(Symbolbild) Die Ortseinfahrt von Bad Griesbach mit Bürgermeister Jürgen Fundke
Bildrechte: Katharina Häringer / Montage: Sebastian Grosser
Videobeitrag

(Symbolbild) Die Ortseinfahrt von Bad Griesbach mit Bürgermeister Jürgen Fundke.

Videobeitrag
>

Flüchtlinge in Bad Griesbach: Überforderung oder Vorurteil?

Flüchtlinge in Bad Griesbach: Überforderung oder Vorurteil?

Bad Griesbachs Bürgermeister hat bis heute seinen Verwaltungsmitarbeitern verboten, ukrainische Geflüchtete anzumelden. Gegen ihn wird deshalb inzwischen ermittelt. Ist die Kurstadt so überfordert oder worum geht es wirklich?

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

Die 13 Jahre alte Polina schnürt ihre Sneaker, schlüpft in ihre Winterjacke und geht los: von der Flüchtlingsunterkunft zur Mittelschule. Hier bekommt sie in einer eigenen Klasse Deutsch-Unterricht. "Mir geht es sehr viel besser, seitdem ich in der Schule bin", sagt sie.

Das ist erst seit kurzem der Fall. Denn Bad Griesbachs Bürgermeister Jürgen Fundke (Überörtliche Wählergemeinschaft, ÜW) hatte verhindert, dass Polina und rund 30 weitere Kriegsflüchtlinge ihren Wohnsitz in der Kurstadt anmelden konnten. Fundke ist der Meinung, es seien zu viele ukrainische Geflüchtete in der Stadt. Wegen seines Verhaltens ermittelt die Landesanwaltschaft Bayern gegen ihn.

Bürgermeister: Kein Platz in Schulen und Kindergärten

Erst nachdem der Zweite Bürgermeister die Anmeldung der Geflüchteten veranlasst hatte, konnte Polina in die Schule starten. "Seitdem läuft es gut. Meine Lehrerin ist toll, und ich fühle mich in der Klasse akzeptiert", erzählt sie. Dass es in der Schule gut läuft, hatte Bürgermeister Fundke bezweifelt. Im Oktober sagte er im BR-Interview: "Ich bringe die Kinder nicht unter. Meine Schulen und Kindergärten platzen auseinander."

Im Video: Gibt es wirklich zu viele Flüchtlinge in Bad Griesbach

(Symbolbild) Die Ortseinfahrt von Bad Griesbach mit Bürgermeister Jürgen Fundke.
Bildrechte: Katharina Häringer / Montage: Sebastian Grosser
Videobeitrag

(Symbolbild) Die Ortseinfahrt von Bad Griesbach mit Bürgermeister Jürgen Fundke.

Schulamt: "Wir haben noch Kapazitäten"

Doch genau davon distanziert sich nun das Schulamt. Dessen Leiter Klaus Sterner betont, dass die drei Deutschklassen an Real- und Mittelschule nicht "auseinanderplatzen" würden. Weder räumlich noch personell gebe es Probleme. "Die Lehrkräfte sind sehr motiviert und kriegen das gut gemeistert", so Sterner.

Kleinreden möchte er die Situation aber nicht. "Kinder wie Polina sind deutlich nach Start des Schuljahres in die Klasse dazugestoßen, andere Kinder verlassen mit ihren Eltern gerade die Erstunterkunft, ziehen in andere Orte und wechseln mitten im Schuljahr die Klasse." Diese Fluktuation sowie das unterschiedliche Sprachniveau der Kinder seien für die Lehrkräfte große Herausforderungen.

Wie die Lehrerinnen und Lehrer selbst die Situation in Bad Griesbach einschätzen, bleibt unklar. Die Schulleiter verbieten es dem BR, Unterricht zu besuchen und mit Lehrkräften zu sprechen.

Freie Plätze in Kindergärten und Krippen

Neben dem Schulamt distanziert sich auch die Caritas, die in Bad Griesbach drei Kindergärten betreibt, von Fundkes Äußerung. Demnach sind von den 200 Kindergartenplätzen im Moment zehn frei, von den 60 Kitaplätzen sind 15 frei. Bisher wurden laut Caritas zwei ukrainische Kinder angemeldet. In einem der drei Kindergärten wäre räumlich auch Platz für eine weitere Gruppe, informiert der Träger.

Allerdings zeigt sich Bernhard Heidingsfelder, Leiter des Caritas-Ortsvereins, besorgt über die Personalsituation. "Das ist unser Nadelöhr. Ohne Erzieherinnen können wir keine weitere Gruppe aufmachen. Wenn die ukrainischen Frauen in den kommenden Monaten Arbeit finden sollten und Betreuungsplätze brauchen, könnte es schwierig werden." Der jüngste der drei Kindergärten sei erst vor zwei Jahren eröffnet worden. Dem sei eine Bedarfsanalyse vorausgegangen mit dem Ergebnis: Der Bedarf an Kitaplätzen gehe zurück. Daran habe man sich damals orientiert.  

Rückhalt in der Bevölkerung und auch Kritik

In der Kurstadt wird das Thema kontrovers diskutiert. Viele Bürger finden es gut, dass sich Bürgermeister Jürgen Fundke "zur Wehr setzt". "Irgendwann muss mal Schluss sein", sagen einige. Immer wieder fällt der Satz: "Dass ukrainische Geflüchtete Bürgergeld bekommen und Einheimische angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten den Gürtel enger schnallen müssen, ist ungerecht." Fundke sei wenigstens für seine Bürger da.

Auf die Nachfrage, ob es konkret Probleme im Ort gebe, kommen keine Antworten. "Ich schäme mich. Wenn wir fliehen müssten, wären wir auch froh, wenn wir woanders ein Dach über dem Kopf hätten", sagen andere.  

Anhörung vor Landesanwaltschaft

Jürgen Fundke äußert sich im Moment nicht mehr zu dem Thema. Er wolle seine Anhörung bei der Landesanwaltschaft Bayern abwarten. Die soll laut der Disziplinarbehörde noch vor Weihnachten stattfinden. Sollte die Landesanwaltschaft im Laufe der Ermittlungen zu der Auffassung kommen, dass Fundke seine Dienstpflicht verletzt hat, würde der Fall vor das Verwaltungsgericht Regensburg gehen.   

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!