Die Supermarkt-"Ratschkasse" gegen Einsamkeit in Buxheim wird bis zum Jahresende verlängert. Das hat Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) heute mitgeteilt. "Mit unserem diesjährigen Präventionsschwerpunkt 'Licht an. Damit Einsamkeit nicht krank macht.' haben wir zahlreiche Projekte angestoßen, um einsame Menschen gezielt zu unterstützen", sagte er laut Mitteilung. "Dazu gehört auch die 'Ratschkasse' im Supermarkt in Buxheim. Dieses Angebot wird sehr gut angenommen, wie ich aus dem Buxheimer Supermarkt immer wieder höre. Deshalb haben wir die Unterstützung der 'Ratschkasse' gerne bis zum 31. Dezember verlängert."
Holetschek: Angebote gegen Einsamkeit "sehr erfolgreich"
Laut Holetschek läuft der Präventionsschwerpunkt allgemein sehr erfolgreich: "Wir haben vielfältige Anlaufstellen und Hilfsangebote für Betroffene geschaffen. Dazu gehören neben der 'Ratschkasse' in Buxheim unter anderem die Telefon-Engel-Aktion für ältere Menschen ab 60 Jahren des Münchner Vereins Retla oder die 'Habe die Ehre'-Angebote zur Gesundheitsförderung für Seniorinnen und Senioren in der Gemeinde Zell in der Oberpfalz."
Holetschek betone, Einsamkeit könne jeden treffen. Deshalb sei es wichtig, das Thema weiter aus der Tabuzone zu holen. Stigmatisierung schade den Betroffenen ganz erheblich: "Für mich ist daher klar: Wir müssen die Auswirkungen von chronischer Einsamkeit auf die Gesundheit der Betroffenen verstärkt in den Fokus nehmen und das Thema auf die politische Agenda setzen. Denn niemand in Bayern soll ungewollt einsam sein", so der Minister.
Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen
Der diesjährige Präventionsschwerpunkt solle daher ein größeres Bewusstsein in der Bevölkerung für Einsamkeit und ihre Folgen schaffen, die Gesundheitskompetenz stärken und vielfältige Hilfsangebote aufzeigen, wie Einsamkeit vermieden und überwunden werden könne. Laut Holetschek gibt es viele Menschen, die sich einsam fühlen und denen jemand zum Reden fehlt: "Der Supermarkt ist ein Ort der sozialen Begegnung. An der 'Ratschkasse' können sich Bürgerinnen und Bürger beim Bezahlen in aller Ruhe mit den Angestellten oder untereinander unterhalten – und mehr als nur Geld und Quittung austauschen. Was im hektischen Einkaufsalltag oft stört, ist hier ausdrücklich erwünscht."
Die "Plauderkasse" in Schweinfurt
In einem Schweinfurter Edeka-Markt startete ein ähnliches Projekt schon früher: die "Plauderkasse". Auch dort war die Resonanz sehr gut. Eine Kassiererin erzähle Ende Juni, dass manche Kunden sogar extra zu den Öffnungszeiten kämen, um zu reden. Das Themenfeld sei riesig: "Ich bin oft erstaunt, was für persönliche Sachen mir manche Kunden anvertrauen", erzählte Mitarbeiterin Helga Schöner damals. Entsprechende Angebote gibt es auch schon seit Jahren im Ausland - auch dort wurden sie meist rege genutzt, heißt es von den Organisatoren.
Einsamkeit hat während der Pandemie extrem zugenommen
Aktuelle Daten aus dem Gesundheitsbericht "Wenn Einsamkeit krank macht - Bericht zu den gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit in Bayern" zeigen laut Holeteschek, dass während der Corona-Pandemie besonders viele Menschen von Einsamkeit betroffen waren: Die Zahl häufig oder sehr häufig einsamer Erwachsener in Bayern stieg von 2,3 Prozent im Jahr 2017 auf 16,2 Prozent im Jahr 2021. Besonders betroffen waren jüngere Menschen und Frauen.
Von Schlaganfall bis Angststörungen: Einsamkeit macht krank
Holetschek zufolge ist chronische Einsamkeit ein Risikofaktor für psychische und körperliche Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes mellitus Typ 2 oder auch Demenz. Das belegten zahlreiche Studien. Chronische Einsamkeit fördere zudem gesundheitsschädliches Verhalten, wie einen ungesunden Lebensstil, Suchtmittelkonsum und Medienkonsum: "Und – auch das gehört zur Wahrheit: Menschen, die einsam sind, haben häufiger Suizidgedanken".
Der Stress der Einsamkeit führt zu deutlich höherem Sterberisiko
Eine umfangreiche Analyse eines chinesischen Forschungsteams bestätigt, dass gesellschaftliche Isolation und das Gefühl von Einsamkeit das Sterberisiko eines Menschen merklich erhöhen können. Ein Mangel an sozialen Kontakten gehe im Mittel mit einem um etwa 32 Prozent höheren Sterberisiko einher, das Gefühl von Einsamkeit mit einem um etwa 14 Prozent höheren Risiko, berichteten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Nature Human Behaviour". Als eine körperliche Ursache für das erhöhte Risiko sehen die Forscher eine verstärkte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol, was die Körperfunktionen auf Dauer negativ beeinflusse.
Die Gruppe um Yashuang Zhao und Maoqing Wang von der Harbin Medical University hatte 90 Untersuchungen aus verschiedenen Ländern mit insgesamt mehr als 2,2 Millionen Teilnehmern ausgewertet. Als soziale Isolation wurde dabei ein objektiver Mangel an Sozialkontakten bei Menschen mit begrenztem sozialem Netzwerk betrachtet. "Im Gegensatz dazu ist Einsamkeit ein subjektives Gefühl der Not, das entsteht, wenn ein Missverhältnis zwischen gewünschten und tatsächlichen sozialen Beziehungen besteht", schreiben die Studienautoren.
Hilfe suchen bei Einsamkeit soll normal werden
Nach Angaben des Ministers sei es ganz zentral, dass sich Menschen in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert fühlen. "Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir noch besser auf uns und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger achten, mehr Mitmenschlichkeit und ein aktiveres Miteinander in unserer Gesellschaft. Wer einsam ist, sollte keine Scheu haben, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen. Der Weg aus der Einsamkeit beginnt mit einem ersten Schritt", so Holetschek.
Im Video: Erfahrungen von der "Plauderkasse" in Schweinfurt (Archiv)
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