Asylsozialberater Patrick Malzer (Mitte) und ein Übersetzer (links) beraten einen Asylbewerber im Ankerzentrum Regensburg im Juni 2023.
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Asylsozialberatung im Ankerzentrum Regensburg

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Hilfe beim Asylverfahren: Zwei Berater für 600 Flüchtlinge

Die Bundesregierung will Asylverfahren beschleunigen. Seit Juli sollen unabhängige Verfahrensberater Flüchtlinge auf die Anhörung beim BAMF vorbereiten und bessere Entscheidungen ermöglichen. Aber es fehlt am Geld, das Angebot ist lückenhaft.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Ortstermin im AnkER-Zentrum im oberbayerischen Manching bei Ingolstadt. In der Erstaufnahme leben derzeit rund 600 Geflüchtete. In der Regel findet hier auch die erste Anhörung durch das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, statt. Hier hat auch Mona Meilinger ihr Büro. Die Sozialarbeiterin der Caritas München und Freising ist Asylverfahrensberaterin.

Neuregelung der Beratung von Flüchtlingen

Bis vor Kurzem hat noch das BAMF neu angekommene Flüchtlinge zum Asylverfahren beraten, also die Behörde, die auch über den Asylantrag entscheidet. Seit Juli ist die Beratung unabhängig vom BAMF. Damit geht eine lang erhobene Forderung von Asylanwälten, Nicht-Regierungsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden in Erfüllung. Flüchtlinge müssen laut EU-Recht Zugang zu einer Rechtsberatung haben.

Nachdem Anfang des Jahres das Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichts- und Asylverfahren in Kraft getreten ist, wurde auch die Verfahrensberatung neu geregelt. Wohlfahrtsverbände und Nichtregierungsorganisationen können sich um die Aufgabe bewerben. Die Kosten trägt der Bund.

Aufklärung über Rechte und Pflichten im Asylverfahren

Im Büro von Mona Meilinger im AnkER-Zentrum Manching steht neben ihrem Schreibtisch ein rotes Sofa, daneben eine Spielecke für Kinder. Die Beraterin hat den Raum in der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne so gemütlich wie möglich gemacht. Der BR darf bei einer ihrer Beratungen dabei sein. An diesem Tag sitzt ihr der 26-jährige Esat (Name geändert) gegenüber. Der junge Mann holt einen Stapel Dokumente aus seinem Rucksack und erklärt Mona Meilinger seine Situation. Der Fall des Syrers ist kompliziert, denn er ist zwar in Syrien geboren und aufgewachsen. Weil sein Vater aus Jordanien stammt, besitzt er aber nur die jordanische Staatsbürgerschaft und keinen syrischen Pass – und das hat wiederum Auswirkungen auf sein Asylverfahren.

Beratungen wie diese sind Mona Meilingers Alltag. Es sei wichtig, "dass die Leute überhaupt verstehen, welche Rechte sie im Asylverfahren überhaupt haben und was man als Schutzgrund überhaupt geltend machen kann", erklärt Meilinger. Und sie werden auch über ihre Pflichten aufgeklärt, zum Beispiel, dass sie ihre Geschichte wahrheitsgemäß erzählen müssen. "Mir wurde gesagt, dass die Caritas die einzige Organisation ist, die mir mit meinem Asylverfahren helfen kann", sagt Esat auf Englisch und ist erst einmal glücklich, dass er den Weg zur Rechtsberatung gefunden hat.

Information über die Anhörung beim BAMF

Die Beraterinnen und Berater bereiten Asylsuchende auf die Anhörung beim BAMF vor, unterstützen sie bei einem eventuellen Klageverfahren gegen den Asylbescheid und klären darüber auf, wenn der Asylantrag nur wenig Aussicht auf Erfolg hat. Das Ziel: Die Qualität der Anhörung soll dadurch verbessert werden – so kann das Bundesamt leichter eine Entscheidung treffen.

Die Asylbewerber müssten zunächst verstehen, welche Bedeutung die Anhörung habe, sagt Meilinger, "dass allein aufgrund der Anhörung entschieden wird, ob sie in Deutschland einen Schutzstatus bekommen oder nicht".

Schutz für vulnerable Gruppen

Wichtig sei zudem, dass Geflüchtete ihre persönliche Geschichte bei der Anhörung vor dem BAMF chronologisch und strukturiert erzählen. Und Mona Meilinger bereitet sie darauf vor, dass sie auch traumatische Erfahrungen erzählen müssen. Denn viele Fluchtgründe wie etwa sexualisierte Gewalt sind mit Scham behaftet, können aber ausschlaggebend für den Ausgang des Asylverfahrens sein. Auch sogenannte vulnerable Personen, die zum Beispiel Opfer von Menschenhandel geworden sind oder die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden, sollen vorab erkannt werden.

Das BAMF kann dann für die Anhörung einen Sonderbeauftragten bestellen, der für solche Themen geschult wurde. Zudem helfen die Berater den Asylbewerbern, die in Deutsch geschriebenen Behördenbriefe zu verstehen.

Kritik von Verbänden: Zu wenig Berater für zu viele Geflüchtete

Wenn die Fälle komplizierter sind, so wie bei dem 26-jährigen Esat aus Syrien, dann kommen die Klienten meist mehrmals zu Mona Meilinger. So kann eine Asylverfahrensberatung zwischen einer und drei Stunden dauern. Und genau hier liegt das Problem.

In der AnkER-Einrichtung in Manching-Ingolstadt sind zum Beispiel derzeit knapp 600 Menschen untergebracht. Es können auch mal 1.000 werden. Die Caritas München und Freising kann derzeit zwei geförderte Vollzeit-Stellen für die Beratung in dieser AnkER-Einrichtung anbieten. Die sind allerdings noch nicht komplett besetzt. Auch in anderen AnkER-Zentren laufe die Beratung erst an, erklärt Willi Dräxler vom Caritasverband München-Freising. Es gebe eine schnelle Rotation in Einrichtungen. "Wenn ich jetzt 1.000 Bewohner habe, dann habe ich in sechs Wochen wieder 1.000 neue drin", sagt Dräxler, "das heißt, ich muss in sechs bis acht Wochen dann 2.000 Personen beraten". Das sei nicht leistbar.

Das BAMF erklärt auf Anfrage, die Behörde gehe von einem Betreuungsschlüssel einer Berater-Vollzeitstelle pro 180 Ratsuchenden aus. "Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine verbindliche Vorgabe, sondern um eine Annahme zur Bestimmung des erforderlichen Aufwands", heißt es aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Verbände haben keine Planungssicherheit

Willi Dräxler, Referent für Migration im Caritasverband München und Freising, sieht noch weitere Probleme: Aufgrund des Fachkräftemangels finden die Verbände nur sehr schwer Mitarbeiter. Die geförderte Summe vom BAMF reiche außerdem gerade einmal für das Gehalt eines Berufsanfängers. Der Verband muss also nach Angaben von Dräxler etwa 15 Prozent der Kosten oben drauflegen. Außerdem muss die Caritas die Beratung seit Juli vorfinanzieren, weil die Fördermittel noch nicht fließen.

Das BAMF begründet das auf BR-Anfrage mit "noch laufenden Abstimmungen mit den Verbänden". Dräxler weiß zudem noch nicht, wie viel Geld 2024 vom Bund zur Verfügung gestellt wird. Er hat keine Planungssicherheit.

Asylanwältin: AnkER-Zentren sind "rechtsfreie Räume“

Anna Frölich ist Asylrechtsanwältin. Sie berät unter anderem die Caritas bei rechtlichen Fragen. Denn die Berater werden zwar rechtlich geschult, haben aber kein Jurastudium. Asylbewerber in AnkER-Zentren hätten ihrer Erfahrung nach kaum einen direkten Zugang zu Anwälten.

Geschweige denn, dass sie einen Rechtsanwalt finanzieren könnten. Das Sachleistungsprinzip, bei dem Flüchtlinge nur ein Taschengeld ausgezahlt bekommen, führe dazu, dass die Rechtsvertretung nicht gesichert sei, so Frölich. AnkER-Zentren nennt sie deshalb "rechtsfreie Räume". Der Rechtsstaat werde in gewisser Weise ausgehebelt. "Die Bewohner leben in rechtlicher, sozialer und gesellschaftlicher Isolation", so Frölich.

Verfahrensberatung Tropfen auf den heißen Stein

Die unabhängige Asylverfahrensberatung ist in den Augen der Asylanwältin zwar ein Fortschritt. Doch das Angebot sei ein Tropfen auf den heißen Stein und verfehle das Ziel der Bundesregierung, die Asylbewerber besser auf ihre Anhörung vorzubereiten und so das Asylsystem zu entlasten. Es sei ein Riesenproblem, wenn Asylbewerber sich allein bei anderen Geflüchteten umhörten, was sie bei der Anhörung erzählen müssten. "Damit entstehen dann falsche Entscheidungen, die dann später vom Gericht aufgehoben werden, weil einfach ein Schutzstatus gegeben werden muss."

Beratung spart viele Kosten

Durch eine bessere Beratung der Asylbewerber und rechtliche Unterstützung würde der Staat viel Geld sparen, meint die Anwältin. "Dann entstehen gar nicht so viele Fehler und es muss gar nicht so viel geklagt werden, weil im Ergebnis haben wir eine über 70-prozentige Schutzquote nach dem Gerichtsverfahren." Durch weniger Gerichtsverfahren, die sich in der Regel lange hinzögen, würde sich auch die Belastung für die Gesellschaft reduzieren, meint Asylanwältin Frölich.

Allein an den sechs bayerischen Verwaltungsgerichten sind derzeit rund 9.800 Asylklageverfahren anhängig, Stand Ende September. Drei von vier Asylbewerbern klagen nach der Ablehnung ihres Antrags. Die Klagen, die 2022 bundesweit verhandelt wurden, gingen in 37 Prozent der Fälle positiv für die Flüchtlinge aus. Das geht aus einer kleinen Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion im Juli 2023 hervor.

Mehr Informationen im Funkstreifzug "Unabhängige Asylverfahrensberatung - Nur ein Tropfen auf den heißen Stein?" von Anja Wahnschaffe um 12.15 Uhr in BR24 Radio oder als Podcast in der ARD-Audiothek.

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