Ein Zimmer mit Küchenzeile und separatem Bad. 33 Quadratmeter hat die kleine Wohnung in Würzburg, in der Daniel Müller seit einem halben Jahr wohnt. In Wirklichkeit heißt er anders, aber er möchte anonym bleiben. Die Wohnung ist voll möbliert. Nur Radio, Fernseher, Wecker und Wasserkocher gehören ihm. Trotzdem fühlt sich der 46-Jährige in der kleinen Wohnung wohl. Denn in den letzten vier Jahren hat er in der JVA Würzburg gelebt.
Drehtür-Effekt verhindern durch frühzeitige Beratung
Es war nicht seine erste Haftstrafe: Immer wieder ist er kriminell geworden, erzählt er: "Man wurde entlassen und steht vor nichts. Keine Wohnung, keine Arbeit. Klar wird man da wieder kriminell, um kurzfristig Geld zu kriegen." Soweit sollte es dieses Mal nicht kommen. Noch im Gefängnis nimmt Müller deshalb die dortige Sprechstunde der Beratungsstelle für Strafentlassene der Christophorus Gesellschaft wahr. Leicht fiel ihm der Schritt nicht: "Ich hatte Angst, nach langer Zeit wieder einen fremden Menschen zu sehen. Ich dachte, die Wärter kennst du, die anderen Gefangenen kennst du."
Christophorus Gesellschaft bietet Starthilfe
Sozialarbeiter Werner Schühler und Daniel Müller treffen sich in der JVA mehrere Male zum Gespräch. Als er im August 2021 entlassen wird, stellt ihm die Beratungsstelle der Christophorus Gesellschaft eine von 15 Wohnungen zur Verfügung. Vollmöbliert und die Küchenzeile ist komplett ausgestattet. Das ist wichtig, erklärt Sozialarbeiterin Nora Zaiser, die Müller seit einigen Monaten betreut: "Damit jemand, der gar nichts hat, der vielleicht nur mit einem Rucksack kommt, direkt dort wohnen kann."
Der Weg zurück in die Kriminalität ist kurz
Die Wohnung als Starthilfe. Zumindest für ein Jahr. Und die Erfahrung zeigt: Das Konzept funktioniert. Von zehn Strafentlassenen, die im letzten Jahr im betreuten Wohnen untergekommen sind, haben vier eine eigene Wohnung gefunden. Da ist zwar Luft nach oben, aber für die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ist das eine gute Quote: Denn der Weg zurück in die Kriminalität, in die Wohnungslosigkeit oder in die JVA ist oft sehr kurz. "Wo diejenigen hingehen, die bei uns ausziehen, wissen wir nicht."
Vorbestraft, keine Ausbildung, keine Arbeitszeugnisse
Noch bis Juli darf Daniel Müller jetzt hier wohnen bleiben – dann muss er seine eigenen vier Wände gefunden haben. Höhere Chancen erhofft er sich durch einen Job. Küchenhelfer, Reinigungskraft oder auf dem Bau: Müller ist zu allem bereit. Und Stellenanzeigen gibt es auch viele. Das Problem: "Dadurch, dass keine abgeschlossene Ausbildung besteht, ist es schwieriger, was zu finden", sagt Zaiser. Mehr als 60 Bewerbungen hat er schon rausgeschickt. Bei der Hälfte kamen Absagen zurück – der Rest hat sich gar nicht zurückgemeldet. "Wenn die wissen: vorbestraft, Diebstahl, Einbruch – die sagen das bei der Absage zwar nicht, schreiben halt nur: Wir haben uns für jemand anders entschieden", sagt Müller enttäuscht.
Unterstützung bei Job- und Wohnungssuche
Neben den Job-Vorschlägen vom Amt sucht auch Zaiser immer wieder offene Stellen heraus. Müller hat keinen Computer – beim Bewerben braucht er deshalb nicht nur Zaisers inhaltliche, sondern auch technische Unterstützung. Gemeinsam feilen sie an der nächsten Bewerbung: "Körperliche Arbeit bin ich gewohnt, auch die Arbeit im Schichtdienst sowie am Wochenende sind mir nicht fremd". Zaiser druckt die Bewerbung aus: Anschreiben und Lebenslauf – zwei Seiten insgesamt. "Für die meisten ist das eher ungewöhnlich. Da kommen die ersten Arbeitszeugnisse schon in der Schulzeit durch Praktika zusammen – und am Ende schickt man ein einigermaßen dickes Paket weg. Das ist hier nicht so." Daniel Müller hofft trotzdem, dass er schnell einen Job findet – und das kriminelle Leben hinter sich lassen kann.
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