Schwarzweißer Kletterschuh einer Sportlerin, die in der Kletterhalle Weilheim auf einem organgefarbenen Tritt steht
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Kletterschuh einer Sportlerin, die in der Kletterhalle Weilheim auf einem bunten Tritt steht (Symbolbild)

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Giftiger Gummiabrieb belastet Luft in Kletterhallen

Kletterer nutzen Magnesiumcarbonat für die Hände. Das weiße Pulver ist als Feinstaubverursacher in Kletter- und Boulderhallen bekannt. Jetzt hat ein Forscher- Team herausgefunden, dass Kletterschuhsohlen einen ähnlichen Abrieb haben wie Autoreifen.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Es riecht nach Schweiß und Magnesia. Die Luft in vollen Kletterhallen oder Boulderräumen ist oft nicht so angenehm. Das weiße Pulver, das die meisten Kletterer nutzen, verursacht Feinstaub. Das ist in der Branche bekannt. Aber dass Kletterinnen und Kletterer in Hallen auch noch mit anderen Giftstoffen rechnen müssen, ist weniger bekannt.

Denn der Gummiabrieb von Kletterschuhen ist vergleichbar mit dem Gummiabrieb von Autoreifen – auch ein Feinstaubverursacher. Umweltwissenschaftler der Universität Wien und der ETH Lausanne forschen dazu und haben die Luft in Kletterhallen auf Schadstoffe hin untersucht.

Feinstaubbelastung sehr hoch

Das Team aus Umweltwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern will herausfinden, wie stark der Gummiabrieb in der Hallenluft vorhanden ist. Der entsteht, wenn die Sportlerinnen und Sportler mit ihren Kletterschuhen an den bunten Griffen der Kunst-Wände unterwegs sind.

Thilo Hofmann, Professor für Umwelt- und Geowissenschaften an der Universität Wien, sagte im Gespräch mit BR24, dass die Belastung mit giftigen Chemikalien hoch sei. "Wir haben uns diese Reifen-Additive angeschaut und dann haben wir in der Literatur gekramt und geschaut, was ist denn weltweit bekannt. Und das war schon erstaunlich: Die Konzentrationen, die wir in Kletterhallen gefunden haben, sind in der Tat die höchsten, die bisher eigentlich berichtet worden sind. Das heißt, es war durchaus vergleichbar mit einer mehrspurigen Straße in China bei schlechter Luftqualität." Die Konzentrationen in Innenräumen seien aber immer höher als draußen, so Hofmann. Aber natürlich seien die Werte besorgniserregend.

Ist Klettern in Hallen ungesund?

Wie giftig die Stoffe für den Menschen sind, das kann der Umweltexperte Thilo Hofmann nicht sagen. Zunächst wurden Feinstaubwerte in Kletterhallen in Österreich und der Schweiz zu Hauptnutzungszeiten gemessen. Die liegen um 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, also ähnlich wie bei früheren Messungen. Der Gummiabrieb ist ein zusätzlicher Faktor mit anderen chemischen Bestandteilen wie das Magnesiumcarbonat.

Welche Chemikalien für das Material der Sohlen verwendet wird, bleibt oft ein Geheimnis der Hersteller von Kletterschuhen. So können die Forscherinnen und Forscher nur einige Chemikalien nachweisen. Dass Feinstaub in größeren Mengen den menschlichen Organismus belastet und auch Krebs mit versuchen kann, ist bekannt. Für Hofmann sei wichtig, dass man sich mit dem Thema beschäftige, denn diese Stoffe gehörten da nicht hin. Es gibt einfache Tipps, damit die Luft in Kletterhallen besser wird.

Lüften und regelmäßig reinigen

Die meisten Kletterhallen haben Lüftungssysteme – wie auch die Kletterhalle Weilheim der "Climbingworld GmbH". Dort gibt es Fenster und eine Lüftungsanlage, um in Stoßzeiten für gute Luft zu sorgen. Das übernimmt Norbert Kunz, der Geschäftsführer der Weilheimer Kletterhalle. Er kennt die Situation mit schlechter Luft. Aber hier sei es nie so voll, und mit seiner Lüftungsanlage könne er für gute Luft sorgen. Denn dass es auch hier immer wieder mal staubt, berichten die Kletterer, die am Abend zum Training kommen.

Doch die Weilheimer Halle ist nicht vergleichbar mit manch einer Kletter- oder Boulderhalle in München. Dort herrschten vor Jahren oft weiße Nebelschichten, berichtet Karsten Mengel, der in Weilheim täglich trainiert. Problematisch ist auch das Magnesiumcarbonat, das Kletterer gegen feuchte Hände nehmen, um an den Griffen nicht abzurutschen. Das feine weiße Pulver verursacht Feinstaub und das wissen die meisten Kletterer.

Hohe Feinstaubwerte in Hallen bereits seit 2008 bekannt

Der Deutsche Alpenverein betreibt bundesweit mehr als 220 Kletterhallen. Er hat in einem Schreiben im Mai 2024 alle Kletter- und Boulder-Hallenbetreiber über die neue Studie informiert. Darin werden auch die Verwaltungsberufsgenossenschaft und der Umweltmineraloge Professor Stephan Weinbruch genannt. Beide hatten bereits 2008 Feinstoffmessungen in verschiedenen Kletter- und Boulderhallen durchgeführt. Die in der aktuellen Untersuchung gemessenen Feinstaubkonzentrationen seien mit den Werten von 2008 vergleichbar, heißt es in der E-Mail. "Damals lagen die Feinstaubkonzentrationen in gut besuchten Kletterhallen über dem Grenzwert für Feinstaub in der Außenluft."

Keine Säuglinge und Kinder in Kletterhallen

Der DAV empfiehlt als Maßnahme auch ausreichenden Luftaustausch, "um damit dem eventuellen Gummianteil im Feinstaub entgegenzuwirken". In dem Schreiben an die Kletterhallenbetreiber heißt es: "Für vulnerable Gruppen, Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma oder auch Kleinkinder, sollte die Feinstaubelastung auf ein Minimum reduziert werden. Prof. Weinbruch ist immer wieder überrascht, wie viele Säuglinge in Kletterhallen mitgenommen werden."

Studie zu giftigem Gummiabrieb kommt im Herbst

Die Untersuchungen der Universität Wien zum Gummiabrieb von Kletterschuhen in Hallen sollen im Herbst veröffentlicht werden. Professor Thilo Hofmann und sein Team untersuchen seit Jahren alle Formen von Mikroplastik. Dabei geht vor allem um "Additive", also die Chemikalien, die im Plastik vorkommen. Untersucht wurde unter anderem auch Trinkwasserqualität in München.

Dieser Artikel ist erstmals am 15. Juni 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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