Zwei Straßenbahnen begegnen sich, im Hintergrund ist das Ulmer Münster.
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In Erlangen testet man ein kostenloses Nahverkehrs-Angebot. Ulm und Neu-Ulm haben bereits Erfahrungen gesammelt.

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Gratis-Nahverkehr: Erlangen testet, Neu-Ulm hat schon Erfahrung

Während man in Erlangen seit Januar ein kostenloses Busangebot testet, haben Ulm und Neu-Ulm bereits knapp drei Jahre lang Erfahrungen mit einem Gratisangebot gesammelt. Einen Teil der Erwartungen hat das Projekt nicht erfüllt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Würde ein kostenfreier öffentlicher Nahverkehr deutlich mehr Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen lassen? In Erlangen läuft dazu seit Jahresbeginn ein Pilotprojekt mit kostenlosen Bussen. Erfahrungen mit einem Gratis-Nahverkehrsangebot hat auch die Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm gesammelt. Dort hat man es knapp drei Jahre lang zumindest an einem Tag in der Woche versucht. Der Startschuss fiel im April 2019; Bürger konnten immer samstags den Nahverkehr nutzen, ohne ein Ticket zu lösen. Entstanden war das Projekt vor allem wegen einer Großbaustelle am Ulmer Bahnhof. Weniger Kunden könnten in die Innenstadt fahren, so die Sorge von Geschäften und Restaurants. Mit dem Gratisangebot im Nahverkehr wollte man ihnen entgegenkommen.

Gratis-ÖPNV lockt Fahrgäste in Busse und Bahnen

"Es waren deutlich mehr Menschen als sonst mit dem ÖPNV unterwegs", sagt Andreas Rebholz vom Institut für Unternehmensgründung an der Universität Ulm. Er hatte Fahrgäste befragt und festgestellt, dass gut 40 Prozent von ihnen die Fahrt mit Bus oder Bahn ohne das Angebot nicht angetreten hätten. Von diesen 40 Prozent gab wiederum die Hälfte an, auf das Auto verzichtet zu haben. Doch es waren eben auch zahlreiche Radfahrer und Fußgänger unter den Fahrgästen. In der Doppelstadt mussten trotz des Andrangs aber keine zusätzlichen Busse fahren - wie in manch anderen Städten mit ähnlichem Angebot.

Argwohn bei Besitzern von Dauerfahrkaten

Rebholz berichtet: Es habe viele Dauerfahrkartenbesitzer gegeben, die sich echauffierten, den Gratis-Nahverkehr quasi mitbezahlen zu müssen. Sie hätten sich daran gestört, dass die Bahnen voller waren und sie als zahlende Kunden keinen Sitzplatz mehr bekämen. Dass Jahres- oder Monatskartenbesitzer andere mitfinanzieren, ist jedoch falsch. Vielmehr war es die Stadt, die entsprechende Mittel zuschoss - im konkreten Fall rund eine Million Euro pro Jahr aus Steuermitteln. Die Entscheidung ist nicht unumstritten, denn wer in der Innenstadt wohnt, profitiert vom Angebot mehr als Bürger am Rand der Stadt, wo der Bus seltener fährt.

Autofahrer nur schwer zu überzeugen

Das Gratis-Angebot am Samstag brachte in einer Hinsicht eine Enttäuschung. Denn nur zwölf Prozent der befragten Fahrgäste gaben an, künftig auch unter der Woche statt mit dem Auto mit dem ÖPNV fahren zu wollen. Erstaunlich sei auch gewesen, dass die Zahl der Fahrzeuge an Samstagen in Parkhäusern kaum niedriger lag als in der Zeit vor dem Gratis-Angebot, so Rebholz. Darauf angesprochen, hätten die Autofahrer den Komfort betont und dass es eben doch angenehmer sei, die Einkäufe so zu transportieren. In der Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm ließ man das Projekt Anfang 2022 auslaufen.

Gratis-Nahverkehr in der Augsburger Innenstadt

Anders sieht es in Augsburg aus. Seit rund vier Jahren kann man in der Innenstadt in der sogenannten City-Zone umsonst einige Stationen fahren, zum Beispiel vom Hauptbahnhof zum Rathausplatz. Das Angebot gilt an jedem Tag. Die Stadt will damit den Autoverkehr verringern und gleichzeitig die Luftqualität verbessern. Pläne, die Zone auszuweiten, gibt es derzeit nicht. "Vor dem Hintergrund der finanziellen Situation im ÖPNV mit Teuerungen für Verkehrsunternehmen und Kommunen sind finanzielle Mehrbelastungen durch einen kostenlosen ÖPNV kaum denkbar", so eine Pressesprecherin der Stadt Augsburg.

Forscher regt teurere Parktickets an

"Gratis-Nahverkehr ist kein Allheilmittel", betont Andreas Rebholz. Um weniger Autos in der Stadt zu haben, brauche es eine eher unpopuläre Maßnahme, die den Autoverkehr unattraktiver macht. "Man muss die Parkgebühren erhöhen, damit weniger Menschen in die Innenstadt fahren", sagt Rebholz, der empfiehlt, gleichzeitig ein preiswertes "Park and Ride"-Angebot auf der grünen Wiese zu schaffen und vor allem auch mehr Verbindungen im Nahverkehr anzubieten. "Das sieht man an anderen europäischen Städten: Am Ende führt eine Kombination aus mehreren Maßnahmen zum Erfolg", sagt Rebholz.

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