen und wollen mittelfristig eine Änderung des Bundesrechts erreichen.
EU verpflichtet zum Schutz des Grundwassers
Doch selbst wenn die Landwirte Erfolg haben, wird die Methode, wie die roten Gebiete ausgewiesen werden, wohl immer zugunsten des Grundwasserschutzes erfolgen. Denn die EU hat Deutschland mächtig Druck gemacht, weil Deutschland lange nicht genug gegen zu viel Nitrat im Grundwasser getan hat. Im Fall einer Verurteilung hätte Deutschland laut Bundeslandwirtschaftsministerium eine Strafe in Höhe von mindestens elf Millionen Euro und ein Zwangsgeld von bis zu rund 800.000 Euro täglich gedroht. Doch dann konnte der Streit doch noch beigelegt werden: Die Europäische Kommission hat die aktuelle Ausweisung der roten und gelben Gebiete in Deutschland überprüft und daraufhin das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland im Mai 2023 eingestellt.
Laut Umweltministerium hat das Thema Wassersicherheit in Bayern oberste Priorität. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass auch künftigen Generationen Grundwasser in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht. Denn fast all unser Trinkwasser schöpfen wir aus dem Grundwasser. Aber das ist derzeit in keinem guten Zustand. In vielen Regionen muss es aufwendig aufbereitet werden, damit Menschen es bedenkenlos trinken können. Schaut man auf die aktuelle Messstellen-Karte in Bayern, sieht man vor allem in Niederbayern, der Oberpfalz und in ganz Franken viele Messstellen, die den Nitratgrenzwert überschreiten.
Im Video: Unzufriedene Landwirte klagen gegen Düngeverordnung
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