In Plastiksäcken tragen neu angekommene Flüchtlinge ihre Habseligkeiten in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen (Archivbild).
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Hohe Flüchtlingskosten für Kommunen: Söder kritisiert Bund

Hohe Flüchtlingskosten für Kommunen: Söder kritisiert Bund

Ministerpräsident Söder hat dem Bund vorgeworfen, Kommunen bei den Flüchtlingskosten im Stich zu lassen. Damit reiht er sich ein in die Forderungen der übrigen Länderchefs nach mehr Geld. Morgen wollen Bund und Länder über den Migrationskurs beraten.

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Dauerhaft mehr Geld vom Bund - das fordern die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vor dem morgigen Bund-Länder-Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) angesichts hoher Ausgaben für die Unterbringung von Geflüchteten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wirft dem Bund sogar vor, die Kommunen bei den Flüchtlingskosten komplett im Stich zu lassen. Auch die Fragen nach Bezahlkarten und mehr gemeinnütziger Arbeit für Migranten stehen weiterhin im Raum.

Söder will mehr Geld für Kommunen

Beim morgigen Treffen zwischen den 16 Länderchefs und Scholz in Berlin dürfte es wieder eine lange Sitzung werden. Zentrales Thema ist die Migrationspolitik. Die Länder fordern vom Bund mehr Geld für die Flüchtlingsversorgung. Bayerns Ministerpräsident Söder sagte der "Augsburger Allgemeinen", die bisher in Aussicht gestellte Beteiligung sei völlig unzureichend.

Neben dem CSU-Chef hatten zuvor auch schon andere Regierungschefs auf Landesebene eine dauerhaft stärkere Unterstützung bei den Flüchtlingskosten verlangt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, ein SPD-Parteikollege von Scholz, sagte dem "Tagesspiegel", die bisherigen finanziellen Angebote des Bundes seien "ein Witz". Er forderte von der Bundesregierung, den Länder mit 10.500 Euro pro Flüchtling unter die Arme zu greifen, gut doppelt so viel wie vom Bund angeboten.

Bund: Kein Spielraum im Haushaltsplan

Die Länder wollen zudem die "vollständige Übernahme" der Kosten der Unterkunft durch den Bund und eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro für sonstige Leistungen wie die Versorgung von unbegleiteten Minderjährigen. Noch etwas weiter geht der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager. Er pochte auf eine vollständige Übernahme der Unterbringungskosten durch den Bund. "2023 geht es dabei um drei Milliarden Euro, die wir vom Bund fordern", sagte er der "Bild am Sonntag".

Scholz hatte sich zuletzt schon bereit erklärt, künftig wieder eine Pauschale pro Geflüchtetem und Jahr zu zahlen. Kalkuliert wurde aber mit 5.000 Euro pro Flüchtling. Die Bundesregierung verweist auf ohnehin schwierige Gespräche über den Haushalt 2024 und sieht keine Möglichkeiten für höhere Zahlungen.

Weniger Sozialleistungen für Asylbewerber: Bayern dafür, Länder insgesamt aber zurückhaltend

Auf der Suche nach dem richtigen Migrationskurs ringen Bund und Länder auch ganz generell darum, welche Leistungen Asylbewerber bekommen sollen. Einzelne Länder wie Bayern fordern vehement, die Sozialleistungen für Asylbewerber deutlich zu senken, um Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten für Geflüchtete weniger attraktiv zu machen. Auf Bundesebene teilt vor allem die FDP diese Ansicht.

Insgesamt sind die Länder bei diesem Punkt aber vorsichtiger: Sie fordern lediglich eine Prüfung der Bundesregierung, "ob und wie eine Harmonisierung von kaufkraftbezogenen Sozialleistungsstandards in den EU-Mitgliedstaaten erreicht werden kann". Dies müsse "selbstverständlich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" erfolgen, heißt es in dem Länder-Papier von Mitte Oktober weiter. Denn Karlsruhe hatte vergangenes Jahr die 2019 beschlossene Leistungskürzung um pauschal zehn Prozent für alleinstehende Asylbewerber gekippt, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen.

Länder sprechen sich für Bezahlkarten aus

Doch beim morgigen Spitzentreffen wird es nicht nur um die Höhe des Geldes gehen, sondern auch darum, wie es an die Geflüchteten ausbezahlt werden soll. Geldzahlungen an Flüchtlinge werden insbesondere in der Union als Anreiz zur Flucht nach Deutschland gesehen. Bei ihrem Treffen Mitte Oktober forderten die Bundesländer, "Barauszahlungen konsequent durch Sachleistungen beziehungsweise eine Chip-Karte zu ersetzen". Der Bund soll dabei die Voraussetzungen "zur Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte" schaffen.

Scholz zeigte sich hier gesprächsbereit. Er sei offen für Vorschläge, Geldzahlungen an Flüchtlinge durch Sachleistungen zu ersetzen. Die Bundesregierung betont aber, dass die Kommunen schon nach geltender Rechtslage auf Sachleistungen umstellen können. Diese scheuen aber vielfach einen höheren Verwaltungsaufwand. Bei der Forderung nach einer bundesweiten Lösung für eine Bezahlkarte hat der Bund seinerseits noch keine Bereitschaft erkennen lassen, dieses anspruchsvolle und mutmaßlich langwierige IT-Projekt zu übernehmen.

Annäherungen in verschiedenen Punkten

Eine andere wichtige Forderung der Länder ist das Thema gemeinnützige Arbeit. Die Länder wollen bei dem Gespräch mit Scholz erreichen, "dass mehr Asylbewerber gemeinnützige Arbeit leisten". Auch das unterstützt der Kanzler. Um dies einfacher zu machen, wäre allerdings eine Rechtsänderung nötig. Denn bisher müssen die Behörden prüfen, dass diese Arbeiten "zusätzlich" verrichtet werden - also sonst nicht oder nicht in diesem Umfang erfolgen können. Dies soll auch verhindern, dass reguläres Personal entlassen wird und dann zu deutlich geringeren Kosten Asylbewerber beschäftigt werden.

Geeinigt hat man sich inzwischen schon beim Punkt stationäre Polizeikontrollen. Wie von den Ländern gewünscht, hat die Bundesregierung Verkehrskontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien eingeführt. Beschlossen hat das Kabinett zudem ein Paket, um Abschiebungen zu beschleunigen. Es sieht unter anderem mehr Durchsuchungsrechte für die Polizei und einen deutlich verlängerten Ausreisegewahrsam vor. Einig sind sich Bund und Länder gleichfalls schon lange, dass Asylverfahren beschleunigt werden müssen. Auf beiden Seiten fehlt es hier aber vielfach noch am nötigen Personal.

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