Man kann sich an das Jungenbüro wenden, auch wenn die traumatischen Erfahrungen schon Jahre zurückliegen. Das hat Peter Schwachhofer getan. Er ließ sich im Jungenbüro beraten, nachdem er als 27-Jähriger erstmals einer Freundin erzählte, dass er als Kind von seinem Lehrer und Volleyballtrainer missbraucht wurde.
Missbrauch auch Scham und Angst verschwiegen
Zuvor hat er das, was ihm als Kind angetan wurde, verdrängt. Jahrelang hat er Ängste gehabt und Wut verspürt. Heute erklärt sich der 35-Jährige das im Rückblick so:
"Bei uns Männern steht immer noch im Vordergrund: Wir sind Männer, uns darf sowas nicht passieren. Es war in meinem Kopf so und vielleicht auch im gesellschaftlichen Kopf, dass man der starke Mann sein muss und nicht die schwache Maus, der so etwas passiert. Und vor Scham und Angst konnte ich das niemandem erzählen. Niemandem. Nicht mal meinen Eltern.“ Peter Schwachhofer, früheres Missbrauchs-Opfer
Im Jungenbüro habe man ihm zugehört und vor allem geglaubt, erzählt er. Und man habe ihn Schritt für Schritt auf seinem weiteren Weg begleitet – ohne das Tempo dafür vorzugeben. Doch für Peter Schwachhofer war klar: Er will den Täter von damals bei der Polizei anzeigen, um zu verhindern, dass dieser möglicherweise weitermacht. Im Jungenbüro hat ihn Stefan Bauer, Leiter der Beratungsstelle, dabei begleitet. Der Sozialpädagoge vermittelte eine Rechtsanwältin, bereitete ihn auf Zeugenvernehmungen vor und unterstützte ihn auch während des Gerichtsprozesses. Dazu hatten sich weitere Betroffene gemeldet.
Männerberatungsstellen und Hilfen für Kinder und Jugendliche gibt es inzwischen deutschlandweit. Das Jungenbüro Nürnberg ging aus der Kinder- und Jugendberatung Schlupfwinkel e.V. hervor und wird vom Bayerischen Familienministerium gefördert. Es richtet sich an Jungen und junge Männer, die Informationen und Beratung zu unterschiedlichen Themen benötigen – dazu gehören Gewalterfahrungen und sexueller Missbrauch.
Warum Jungen und Männer eigene Anlaufstellen brauchen
Es sei wichtig, ein Jungenbüro zu haben, sagt der Leiter Stefan Bauer. Um sichtbar zu machen, dass männliche Hilfesuche möglich ist. Über 200 Ratsuchende haben sich im vergangenen Jahr vom Jungenbüro beraten lassen. Das Team bietet auch eine Online-Beratung an, deren Bedarf steigt. Weil diese unverbindlich und anonym ist, spricht sie besonders Jüngere an, berichtet Stefan Bauer. Dass es Beratungsstellen wie das Jungenbüro gibt, sei vor allem für die Betroffenen von sexueller Gewalt ein wichtiges Signal, sagt Bauer. Für sie bedeute es: "Die Gesellschaft kümmert sich.“
Mithilfe des Jungenbüros schwierigen Weg gegangen
Mit seiner Offenheit will Peter Schwachhofer Jungen und jungen Männern Mut machen, Hilfe zu holen, wenn sie Schreckliches erleben oder erlebt haben. Mithilfe des Jungenbüros ist er selbst einen langen und schwierigen Weg gegangen. Letztendlich wurde der Täter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. "Es war mir besonders wichtig, dass die Gesellschaft ein Urteil gefällt und ihn als Täter abgestraft hat", sagt Peter Schwachhofer heute. Er praktiziert seit Jahren Yoga und macht Musik, im Bhakti-Yoga verknüpft er beides miteinander. Es gebe ihm Frieden und Struktur. Yoga sei der Weg zu ihm selbst, sagt er und lächelt.
Kontaktdaten Jungenbüro Nürnberg
An das Jungenbüro Nürnberg können sich Jugendliche, junge Männer bis 27 Jahre, Fachkräfte, Eltern und Bekannte wenden. Die Beratungen sind kostenlos und finden auf Wunsch anonym statt. Die Online-Beratungen sind anonym. Das Team bietet auch Präventionsworkshops an. Informationen unter www.jungenbuero-nuernberg.de (externer Link).
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