Ameisen können sich gegenseitig heilen, mit ihrem eigenen Sekret. In 90 Prozent retten sie damit ihren Artgenossen das Leben. Kann das Sekret, das wie ein Antibiotikum wirkt, auch uns Menschen helfen? Erik Frank ist Verhaltensökologe an der Universität Würzburg und beschäftigt sich unter anderem mit genau dieser Frage. Der Wissenschaftler beobachtet auch international das Verhalten von Ameisen.
Im Comoé Nationalpark an der Elfenbeinküste untersuchte er die Matabele-Ameise, die auf Termitenjagd geht. Dabei kommt es zu heftigen Kämpfen mit schweren Verletzungen, teilweise werden den Ameisen die Beine abgebissen. Das muss jedoch nicht ihren Tod bedeuten. Denn verletzte Tiere senden Duftstoffe aus, einen chemischen Hilferuf. Dafür drücken die verwundeten Ameisen ihre Extremitäten an den Körper, machen sich transportbereit und werden von den anderen Krabblern zurück in den Bau getragen. Dort behandeln die anderen Ameisen ihre Wunden.
Wunderwaffe Ameisensekret
Werden verletzte Ameisen versorgt, sterben nur zehn Prozent der Tiere. Beim Lecken der Wunden tragen sie antimikrobielle Substanzen auf, das Sekret enthält 112 Komponenten. Bislang konnte nur gut die Hälfte davon identifiziert werden.
Weitere Untersuchungen sollen aber zeigen, ob das sogenannte Ameisenantibiotikum auch Menschen helfen kann. Dabei sind laut Erik Frank auch andere Experten beteiligt. Der Ameisenforscher geht davon aus, dass es bis zu einem Ergebnis noch Jahre dauern wird. Zudem untersucht der Würzburger Experte mit seiner Forschungsgruppe andere Ameisen. Er will wissen, wie diese ihren Artgenossen im Notfall helfen.
Frank ist sich sicher, dass die Menschheit noch viel von den Heilkräften der Ameisen lernen kann. In deren Wunden fanden die Wissenschaftler Pseudomonas-Erreger. Diese sind auch eine der Hauptursachen für Infektionen beim Menschen. Erik Frank markiert verletzte Tiere. Die umliegenden Nester werden später ausgegraben und so kann er beobachten, wie sich das Volk um seine verletzten Artgenossen kümmert.
Ameisen wichtig fürs Ökosystem
Weltweit gibt es rund 20.000 Ameisenarten, in Bayern sind fast 90 bekannt. Um deren Zukunft sorgen sich zahlreiche Ameisenfreunde im Freistaat. Im Landkreis Würzburg wurden jüngst zwei Ehrenamtliche zu offiziellen Ameisenhegern ernannt: Sylvia Höhne und Burkhard Helfrich sind für Waldameisen zuständig. Diese Tiere sind wichtig für das Ökosystem, sie durchlüften den Boden, erbeuten Schädlinge und verbreiten Pflanzensamen. Sie sind zudem eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel.
Doch die menschlichen Einflüsse gefährden die Krabbler. "Der Autobahnausbau A3 hat 60 Umsiedlungen erfordert", sagt Sylvia Höhne. Ihr zufolge gelingen die Umsiedlungen nicht immer: "Der Lebensraum, das Habitat für die Ameisen wird immer geringer."
Bayerische Waldameise in Gefahr
Von den 87 Ameisenarten in Bayern stehen mehr als die Hälfte auf der Roten Liste. Sie gelten weitgehend als vom Aussterben bedroht. Ein Grund: Es fehlt an Insekten. Dadurch können sich Ameisen nicht mehr das erforderliche Fettpolster für den Winter anfressen. Sylvia Höhne und Burkhard Helfrich kartieren Nester, informieren Förster und Waldarbeiter, damit diese bei Fällarbeiten aufpassen. Zusätzlich leisten sie durch Waldführungen Lobbyarbeit für die Ameisen.
Gesundheitspolizei des Waldes
Die Ameisenforscherinnen und -forscher fordern, dass zehn Prozent aller Waldflächen in Ruhe gelassen werden. In seiner Funktion als "Gesundheitspolizei des Waldes" vertilgt ein Ameisenvolk mit rund einer Million Tiere bis zu 100.000 Insekten pro Tag und dezimiert so auch Forstschädlinge. Dadurch schützen Ameisen die Bäume und sorgen dafür, dass der Wald gesund bleibt.
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