Gleich vorneweg: Es gab im letzten Jahr keine Gebührenerhöhung für Musik auf Weihnachtsmärkten. Die Gema mit Sitz in München teilte dazu auf BR-Anfrage mit: "Der Tarif für Stadtfeste wurde zuletzt im Jahr 2018 mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter verhandelt."
Warum mussten dann sechs bayerische Städte, darunter Regensburg und Bayreuth, trotzdem deutlich mehr für die gespielte Musik auf ihren Weihnachtsmärkten zahlen als in den Jahren zuvor? Statt rund 2.300 Euro wie bisher berechnete die Gema beispielsweise für den Weihnachtsmarkt 2022 in Regensburg knapp 16.000 Euro. Wie kam diese fast siebenfache Kostenerhöhung zustande?
Gema: Angemeldete Veranstaltungsfläche weicht teilweise deutlich von tatsächlicher Größe ab
Sowohl in Regensburg als auch in Bayreuth spielte die Größe der Veranstaltungsfläche eine entscheidende Rolle für die immense Kostenerhöhung. Der Grund: Beide Städte hatten laut Gema eine deutlich kleinere Veranstaltungsfläche angemeldet als sie tatsächlich war.
"Der entscheidende Faktor für die Steigerungen in der Lizenzhöhe ist, dass die von den Märkten angemeldete Veranstaltungsfläche in der Größe bisweilen deutlich abweicht von der tatsächlichen Größe, die wir im letzten Jahr nachgemessen haben. Denn der Tarif berechnet sich ausschließlich nach der gesamten Veranstaltungsfläche – und eben nicht nach der beschallten Fläche", erklärt Nadine Remus, Gema-Kommunikationschefin, auf BR-Anfrage. Hinzu komme, dass im Fall Bayreuth zudem eine "Verlängerung des Marktes bis weit in den November hinein" eine Rolle für die höheren Kosten gespielt habe.
Dass nicht nur die Fläche vor der Bühne, sondern das gesamte Veranstaltungsgelände angemeldet werden müsse, sei auch keine neue Regelung, und die Städte müssten das eigentlich wissen, so die Gema weiter. Diese Regelung geht auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2011 zurück. "Und wenn die angemeldete Fläche nicht der tatsächlichen Fläche entspricht, dann weicht natürlich auch die Lizenzsumme deutlich ab", so Remus.
Regensburg hatte bislang nur Bereich vor der Bühne angemeldet
Das war auch genau der Fall in Regensburg: Die Stadt hatte bislang für den traditionellen Christkindlmarkt auf dem Neupfarrplatz nur den Bereich vor der Bühne gemeldet, müsste heuer aber korrekterweise den ganzen Platz angeben für die Musiklizenz. Rund 16.000 Euro Gema-Gebühr wäre dann fällig.
Und deshalb findet der Regensburger Weihnachtsmarkt erstmals ohne Bühnenprogramm und ohne Live-Musik statt, wegen der anfälligen Gebühr hat die Stadtverwaltung darauf verzichtet. Das heißt allerdings nicht, dass es heuer in Regensburg still bleibt: Die Schausteller können selbst entscheiden, ob sie an ihren Standl Musik spielen oder nicht – sie müssen sie dann jedoch selbst anmelden.
Weiterer Grund für Gebührenerhöhung: Mehr Veranstaltungstage
Einige Märkte haben 2022 wieder in der Größe von Vor-Corona stattgefunden, nachdem sie während der Pandemie abgesagt waren oder es nur eine verkleinerte Version gegeben hatte. Ein anderer wesentlicher Grund für höhere Lizenzkosten für die Weihnachtsmusik ist laut Gema die Dauer des Marktes, wie es letztes Jahr beispielsweise auch in Bayreuth der Fall war.
"Auch jeder zusätzliche Tag im Vergleich zum Vorjahr kostet zusätzlich", erklärt Nadine Remus. Und deshalb seien mehr Veranstaltungstage oder eine größere Fläche als angegeben auch die Hauptgründe für die signifikanten Steigerungen der Gema-Kosten gewesen. Deutschlandweit seien rund 35 Weihnachtsmärkte – von bundesweit insgesamt 3.350 - betroffen gewesen. In Bayern sechs.
Bayreuth: Dank Kulanzregelung mit Gema fallen nun über 33.000 Euro weg
Wie Regensburg hat auch Bayreuth eine deutlich höhere Rechnung als in den Jahren zuvor zugestellt bekommen. Dank einer Kulanzregelung mit der Gema fallen nun jedoch über 33.000 Euro an Nachzahlungen weg. "Die Gema hat mit nahezu allen Kundinnen und Kunden, die Lizenzrechnungen für Musiknutzungen auf Weihnachtsmärkten im Jahr 2022 reklamiert haben, einzelfallbezogene Lösungen gefunden", so die Gema.
Für die nun anstehende Weihnachtssaison gelte: "Diese im Einzelfall für 2022 gewährte Kulanzregelung gewährt die Gema auch für die Musiknutzung auf dem Weihnachtsmarkt 2023." Voraussetzung dafür sei, dass sich die Rahmenbedingungen des betreffenden Marktes gegenüber dem Vorjahr nicht verändern.
Das ist auch der Grund, weshalb der Christkindlesmarkt in Bayreuth heuer nur an drei Tagen, inklusive am heutigen Eröffnungstag, Gema-pflichtige Musik spielen wird. Ansonsten soll nach Angaben der Stadt nur Gema-freie oder gar keine Musik gespielt werden. Es handle sich um eine verpflichtende Vorgabe der Stadt an alle Budenbetreiber. Insgesamt wolle die Stadt der Gema somit rund 6.500 Euro zahlen, so hoch waren letztendlich die Kosten für die Musiklizenz im letzten Jahr.
Augsburg rechnet mit Musikkosten im "niedrigen vierstelligen" Bereich
Die Stadt Augsburg war von einer überraschenden höheren Rechnung nicht betroffen. Der Weihnachtsmarkt verwendet bereits seit mehr als zehn Jahren – seit dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2011 – Gema-freie Musik auf dem Markt.
Sofern jedoch Musikgruppen bei ihren Auftritten auf dem Christkindlesmarkt Gema-pflichtige Musik verwenden, bekommt das Marktamt nach dem Auftritt eine Liste der gespielten Musikstücke. Anhand dieser Liste werden dann durch das Marktamt die Gema-Gebühren entrichtet. "Letztes Jahr und auch in den Jahren vor der Corona-Pandemie beliefen sich die Kosten hierfür auf einem niedrigen vierstelligen Betrag. Dieses Jahr gehen wir von einem Gebührenumfang in ähnlicher Höhe aus", so Stadtsprecherin Elisabeth Rosenkranz auf BR-Anfrage.
Märkte in Nürnberg und München spielen sowohl Gema-pflichtige als auch Gema-freie Musik
Auf den großen Weihnachtsmärkten in Nürnberg und München sieht es ähnlich aus: "Wir machen in diesem Jahr keine Unterscheidung zwischen Gema-freien und -pflichtigen Weihnachtsliedern. Alle Arten von Weihnachtsliedern können am Christkindlesmarkt vorgetragen werden. Der organisatorische Aufwand wäre zudem viel zu groß", teilte Marco von Dobschütz-Dietl, Leiter der Nürnberger Märkte, mit. Wie das Thema Gema im kommenden Jahr umgesetzt wird, wolle die Stadt Nürnberg dann Anfang 2024 entscheiden.
In München müssen die Besucherinnen und Besucher ebenfalls nicht auf stimmungsvolle Weihnachtsmusik verzichten. Auf dem städtischen Christkindlmarkt am Marienplatz werden sowohl Gema-pflichtige als auch Gema-freie Stücke gespielt.
Gema: "Kein Weihnachtsmarkt muss auf Musik verzichten"
Einige große bayerische Weihnachtsmärkte wie München, Bad Tölz, Bayreuth oder Augsburg haben heute ihre Pforten eröffnet. Im niederbayerischen Straubing geht der Christkindlmarkt schon seit dem Wochenende. Etwa 25.000 Euro zahlt die Stadt für das Musikprogramm auf dem Markt. Die eine Hälfte geht an die Gema, die andere an Livemusiker. Für Matthias Reisinger, dem Leiter des Straubinger Stadtmarketings, ist das zwar ein großer Kostenpunkt, doch die Stadt will den Besucherinnen und Besuchern auch etwas bieten. "Da ist das Musikprogramm schon ein wichtiger Punkt".
Die Gema betont, dass aufgrund der Musiklizenzierung kein Weihnachtsmarkt auf Musik verzichten muss. "Was uns an der Debatte ärgert, ist, dass der Eindruck erweckt wird, es handle sich bei den Weihnachtsmärkten um 'karitative Veranstaltungen'. Das mag bisweilen der Fall sein, bei den kleineren Märkten oder mittelgroßen Kommunen. Aber Weihnachtsmärkte sind eben auch ein starker Wirtschaftsfaktor", so Nadine Remus. "Die großen Märkte, über die vor allem gesprochen wird und die in der Tat hohe Steigerungen hatten, sind wirtschaftlich relevante Events – bisweilen rein kommerzialisierte Events". Und wenn die Flächen vergrößert werden oder die Dauer des Marktes verlängert werde, dann zeige das eben auch, dass es sich wirtschaftlich lohne.
"Ist die Leistung der Komponisten und Textdichter nichts wert?"
Die Gema argumentiert, dass fast jede Besucherin und fast jeder Besucher auf den Weihnachtsmärkten Glühwein und Speisen konsumiere oder Weihnachtsgeschenke einkaufe. Und die musikalische Begleitung dieser Veranstaltungen sorge eben für die entsprechende Stimmung und sei deshalb ein relevanter Umsatzfaktor. "Genutzt werden dafür Songs und Musikwerke, die wiederum von Menschen komponiert, getextet, also durch Leistung erschaffen werden. Daher fragen wir: Ist die Leistung der Komponisten und Textdichter nichts wert, sollen die Urheberinnen und Urheber ihr geistiges Eigentum verschenken?"
💡 Was macht die Gema?
Die Gema wurde am 28. September 1933 gegründet und verwaltet in Deutschland die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht von über 90.000 Mitgliedern und fast zwei Millionen Rechteinhabern aus aller Welt (Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern). GEMA steht für: Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Andere Verwertungsgesellschaften sind zum Beispiel in Österreich die AKM und in der Schweiz die SUISA.
Wie viel Künstlerinnen und Künstler pro Abspielung eines bestimmten Liedes bekommen, kann pauschal nicht so einfach beantwortet werden. Hinter der Frage steht ein komplexes Gefüge an Rechteinhabern (Autoren, ggf. Interpreten, Label, Erben etc.) und Nutzungsarten (Streaming, Radio, Live, Cover, Hintergrundmusik etc.).
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!