Josefina Groß legt zwei Scheite Holz in ihren Schwedenofen. Das Feuer flackert auf. "Wir haben noch keine andere Heizung, ich dusche kalt", sagt die 65-Jährige. Die Ölheizung ist beim Hochwasser Anfang Juni kaputt gegangen, die neue Heizung noch nicht eingebaut.
Sie und ihr Mann haben sich jetzt für Gas entschieden, weil das ausgelaufene Öl so große Schäden in ihrem Haus angerichtet hat. Es riecht noch immer nach Heizöl - obwohl sie in vielen Stunden schwerer Arbeit schon alle Böden herausgerissen und die nach dem Hochwasser schwarz verschimmelten Dielen und den öligen Sand darunter entfernt haben. Jetzt haben sie Laminat im Wohnzimmer gelegt: "Damit ich nicht wieder so teures Parkett rausreißen muss, falls das Wasser nochmal kommt", sagt Josefina Groß. Dass das Wasser wieder kommen kann, weiß sie – und davor hat sie Angst. Die Bilder gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf: "Als ich die Kellertür aufgemacht habe, war der ganze Keller schon voll. Da hab ich wieder zugemacht. Dann sind wir mit Booten abgeholt worden", erzählt sie.
Vier Monate Hochwasser-Renovierung: "schwere Zeit"
Am ersten Juniwochenende standen ganze Straßenzüge in Wertingen unter Wasser. Etwa 250 Haushalte waren betroffen. Viele Wertinger sind noch immer am Renovieren. Auch Josefina Groß und ihr Mann schlafen erst seit etwa 14 Tagen wieder in ihrem Haus. Vorher waren sie tagsüber hier, um zu arbeiten, nachts haben sie bei ihrem Sohn übernachtet. "Das war eine schwere Zeit, so schwere Arbeit", sagt Josefina Groß. "Ich kann mich nicht richtig freuen, dass jetzt alles neu ist. Ich habe es gemacht, weil ich musste".
Ihr Erspartes sei dafür draufgegangen, auch der Bausparer. Rund 80.000 Euro hätten sie bisher investiert, um die Schäden zu beseitigen – etwa ein Fünftel hätten sie vom Staat und aus Spenden erstattet bekommen. Sie betont: Noch einmal könnten sie und ihr Mann das weder psychisch noch finanziell stemmen.
Bürgerinitiative für schnellen Hochwasserschutz
Weil sie das ebenfalls nicht mehr erleben wollen, haben sich betroffene Wertinger zur Bürgerinitiative "Hochwasserschutz jetzt" zusammengeschlossen. Der Name ist Programm: Bereits seit 2017 gibt es eine Machbarkeitsstudie, in der steht, welche Maßnahmen sinnvoll wären, um Wertingen vor Hochwasser zu schützen. Etwa eine Sohleintiefung beim Zusamkanal oder die Ausweisung von Retentionsflächen, sodass das Wasser hierhin laufen kann, anstatt Gebäude zu beschädigen.
Doch von den Maßnahmen wurde bisher nichts umgesetzt. Laut Wasserwirtschaftsamt wurden zwar bis 2020 Untersuchungen durchgeführt, dann sei das Projekt aber wegen Personalmangels zurückgestellt worden. Ab November gebe es wieder Kapazitäten. Die Mitglieder der Bürgerinitiative haben über 1.000 Unterschriften gesammelt, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Diese wollen sie am Mittwochabend (23.10.24) bei einer Bürgerversammlung Vertretern des Wasserwirtschaftsamts sowie Bürgermeister Willy Lehmeier (Freie Wähler) überreichen.
Bürgermeister fordert mehr Befugnisse für Kommunen
Auch der Wertinger Bürgermeister kritisiert, dass jahrelang nichts umgesetzt wurde. Er fordert, ähnlich wie beim kommunalen Straßenbau, mehr Handlungsmöglichkeiten für die Stadt. Bisher müssen Hochwasserschutzmaßnahmen vom zuständigen Wasserwirtschaftsamt geplant und umgesetzt werden. Lehmeier schlägt vor, der Kommune Befugnisse zu übertragen. Die Mitglieder der Bürgerinitiative schlagen außerdem vor, sich mit den umliegenden Kommunen an der Zusam zusammenzuschließen, um gemeinsame Konzepte zu entwickeln. All das wollen sie bei der Versammlung vorbringen.
Auch Josefina Groß wird hingehen. Genau wie die Mitglieder der Bürgerinitiative hofft sie auf einen baldigen Start der Umsetzung der Hochwasserschutzprojekte in Wertingen.
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