09.09.2023, Lohr am Main - Einen Tag nachdem ein 14-Jähriger in Lohr am Main im Landkreis Main-Spessart tot aufgefunden wurde, ist die Trauer vor Ort groß. Hinter dem Schulzentrum, neben dem der Jugendliche gefunden wurde, legen Passanten Kerzen und Blumen nieder.
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Toter Jugendlicher: Trauer in Lohr am Main

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Getöteter Schüler: Wie Lohr am Main mit der Gewalttat umgeht

Getöteter Schüler: Wie Lohr am Main mit der Gewalttat umgeht

Der 8. September 2023 versetzte das unterfränkische Lohr am Main in Schockstarre. In einem Gebüsch wurde ein toter Jugendlicher gefunden, mutmaßlich erschossen von einem Mitschüler. Die juristische und seelische Aufarbeitung dauert an.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Als Mike Cantarella die Nachricht erfährt, sitzt er gerade im Auto. Er hat den Onkel des getöteten 14-Jährigen am Telefon. Cantarella kennt die Familie seit vielen Jahren. Er ist der sportliche Leiter in dem Verein, in dem einige Familienmitglieder Fußball spielen. "Wir waren alle überfordert", erinnert sich Cantarella an die Stunden und Tage danach – nach der Tat, als im September 2023 ein Jugendlicher in Lohr am Main erschossen wurde. Gegen die Hilflosigkeit hat ihr Fußballverein, der TSV Sackenbach, mehrere Aktionen für die Familie organisiert.

Frage nach dem Warum ungelöst

Knapp vier Monate nach der Tat sitzen die seelischen Wunden in Lohr am Main weiterhin tief. Insbesondere gilt das für all jene, die das Opfer gut kannten. Als freundlich und aufgeschlossen wird der Jugendliche immer wieder beschrieben. Bis heute rätseln viele in Lohr über das Motiv. Darüber, warum ein 14-Jähriger aus dem Leben gerissen wurde.

Seit September sitzt ein gleichaltriger Mitschüler des Getöteten in Untersuchungshaft. Er soll mit einer Pistole geschossen haben – von hinten, in den Kopf. Wieso? Ob es eine Vorgeschichte gab? Dazu schweigt der Tatverdächtige weiterhin.

Rückkehr zum Alltag, anhaltende Trauer

In Lohr kursieren somit immer noch viele Spekulationen rund um das Motiv – und den möglichen Tathergang. Wobei der Lohrer Stadtpfarrer Sven Johannsen inzwischen eine weitere Beobachtung gemacht hat. "Der Großteil der Bevölkerung lebt jetzt sein Leben. Für den ist es ein Ereignis, das passiert ist, aber es ist nicht präsent, in den alltäglichen Dingen", sagt Johannsen. Anders sei das allerdings für all jene, die das Opfer kannten. Unter den Gleichaltrigen und an der Lohrer Mittelschule sei die Tat weiterhin Thema.

Aus der Schule ist zu hören, dass es ein besonders herausfordernder Schulstart gewesen sei. Noch immer "arbeite" es in vielen – insbesondere all jenen Schülerinnen und Schülern, die die gleiche Klasse besuchten.

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Im September veranstaltete der TSV Sackenbach ein Benefizspiel für die Familie des Opfers. Das Team lief in einheitlichen T-Shirts auf den Platz.

Anklage soll zeitnah vorliegen

Mittlerweile scheint zumindest juristisch Bewegung in den Fall zu kommen. Anfang des kommenden Jahres soll ein psychiatrisches Gutachten erstellt sein. Dieses soll klären, ob der Tatverdächtige als schuld- und einsichtsfähig anzusehen ist. Wie aus Justizkreisen außerdem zu hören ist, könnte zeitnah eine Anklage vorliegen. Denkbar ist, dass der Fall dann 2024 am Landgericht Würzburg verhandelt wird.

Neben dem Motiv des Tatverdächtigen ist vor allem spannend, wie der Jugendliche in den Besitz einer halbautomatischen Selbstladepistole kommen konnte. Kurz nach der Tat war bekannt geworden, dass die Waffe auf einen 66 Jahre alten Nachbarn des mutmaßlichen Schützen zugelassen war. Dieser befand sich zum Tatzeitpunkt schwer erkrankt im Krankenhaus. Er war nicht vernehmungsfähig. Wenige Wochen später ist der Besitzer der Tatwaffe gestorben.

Die Verteidigerin des mutmaßlichen Schützen bittet um Verständnis, bis auf weiteres keine ausführliche Stellungnahme abgeben zu wollen. Allerdings bittet sie eindringlich darum, die Familie des Tatverdächtigen nicht zu bedrohen oder zu bedrängen. Das komme weiterhin und regelmäßig vor. Einen ähnlichen Appell hatte die Polizei kurz nach der Tat an die Öffentlichkeit gerichtet.

Benefizaktionen für Familie des Getöteten

Ob jedoch die juristische Aufarbeitung bei der seelischen Bewältigung hilft? In Lohr hört man dazu verschiedene Einschätzungen. Fest steht: Die Trauer ist weiterhin groß, sagt Mike Cantarella vom TSV Sackenbach. Die Mitglieder des Vereins organisierten unter anderem ein Benefizspiel. Es fand im September statt, etwa 500 Zuschauer kamen. Auf dem Platz standen damals auch Vater und Bruder des Opfers – und beide schossen jeweils ein Tor. "Als wäre das irgendwie aus dem Drehbuch", sagt Cantarella. Im Verein seien sie nach der Tat enger zusammengerückt.

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