Der "beste kleine Bio-Laden Deutschlands" liegt in Oberbayern - der Seestaller Dorfladen in der Gemeinde Fuchstal im Landkreis Landsberg. Gegründet haben ihn Pascal Prestel (33) und seine Partnerin Viktoria Luks (28) Ende 2021. Über die Auszeichnung haben 50.000 Leserinnen und Leser des Bio-Magazins "Schrot&Korn" abgestimmt. Das Erfolgsrezept des Dorfladens liegt einerseits in den Produkten selbst, denn die Bio-Branche ist wieder im Aufschwung. Doch ständige Veränderungsbereitschaft und neue Ideen für mehr Kundenbindung helfen auch - das zeigt der Seestaller Dorfladen.
Geringerer Preisanstieg bei Bio-Lebensmitteln
Fast alle der 1.500 Produkte im Seestaller Dorfladen haben Bioqualität, wovon das Geschäft profitiert. Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sind Bio-Lebensmittel im Jahr 2023 um fünf Prozent teurer geworden. Gekauft werden sie trotzdem. Bei Lebensmitteln generell sind die Preise noch stärker angestiegen, nämlich um neun Prozent. Das nützt auch dem Seestaller Dorfladen. "Wenn wir konventionelle Lebensmittel anbieten würde, würden wir nie das Geld verdienen wie im Bio-Sektor", so Prestel, "weil mit Bio-Produkten habe ich doch eine etwas größerer Gewinnspanne".
Starker Bio-Aufschwung in Bayern
In Bayern sind die Umsätze in der Bio-Branche besonders stark angestiegen: um 7,2 Prozent von Januar bis September 2023. Deutschlandweit waren es im selben Zeitraum nur 2,3 Prozent, sagt Thomas Lang, Vorsitzender der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ). Produkte, bei denen Verbraucher besonderen Wert auf Bio-Qualität legen, seien Gemüse und Milchprodukte, so Lang. Doch auch Fleisch werde mittlerweile deutlich häufiger in Bio-Qualität nachgefragt. "Die Menschen sagen: Wenn ich schon einmal Fleisch kaufe, dann auch Bio."
Als Grund für den Aufschwung der Bio-Branche in Bayern sieht Lang unter anderem ein wachsendes Interesse der Bevölkerung an Themen, die mit Bio zusammenhängen, wie Nachhaltigkeit, Regionalität und Gemeinschaftssinn. Zudem schwankten die Preise bei Bio-Lebensmitteln weniger stark, sagt Lang.
Neue Ideen binden Kundschaft
Die Inflation und der Krieg hätten vor allem 2022 zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung der Kunden aufgrund gestiegener Preise geführt, so Lang. Im Seestaller Dorfladen haben Luks und Prestel von dieser Zurückhaltung nichts gespürt. Seit der Eröffnung Ende 2021 verzeichnen sie steigende Kundenzahlen. Doch allein auf den Aufschwung der Bio-Branche und die Auszeichnung als "bester kleiner Bio-Laden" kann sich der Dorfladen in Seestall nicht verlassen.
Viele Dorfläden müssen nach wenigen Jahren schließen. Neue Ideen sind gefragt. "Wir schauen immer, was wir umbauen oder verändern können, damit die Kunden sich besser zurechtfinden und neue Kaufanreize haben", erzählt Viktoria Luks. Selbst hergestellte Produkte wie Kuchen oder Aufstriche sollen den Kunden etwas Außergewöhnliches bieten, gleichzeitig soll eine möglichst große Bandbreite zur Verfügung stehen. "Damit die Leute hier ihren Wocheneinkauf erledigen und wir so viel Umsatz wie möglich mit einem einzelnen Einkauf machen", erklärt Pascal Prestel. Und das nächste neue Angebot für die Kundschaft ist schon in Vorbereitung: Frühstück im Dorfladen.
Individuelle Preisgestaltung ohne Zwischenhändler
Ein weiterer Grund für den Erfolg des Dorfladens ist der weitgehende Verzicht auf Zwischenhändler. Die direkte Absprache von Preisen und Lieferungen wissen auch die Zulieferer aus der Region zu schätzen. Etwa Anja Mayr vom Biohof Mayr aus Penzing, die den Laden mit ihren Dinkelprodukten beliefert. Der Familienbetrieb produziert nicht genug, um einen großen Supermarkt beliefern zu können. Und auch sonst arbeitet Mayr lieber mit einem Dorfladen als mit einem Konzern: "Ich kann den Preis mit Pascal zusammen bestimmen und schauen: Was braucht er, was brauchen wir, um wirtschaftlich arbeiten zu können."
Ohne Zwischenhändler funktioniert auch die Zusammenarbeit mit der Bäckerei Pfatischer. Die Kunden aus Seestall kaufen nun das Pfatischer-Brot direkt im Dorfladen und kommen meist nicht mehr in die Bäckerei nach Unterdießen, sagt Bäckermeister Werner Pfatischer. "Wenn wir zum Dorfladen liefern, kriegt er Prozente von uns. Und wenn sie hier einkaufen, müssten wir keine Prozente geben", erklärt Pfatischer, "aber da bräuchten wir vielleicht eine Verkäuferin mehr und das würde mehr kosten. So kommt es aufs Gleiche raus."
Bürgermeister von Gründer-Paar überzeugt
Im vergangenen Jahr hat der Umsatz des Dorfladens um fast 20 Prozent zugenommen. So können die Besitzer Prestel und Luks mit ihrer zweijährigen Tochter mittlerweile von dem Laden leben. Dass die beiden geschäftstüchtig sind, hat auch Fuchstals dritten Bürgermeister Walter Reitler überzeugt. Er hat sich darum bei der Verpachtung für das junge Paar entschieden. "Nur so nebenbei, das würde nicht funktionieren. Aber so mit Vollgas, wie es Pascal und Viktoria machen, da hat man eine Chance", sagt Reitler. Die Gemeinde Fuchstal hat den Dorfladen bereits mit Kühlschränken und einer Klimaanlage unterstützt. Bürgermeister Reitler kommt am liebsten mittwochs in den Laden. Denn dann gibt es frische Torten und Kuchen. Die machen Pascal und Viktoria selbst - denn beide sind gelernte Konditoren.
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