Für das Klima sieht Harald Lesch schwarz: Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu beschränken, sei durch, sagte der Physiker und Wissenschaftsmoderator am Sonntags-Stammtisch im BR-Fernsehen: "Das kann man längst vergessen, das ist schon für Europa nicht zu halten."
Stattdessen, so Lesch, zeige sich nach dem UN-Klimagipfel in Ägypten der Egoismus derjenigen, die viel Geld mit fossilen Ressourcen verdienten. Insbesondere Saudi-Arabien, aber auch andere ölfördernde Länder nahm Lesch hier in die Pflicht: "Man kann sich anschauen, wie die Gewinne der großen Ölfirmen sich verfünffacht haben, also um 500 Prozent gestiegen sind – ein Wahnsinn!"
- Zum Artikel: "Klimakonferenz: Die Beschlüsse im Überblick"
Hilft Kernkraft gegen den Klimawandel?
Auch der internationale Sekretär der CSU, Florian Hahn, pflichtete Lesch bei: Man müsse mit bestimmten Energieformen aufhören – eine Einigung hier sei nicht gelungen. Gleichzeitig mahnte er, Deutschland mache denselben Fehler, wenn es um die Energiesicherung im Land geht: "Wir gehen aus der Kernkraft konsequent raus, die wäre CO2-neutral, und gleichzeitig verlängern wir die Kohle", sagte Hahn, der für die CSU im Bundestag sitzt.
"In Zukunft mit Kernkraftwerken zu arbeiten, ist ganz mies", widersprach der Physiker Lesch. Die Kernkraft sei sehr teuer und keine Versicherung weltweit würde die Risiken tragen, warnte Lesch. Dazu käme die Frage der Endlagerung: "Die zukünftigen Generationen werden 100 Milliarden und mehr ausgeben, um dieses Zeug irgendwo zu verstapeln." Die Kernkraftdebatte würde insgesamt am Problem vorbeireden, mahnte Lesch: "Die Klimaszenarien sagen uns – wir haben zehn Jahre." Bau und Genehmigungsverfahren von neuen Atomkraftwerken würden viel zu lang dauern.
Stattdessen müssten wir "wahnsinnig viel Energie sparen" – ein Thema, das öffentlich kaum debattiert würde. Deutschland sei energetisch verfettet. Im Durchschnitt würde jeder Deutsche täglich 85 Kilowattstunden in der Endenergie verbrauchen.
Energiewende in Bürgerhand
Die Lösung kann laut Lesch nur darin liegen, einerseits konsequent Energie zu sparen und andererseits die erneuerbaren Energiequellen massiv auszubauen. Eine Lösung sieht der Wissenschaftsmoderator hier in Energiegenossenschaften. Lesch ist selbst Mitglied in einer. Erneuerbare Energien müssten in Bürgerhand, damit die Menschen davon profitieren und sie mit ausbauen.
Als Positivbeispiel nannte Lesch Wildpoldsried. Das Vorzeige-Energiedorf im Allgäu produziert um ein Vielfaches mehr Energie als es verbraucht – mit Wind, Sonne, Biogas und Wasserkraft. Elf Windräder drehen sich mittlerweile auf der Anhöhe über Wildpoldsried. Rund 400 Bürger sind an den Anlagen beteiligt und verdienen damit Geld.
Der Energiemix macht‘s
Der CSU-Politiker Florian Hahn ergänzte: Auch die Photovoltaik sei ein wichtiger Bestandteil der Energiewende, würde es alleine aber auch nicht retten. Es gebe viele neue Technologien – seine Partei habe eben erst eine Konferenz zu erneuerbaren Energien gehabt.
Auch jetzt schon sei Bayern vorne mit dabei: "Über 50 Prozent sind bei der Stromerzeugung inzwischen erneuerbar und damit sind wir Spitze in Deutschland." Lesch ordnete ein: Bayern sei als Industriestandort aber auch einer der größten Energieverbraucher in Deutschland. 50 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen seien zu wenig.
Eine weitere erneuerbare Energiequelle befürwortet Hahn schon seit längerem und kritisiert, sie sei zu wenig genutzt: In ganz Deutschland gebe es nur 42 Geothermie-Anlagen. In München stünden allein elf davon. Gerade die Region von Landshut über München bis Rosenheim könne man sehr gut über Geothermie mit Wärme versorgen, so Hahn.
Lesch: Bayerns Reaktion auf Klimaproteste "überhysterisch"
"Für das Klimakleben habe ich kein Verständnis und halte das für ein falsches Mittel", sagte der CSU-Politiker Hahn am Sonntags-Stammtisch. Er warnte vor Protestformen, wie sie Gruppen wie die Letzte Generation wählen: "Dass die Ideen immer extremer werden und dass das auch kippen kann, ist möglich."
Lesch hingegen versteht die Verzweiflung vieler junger Menschen, die den Eindruck hätten: "Das politische Establishment hat nicht verstanden, was los ist, hat es über Jahrzehnte nicht begriffen." Dass aktuell 13 Klimaprotestierende in der JVA Stadelheim in Präventivgewahrsam sitzen, kritisiert Lesch scharf: "Das ist eine überhysterische Reaktion auf junge Leute, die wirklich verzweifelt sind."
Der Physiker empfahl allen Menschen, die sich fürs Klima einsetzen wollen, Selbstwirksamkeit: "Werdet Teil von einer großen Gruppe, in der was passiert." Sie sollten Energiegenossenschaften gründen. Gleichzeitig mahnte Lesch eine vernünftige Fehlerkultur in der Politik an. Sie müsse auch Fehler eingestehen und nicht die Entscheidungen der vergangenen Jahre schönreden.
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