Es könnte weitere Anschlagspläne von russischen Spionen geben, damit rechnet der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. "Man muss davon ausgehen, dass Dieter S. und sein Komplize nicht das einzige Team sind, das die russischen Nachrichtendienste für solche Zwecke in der Bundesrepublik eingesetzt haben", so der Leiter des Vereins "Forschungsinstitut für Friedenspolitik" in Weilheim.
In einem Interview mit BR24 sagte Schmidt-Eenboom, dass es eine Vielzahl solcher Gruppen in Deutschland geben dürfte. Bereits 1992 habe ein russischer KGB-General behauptet, Russlanddeutsche in der Bundesrepublik seien ein "gutes nachrichtendienstliches Einfallstor", so der Experte. "Das hat man zuletzt auch anhand des Auftritts vieler fanatischer, russlandfreundlicher Nationalisten bei pro-russischen Demonstrationen in Deutschland gesehen", sagt der Friedensforscher und frühere Soldat.
Experte: Planung von Anschlägen eine neue Dimension
Neu sei die konkrete Planung und Vorbereitung von Anschlägen und Sabotageakten, um Versorgungslinien zu stören. Das sei eine Art "Kriegserklärung in einem hybriden Krieg", so Schmidt-Eenboom, denn es gehe über Cyberattacken und Ausspähversuche hinaus. Der Spionage-Experte verweist auf die Einordnung des russischen Spionage-Duos als terroristische Vereinigung und geht von hohen Haftstrafen für die Beschuldigten aus.
"Kasernen schon immer im Fokus von Geheimdiensten"
Auch Helmut Müller-Enbergs von der dänischen Syddansk Universität schließt nicht aus, dass weitere Sabotagepläne von russischer Hand vorgesehen sind. Müller-Enbergs leitete von 2015 bis 2021 die Spionageabwehr beim Verfassungsschutz in Berlin. Ob der aktuelle Fall eine neue Dimension darstellt, mit diesem Urteil sei er vorsichtig, so der Honorarprofessor für die Geschichte der Nachrichtendienste: "Einrichtungen sind schon immer im Fokus von Geheimdiensten gewesen, etwa Kasernen oder Ministerien", so Müller-Enbergs. Dass Deutschland schlechter geschützt sei gegen Spione, verneint der Experte. Die strafrechtlichen Instrumente seien jedoch nicht so ausgeprägt wie etwa in den USA oder Frankreich.
Deutsche Spionageabwehr in 90er Jahren abgebaut
Der Politikwissenschaftler bemängelt, dass Deutschland in den 90er Jahren die Spionageabwehr abgebaut habe: "Spionageabwehr ist ein extrem ausbildungsintensiver Bereich", Müller-Enbergs. Wolle man sich stärker schützen, dann brauche man mehr Spionageabwehr. Außerdem sieht er die ein oder andere Besetzung der Chefposten bei deutschen Geheimdiensten kritisch: Es brauche es an der Spitze des Apparats "keine Ideologen, sondern Spezialisten für Gefahrenlagen", so Müller-Enbergs.
"Russland ein reiner Spionagestaat"
Größeren Schutzbedarf sieht auch Friedensforscher Schmidt-Eenboom. Deutsche Infrastruktur sei ebenso im Visier russischer Spione. Gefragt zur Abwehrfähigkeit Deutschlands sagt der Geheimdienstexperte: Das Sicherheitssystem in Deutschland wachse zwar an, insbesondere im Bereich der Cyberabwehr. Jedoch habe man es mit einem mächtigen nachrichtendienstlichen Gegner zu tun: "Die russische Föderation ist angefangen vom Staatschef Putin ein reiner Spionagestaat, der gigantische Mengen von nachrichtendienstlichen Methoden und Menschen in der Bundesrepublik einsetzt", so Schmidt-Eenboom.
Russlandfreundlichkeit der AfD ein "Sicherheitsrisiko für Deutschland"
Darüber hinaus warnt der Sicherheitsexperte in dem Kontext vor einer russischen Infiltrierung der AfD: "Natürlich ist die russlandfreundliche Position der AfD ein zusätzliches Einfallstor der russischen Nachrichtendienste. Wenn sich die Dienste fragen, wen man für die eigenen Dienste einspannen kann, schauen sie auf eine AfD-Mitgliedschaft", sagt Schmidt-Eenboom und bezeichnet die Russlandfreundlichkeit der AfD als ein "Sicherheitsrisiko für Deutschland".
Mutmaßliche russische Spione festgenommen
Am Donnerstag wurde bekannt, dass zwei Deutsch-Russen wegen der Vorbereitung von Sabotageaktionen im Auftrag Russlands in Bayreuth festgenommen wurden. Ziel sei es gewesen, Deutschlands Unterstützung für die Ukraine zu sabotieren. Generalbundesanwalt Jens Rommel wirft dem Hauptbeschuldigten Dieter S., einem 39 Jahre alten Mann mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit noch eine ganze Reihe von weiteren Straftaten vor: Illegale Operationen für den russischen Staat und gegen die Ukraine, dazu noch Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und die Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion. Beide Festgenommenen befinden sich in Untersuchungshaft. In Berlin wurde der russische Botschafter einbestellt. Einem "Spiegel"-Bericht zufolge soll es sich bei einem der ausgespähten Objekte um eine Einrichtung der US-Armee im bayerischen Grafenwöhr gehandelt haben. Dort befindet sich unter anderem ein bedeutender Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet, etwa an Abrams-Kampfpanzern.
Im Video: BR24live – Mutmaßliche russische Spione festgenommen
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