Der Fall hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Claudia Jaworski war vom Leiter der JVA Bernau angezeigt worden, weil sie öffentlich erklärt hatte, dass ihrem Bruder, der dort Häftling war, von den Anstaltsärzten die notwendige medizinische Hilfe für seine Drogensucht verweigert worden sei. Nun hat sie das Amtsgericht Rosenheim vom Vorwurf der üblen Nachrede zu Lasten zweier Ärzte der Justizvollzugsanstalt Bernau freigesprochen.
In einem YouTube-Video hatte Jaworski gesagt, dass ihr heroinsüchtiger Bruder die Anstaltsärzte dringend um Substitutionsmittel wie Subutex gebeten hatte. Ein Arzt habe ihm daraufhin gesagt, bei ihm werde nicht substituiert, der Häftling solle sich den Stoff beim Hofgang besorgen. Aufgrund dieser Darstellung hatte die Staatsanwaltschaft Traunstein Anklage wegen übler Nachrede gegen Claudia Jaworski erhoben.
"Ärzte interessieren sich einen Dreck"
Während der sechsstündigen Verhandlung vor dem Amtsgericht wiederholte die Angeklagte zunächst ihre Vorwürfe gegen die Anstaltsärzte. Sie schilderte, wie sie ihren Bruder L. bei einem Besuch in der JVA erlebt habe: Abgemagert, verzweifelt, aggressiv, deprimiert. Auf ihre Frage, was denn der Arzt zu seinem Zustand sage, habe L. gesagt: "Die Ärzte interessieren sich einen Dreck für uns, wir werden von denen auf den Schwarzmarkt geschickt."
Urteil wegen Drogenschmuggels steht noch aus
Sie habe damals, 2019, den Eindruck gehabt, ihr Bruder brauche dringend ein Substitutionsmittel und ihm deswegen zwei Pillen Subutex in die JVA geschmuggelt. Das war von Wärtern entdeckt worden, es folgte eine Anzeige und die Verurteilung von Jaworski im Jahr 2021. Sie legte Berufung gegen das Urteil ein. Eine endgültige Entscheidung in diesem Verfahren steht noch aus.
Gefängnis-Arzt sah keine Notwendigkeit für Ersatzdroge
Bei dem neuen Prozess am Dienstag ging es aber vor allem um die mögliche Verleumdung von zwei Amtsärzten. Diese sind beide mittlerweile pensioniert und sagten in Rosenheim als Zeugen aus. Beide bestritten, jemals Häftlingen gesagt zu haben, es werde in Bernau nicht substituiert und man solle sich das Mittel im Hofgang besorgen.
Ein Arzt sagte, er habe, wenn er von Insassen um Substituierung ihrer Drogensucht gebeten worden sei, durchaus erstmal seine kritische Sicht dieser Maßnahme geäußert, den Häftling aber dann an den Kollegen verwiesen, der für diese Medikation ausgebildet und zuständig war. Es habe viele Insassen gegeben, die per Abstinenz von ihrer Sucht geheilt werden und ausdrücklich kein Substitutionsmittel bekommen wollten.
Drogen-Entzug statt Substitution?
Der zweite Arzt verwahrte sich gegen den von der Angeklagten erhobenen Vorwurf mit der Aussage, er habe ja damals vielen Häftlingen Subutex gegeben. Ein Spruch wie "Bei mir gibt’s keine Substitution" könne von ihm also gar nicht gekommen sein. Er erinnere sich so, dass L. keine Drogen genommen und auch kein Subutex bekommen habe, als er in die JVA Bernau eingewiesen wurde. Mithin habe kein Grund für eine Substituierung vorgelegen.
Als nächster Zeuge bestätigte Jaworskis Bruder, dass die Ärzte ihm als Häftling die gewünschte Substitution verweigert hätten. Auf Nachfrage des Richters zeigte sich, dass L. zwar mündlich um Substituierung gebeten haben will, aber keinen regelgerechten Antrag auf das Mittel eingereicht hatte. Der Verteidiger der Angeklagten verwies auf eine ganze Reihe von ehemaligen Insassen der JVA Bernau, die mit ganz ähnlichen Worten die Darstellung von L. bestätigten.
Aus seiner Sicht war es System, auf Entzug statt auf Substitution zu setzen. Seine Beweisanträge, acht ehemalige Häftlinge als Zeugen ins Verfahren zu bringen, wurden vom Gericht abgelehnt. Der Verteidiger beantragte Freispruch, die Staatsanwältin eine überschaubare Geldstrafe.
Zeugen bestätigten Vorwürfe gegen Ärzte
In einer kurzen Begründung seines Freispruchs sagte der Richter, er habe keine klare Überzeugung gewinnen können, ob und wie die angezeigten Äußerungen gefallen sein könnten. Alle Zeugen hätten auf ihn gleichermaßen glaubhaft gewirkt. Der Richter hob bei seinem Freispruch vor allem auf die Sorgfalt ab, mit der die Angeklagte ihre Aussagen begründete. Sie habe gründlich recherchiert, die Vorwürfe gegen die Ärzte nicht "einfach so hinausposaunt" und viele Zeugen gefunden, die die erhobenen Vorwürfe bestätigten.
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