Bayerns Staatsregierung will Universitäten und Hochschulen per Gesetz davon abhalten, eine militärische Nutzung ihrer Forschung zu verbieten. Das Kabinett habe einen Entwurf für ein "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern" mit einem "klaren Verbot einer sogenannten Zivilklausel" beschlossen, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach der Sitzung des Ministerrats in München. Diese "Einengung der Forschung" sei nicht sinnvoll und nicht möglich.
Grundsätzlich wolle Bayern als Standort für die Bundeswehr und Rüstungsindustrie attraktiver werden, betonte Herrmann. Es handle sich bei dem Gesetz um das erste eines deutschen Bundeslands zur Förderung der Bundeswehr. Im Kabinettsbericht heißt es: "Der andauernde Krieg Russlands in der Ukraine und die Drohungen Putins gegen den Westen machen deutlich: Deutschland braucht wieder eine starke Bundeswehr, die fähig ist, unser Land zu verteidigen."
Zivilklausel: Forschung nicht im militärischen Bereich nutzen
Mit Zivilklauseln hätten sich einige Hochschulen in anderen Bundesländern dazu verpflichtet, dass ihre Forschung nicht im militärischen Bereich genutzt werden darf, sagte Herrmann. In Bayern sei das bisher trotz entsprechender Diskussionen nicht der Fall gewesen, was auch so bleiben solle.
Die Staatsregierung will mit dem Gesetz sogar ein "Kooperationsgebot" von Hochschulen und Bundeswehr vorschreiben. Wenn es "aus Gründen der nationalen Sicherheit" nötig sei, solle gar eine Pflicht zur Zusammenarbeit gelten. Beispielhaft genannt für eine vertiefte Zusammenarbeit werden die Bereiche KI, Robotik, Drohnen und Cyberwaffen.
Grüne: "Verteidigungspolitik ist Bundessache"
Scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf kommt von den Landtags-Grünen. Verena Osgyan, Sprecherin für Wissenschaft und Hochschulpolitik, sagt auf BR24-Anfrage: "Verteidigungspolitik ist Bundessache. Die bayerischen Hochschulen jetzt dazu verpflichten zu wollen, Militärforschung zu betreiben, schießt den Vogel ab." Statt der Freiheit von Forschung und Lehre wolle "die Verbotspartei CSU" eine staatlich gelenkte Wissenschaft, befürchtet Osgyan.
Auch die SPD im Bayerischen Landtag reagiert skeptisch. "Wissenschaftler können momentan frei von Zwängen und Vorgaben die Chancen und Risiken ihrer Forschungsergebnisse abwägen", sagt Katja Weitzel, wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. "Eine Verpflichtung der Hochschulen, mit den Einrichtungen der Bundeswehr oder gar mit Rüstungsbetrieben zu kooperieren, widerspräche diesem Grundsatz. Das ist aus meiner Sicht daher verfassungswidrig."
Bald mehr Jugendoffiziere an Bayerns Schulen?
Auch in anderen Bereichen will der Freistaat mit dem Gesetz Erleichterungen für die Bundeswehr schaffen. Staatliche Schulen sollen im Zuge der "politischen Bildung" mit Jugendoffizieren zusammenarbeiten, sagte Herrmann. Bisher funktioniere das "auf freiwilliger Basis" und hänge häufig von den einzelnen Schulen ab. Auch bei Veranstaltungen zur beruflichen Orientierung soll sich die Bundeswehr demnach vorstellen dürfen. Gleichzeitig solle es aber "auch künftig" keine Vermischung von politischer Bildung und Anwerbung für den Militärdienst geben.
Das betont auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. "Die Jugend soll auch Lust auf öffentlichen Dienst und Arbeitgeber wie Polizei oder Bundeswehr bekommen", sagt Fleischmann auf BR24-Anfrage. "Die Besuche dürfen aber nicht zur unkritischen Verherrlichung von Militär oder Waffen führen." Deshalb müsse die Schulleitung genau hinschauen, "wie man diese Themen in den Unterricht einbaut und wer da in die Schulen kommt".
Bauvorhaben der Bundeswehr sollen verfahrensfrei gestellt werden
Der Bau von Kasernen und anderen militärischen Einrichtungen soll im Freistaat laut dem vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf ebenfalls erleichtert werden: "Bauvorhaben der Bundeswehr auf Militärgelände werden verfahrensfrei gestellt, und die Bundeswehr von örtlichen Bauvorschriften der Standortgemeinden freigestellt."
Im Kabinettsbericht ist zudem die Rede von "der aktuellen Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht". CSU-Chef Söder hatte zuletzt gefordert, eine mindestens siebenmonatige Wehrpflicht in Deutschland einzuführen. Deren Aussetzung sei aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen. Die Wehrpflicht wurde im Juli 2011 nach 55 Jahren von einem anderen CSU-Politiker ausgesetzt – dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
Bundeswehr: "Zuständig ist in erster Linie der Bund"
Allzu viel kann Bayern mit Blick auf die Bundeswehr alleine aber tatsächlich nicht bewirken. "Zuständig für die Umsetzung der sicherheitspolitischen Zeitenwende ist in erster Linie der Bund", steht im Kabinettsbericht. "Wo die Länder in eigener Zuständigkeit zur Stärkung der Bundeswehr und damit zum Schutz Deutschlands beitragen können", gehe Bayern voran.
Mit Informationen von dpa
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