Der Angeklagte Valid D. am ersten Prozesstag vor dem OLG München
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Der Angeklagte Valid D. am ersten Prozesstag vor dem OLG München

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Geplanter Tschetschenen-Mord: Angeklagter beim Verfassungsschutz

Valid D. soll im Auftrag tschetschenischer Sicherheitskreise den Mord an einem Exil-Oppositionellen geplant haben. Jetzt gab es beim Münchner Prozess neue Details: Offenbar arbeitete der Angeklagte auch für einen deutschen Verfassungsschutz.

Valid D. soll den Mord an einem in Deutschland lebenden Oppositionellen und Kritiker des Putin-treuen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow vorbereitet haben. Auftraggeber waren laut Bundesanwaltschaft tschetschenische Sicherheitskreise. Seit Mitte Juni muss sich der 47-Jährige in München vor dem Oberlandesgericht verantworten.

Der Angeklagte und der Verfassungsschutz

Am dritten Verhandlungstag kam nun heraus: Der Angeklagte arbeitete mutmaßlich nicht nur im tschetschenischen Auftrag, sondern auch für das Landesamt für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern. Die Information kommt von einem Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA), der Valid D. vernommen und am Donnerstag vor Gericht ausgesagt hat.

Valid D. habe in der Vernehmung auch seine Kontaktperson im Verfassungsschutz genannt: ein gewisser Peter G..

In welcher Form der 47-jährige Anklagte für den Verfassungsschutz tätig war, das konnte der Beamte nicht sagen. Der Angeklagte habe eine Aussagegenehmigung vom Landesamt erhalten, um sich zu verteidigen, so der BKA-Mann. Valid D. dürfe aber zu nichts von seiner Tätigkeit beim Verfassungsschutz berichten. Schon länger steht laut Medienberichten im Raum, D. könnte als Spitzel für den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern tätig gewesen sein.

Auch russischer Geheimdienst war offenbar informiert

Bei Reisen nach Russland wurde Valid D. dem BKA-Beamten zufolge zweimal vom russischen Geheimdienst FSB befragt. Der FSB habe sich bei dem 47-Jährigen nach dessen Arbeit beim Verfassungsschutz erkundigt - und nach dessen Kontaktmann Peter G..

Das anvisierte Opfer, der tschetschenische Exil-Oppositionelle Mokhmad A., lebte zuletzt in einer Asylunterkunft im Raum Augsburg. Er tritt im Prozess als Nebenkläger auf und wird von der Berliner Anwältin Johanna Künne vertreten. In sozialen Medien engagiert sich der 27-Jährige für ein unabhängiges Tschetschenien. Demnächst soll er vor Gericht als Zeuge erscheinen.

Anvisiertes Opfer: "Erschüttert und verunsichert"

Zuletzt hatte Mokhmad A. etwa in einem YouTube-Video kritisiert, dass Kadyrow zur Unterstützung Russlands seine Soldaten in die Ukraine geschickt hat. "Kein ehrwürdiger Tschetschene würde das ukrainische Land mit Waffen in der Hand betreten", heißt es etwa in dem Video. Vor Prozessstart hatte Mokhmad A. über seine Anwältin Künne verbreiten lassen, er sei "erschüttert und verunsichert" seit er von dem geplanten Mord an ihm erfahren habe. Ramsan Kadyrow ist seit 2007 Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien und wird mit den Morden an mehreren Kritikern in Verbindung gebracht.

Der Angeklagte schweigt bislang zu den Vorwürfen. Am ersten Prozesstag hatte sein Anwalt sofort klargestellt, dass sich sein Mandant nicht äußern wolle. Dem Gericht sagte Valid D. lediglich, er sei gebürtiger Tschetschene, habe die russische Staatsbürgerschaft und habe Jura studiert. Der Angeklagte spricht russisch, er braucht einen Dolmetscher.

Angeklagter 2020 festgenommen

Dem Beschuldigten werden das "Sichbereiterklären zu einem Mord in staatlichem Auftrag", die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Demnach besorgte der Angeklagte unter anderem eine Waffe samt Munition sowie Schalldämpfer und spähte das Opfer aus. Der Angeklagte wurde Ende 2020 festgenommen. Wie er auffliegen konnte, das wollte der Vertreter der Bundesanwaltschaft am ersten Prozesstag auf BR-Nachfrage nicht sagen. Lediglich: Es habe Hinweise an die Polizei gegeben.

Unklar ist auch noch die Rolle des mutmaßlichen Komplizen des Angeklagten: Ausführen sollte den Mord laut Anklage ein weiterer angeblich vom tschetschenischen Sicherheitsapparat ausgewählter Mann, der "den Auftrag jedoch aus Angst vor Repressalien nur zum Schein annahm". Diesen Mann traf Valid D. mutmaßlich im September 2020 in Tschetschenien und schleuste ihn von dort nach Detuschland. Beide sollen in der Bundesrepublik eine Schießübung mit der Tatwaffe vorgenommen und weiter den Wohnort der Zielperson ausgespäht haben.

Wurde mutmaßlicher Komplize erpresst?

Der angebliche Komplize soll sich an beiden Tschetschenien-Kriegen gegen Russland beteiligt haben. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nutzte der tschetschenische Sicherheitsapparat diese Information, um ihn unter Druck zu setzen. Dem Mann sei vermittelt worden, er stehe in der Schuld von Ramsan Kadyrow und müsse deshalb den Mord-Auftrag ausführen – schließlich habe Kadyrow doch dafür gesorgt, dass er wegen seiner Beteiligung an den Tschetschenien-Kriegen nicht den russischen Sicherheitskräften übergeben worden sei.

Laut Bundesanwaltschaft hatte der angebliche Komplize große Zweifel. Er habe immer wieder versucht, den Mord zu verschieben.

Im Video: Tschetschenen in Wien demonstrieren angesichts von mutmaßlichen Moden an Staatsbürgern

Demo von Tschetschenen in Wien
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Demo von Tschetschenen in Wien

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