Die Polizei inmitten von Fußballfans. Bei ihren Einsätzen werden Beamtinnen und Beamte immer häufiger angegriffen.
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Die Polizei inmitten von Fußballfans. Bei ihren Einsätzen werden Beamtinnen und Beamte immer häufiger angegriffen.

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Hemmschwelle sinkt: Immer mehr verletzte Polizeibeamte in Bayern

Sie schützen die Bevölkerung etwa bei Großereignissen wie der Fußball-EM: Polizeikräfte. Bei ihren Einsätzen sind sie zunehmend selbst tätlichen Angriffen ausgesetzt. 2023 erreichte die Zahl der verletzten Beamten in Bayern einen Höchststand.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Der gewaltsame Tod eines Polizisten nach einer Messerattacke in Mannheim hat viele Menschen erschüttert. Auch er sei "schockiert" darüber, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Mittag bei der Vorstellung des "Lagebilds Bayern 2023 zur Gewalt gegen Polizeibeamte". Doch Gewalt gegen Polizisten und Polizistinnen ist offenbar auch im Freistaat an der Tagesordnung. Im vergangenen Jahr wurden so viele Beamte im Einsatz verletzt wie noch nie. Die "Hemmschwelle sinkt", so der Innenminister .

Insgesamt fast 8.000 Fälle von Gewalt

Konkret zählt das Lagebild 7.913 Fälle von Gewalt, das ist im Vergleich zum Jahr zuvor ein leichter Anstieg um 35 Fälle. Das Lagebild von 2010 zeigt mit 6.278 noch deutlich weniger Attacken auf Polizisten und Polizistinnen. Zahlen, die sich auf verbale und körperliche Gewalt beziehen. Also von Beleidigungen bis hin zu tätlichen Angriffen. Im vergangenen Jahr wurde zwei Mal auf Polizeikräfte geschossen.120 mal waren Messer beziehungsweise Stichwaffen involviert. Insgesamt stuften die Behörden acht Angriffe als versuchte Tötung ein. Innenminister Joachim Herrmann erklärte, das Lagebild zeige "eine deutliche Verschiebung von verbalen Attacken hin zu Tätlichkeiten".

Höchstwert bei Verletzten

Das untermauert die Zahl der verletzten Beamten: 3.050 Polizistinnen und Polizisten sind im Einsatz verwundet worden, ein "trauriger Höchstwert", so Herrmann. Zum Vergleich: 2022 waren es 83 Fälle weniger. Immerhin nahm die Zahl der schwer verletzten Polizeibeamten ab: Während vor zwei Jahren noch 22 Frauen und Männer im Einsatz so schwer verletzt wurden, dass sie stationär behandelt werden mussten, waren es 2023 mit 14 schwer Verletzten zumindest in dieser Kategorie weniger.

Täter überwiegend Männer

Bei den Tätern fallen mehrere Zahlen auf: Die Gewalt gegen Polizeibeamte geht zu 83 Prozent von Männern aus. Fast zwei Drittel der Tatverdächtigen standen unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen. Rund 15 Prozent sind so genannte Mehrfachtäter.

Wie können Beamte besser geschützt werden?

Um Polizisten und Polizistinnen vor Gewalt zu schützen, setzt Bayerns Innenminister neben einer fundierten Aus- und Fortbildung auch auf eine moderne Schutzausrüstung, neue Dienstwaffen und aktuell mehr als 1.800 Bodycams.

Dafür bekommt der Minister Lob von der Gewerkschaft der Polizei: Der bayerische Landesvorsitzende Jürgen Köhnlein sagte im BR24-Live, auf diesem Gebiet habe sich in den vergangenen Jahren "viel getan, da sind wir sehr zufrieden". Gleichwohl fordert der Polizeigewerkschaftler "mehr Entschlossenheit" der politisch Verantwortlichen dem Trend etwas entgegenzusetzen. Uniformträger würden zunehmend "als Zielscheibe genutzt".

Justizminister will Verfahren beschleunigen

Eine konkrete Forderung Köhnleins: Fälle von Polizeigewalt müssten "schneller" bearbeitet werden und "spürbare" juristische Konsequenzen nach sich ziehen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich erklärte bei der Vorstellung des Lagebildes zur Gewalt gegen Polizisten und Polizistinnen für ihn gelte "null Toleranz". Besonders schwere Taten würden schon jetzt bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten "mit Vorrang" behandelt. "Die Strafe muss der Tat auf den Fuß folgen", so Eisenreich.

Um unter anderem das künftig gewährleisten zu können, würden 350 Stellen geschaffen, 120 für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Hier habe man anders als in anderen Bundesländern auch noch kein Problem, diese zu besetzen. Ein Personalengpass bestehe allerdings auch in Bayern vor allem in den Geschäftsstellen räumte der Minister ein. Auch im Freistaat gelten die Gerichte als chronisch überlastet.

Mehr Unterstützung für betroffene Polizeibeamte gefordert

Mehr Unterstützung fordert der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft für Beamte, die Gewalterfahrung gemacht haben. Konkret will die Gewerkschaft erreichen, dass der Staat immer einspringt, wenn ein Täter kein Schmerzensgeld zahlen kann. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sei das in Bayern erst ab einer Summe von 500 Euro der Fall.

Die Landtags-SPD reagierte in einer Mitteilung ebenfalls auf das Lagebild zur Gewalt gegen Polizeibeamte. Deren innenpolitische Sprecherin Christiane Feichtmeier forderte eine bessere psychosoziale Betreuung betroffener Polizeikräfte. "Bayern ist hier schlecht aufgestellt", so die SPD-Politikerin.

Das Lagebild zur Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten wurde erstmals 2010 erstellt. Seitdem steigt die Zahl der Gewalttaten gegen Beamte zunehmend an.

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