Nino Neuböck sitzt zusammen mit seiner Frau Claudia zu Hause in Deggendorf auf dem Sofa. Vor ihnen stehen zwei Kisten. Aus einer zieht Neuböck eine schwarze Tasche. "Der Johnny, der Johnny Depp, hat mir eine Tasche geschenkt, so eine Ledertasche mit einem Emblem von ihm drauf, mit seinem Haarschmuck", erzählt der 52-Jährige, als wäre es völlig normal.
Persönliche Beziehungen zu den Schauspielstars
Für ihn ist es das auch. Denn Neuböck hat über 20 Jahre mit den größten Filmstars Hollywoods zusammengearbeitet. Seite an Seite mit Johnny Depp, Ryan Gosling, Nicole Kidman und Co. Daraus haben sich persönliche Beziehungen entwickelt. Einige sind geblieben – wie zum Regisseur von "Fluch der Karibik", Gore Verbinski.
Vom "Marienhof" nach Hollywood
Doch wie ist es dazu gekommen? Nach dem Abitur wollte Neuböck zum Film. Er heuerte bei den Bavaria Filmstudios in Grünwald bei München an. Hier lernte Neuböck sein Handwerk. Er drehte die Serie "Marienhof" oder auch "Polizeiruf 110". Aber das reichte ihm nicht. Der damals 23-Jährige fasste den Entschluss, seine Heimatstadt zu verlassen – mit dem großen Ziel: Hollywood.
Mit zwei Taschen nach Los Angeles
"Ich bin dann rübergegangen, mit zwei Taschen in der Hand, habe irgendwo in einer Garage auf dem Boden geschlafen und fand es aber ganz spannend", berichtet Neuböck von seinem Abenteuer. "Viele haben damals gesagt: 'Wieso gehst du rüber? Du hast einen guten Job, ein sehr gutes Einkommen.' Und dann habe ich gesagt, das ist ein Abenteuer, das ist ein Start, das ist ein Traum, den ich habe, und vielleicht realisiert er sich."
Aufstieg zu einem der gefragtesten Kameraleute Hollywoods
Er realisierte sich tatsächlich. Neuböck begann seine US-Karriere bei der Produktion der Reality-Polizei-Serie "Cops", drehte bei echten Verfolgungsjagden, erlebte Schießereien. Und er überzeugte. Die ersten Filme kamen. Mit Glück, Qualität und Disziplin stieg er auf in die Elite der besten Kameraleute Hollywoods. Der Münchner wirkte an mehreren Filmen mit, die Oscars gewannen, war häufig auch leitender Kameramann. Und er erlebte spannende wie skurrile Momente.
Johnny Depp: "Ich habe Läuse"
"Wir haben Fluch der Karibik gedreht. Da war man am Strand und ich bin zum Johnny gegangen. Ich wollte nur eine Messung machen. Und dann flüsterte er mir ins Ohr: 'Ich habe ganz viele Läuse!' Ich wusste nicht, dass er auch Deutsch spricht." Neuböck lacht. "Er wusste auch, was sein Nachname auf Deutsch für eine Bedeutung hat." Die Begegnungen mit Johnny Depp, den er als "ganz lieben, ruhigen Kollegen" bezeichnet, sind ihm besonders in Erinnerung geblieben.
Reichtum und körperliche Folgen
Als wir ihn in Deggendorf treffen, ist Neuböck adrett gekleidet, fährt ein teures Auto. Ob Hollywood ihn reich gemacht habe, wollen wir von ihm wissen. "Ja", antwortet er, macht eine kurze Pause und sagt noch mal leise "Ja". Er sei dadurch privilegiert, aber gute Beziehungen und Spiritualität seien für ihn heute der größere Reichtum. Körperlich hat Hollywood dagegen viel von ihm abverlangt. Die Zeit hat Spuren hinterlassen. "Ich vermisse sie nicht. Man stellt sich vor, das ist immer so ein Glamour-Job. Ist es aber wirklich nicht. Manchmal hat man angenehme Drehs und meistens ist es wirklich sehr schwere Arbeit, sehr lange Arbeit. Wir drehen 12 bis 18 Stunden pro Tag."
Neuböck kehrt Hollywood den Rücken
Arthrose und Bandscheibenvorfälle – nur zwei Folgen der Arbeit mit den zu seiner Zeit noch sehr schweren Gerätschaften. Und das trotz seiner großen, kräftigen Statur. Auch das war ein gewichtiger Grund, Hollywood den Rücken zu kehren. Ein anderer sitzt an diesem Tag neben ihm auf dem Sofa. Claudia und Nino haben sich 2018 zufällig in einer Münchner Boutique kennengelernt, als er auf Heimatbesuch war.
"Finger davon lassen!"
Claudia, eine Kommunikationsmanagerin, stammt aus Deggendorf. Der Glamour Hollywoods ist eigentlich gar nicht Ihres. "Das ist ja eigentlich eher so der Fall, wo man als Frau sagt, nee, um Gottes willen, Finger weglassen, Finger davon", schmunzelt Claudia, "Aber ich kann sagen, Nino ist ein bisschen anders. Oder über die Zeit wahrscheinlich auch geworden". Und ihr Mann ergänzt: "Es ist interessant, dass Leute manchmal sagen, du bist ja selbst wie ein Star, arbeitest bei großen Filmen. Aber für mich ist es ist einfach Arbeit."
"In Deggendorf ist die Welt noch in Ordnung"
Einige letzte Arbeiten machte Nino nach dem Kennenlernen noch, unter anderem für den Film "Le Mans 66". Dann kehrte er 2019 nach Bayern zurück und fand in Claudias Geburtsstadt Deggendorf eine neue Heimat. "In Deggendorf ist die Welt noch in Ordnung. Und das Ruhige, was Hollywood eben nicht hat, das ist genauso der Ausgleich, der mir jetzt sehr gut gefällt", sagt Nino Neuböck, während er auf die Stadt schaut.
Aus der Traumfabrik zum "Hollywood-Rentner"
Aber Hollywood und die USA haben ihn nicht ganz losgelassen. Er sei immer noch Filmfan, und die Winter würden sie meist in Miami verbringen, erzählt Neuböck. Der gelernte Kameramann mit dem sympathisch wirkenden Auftreten ist mit 52 sozusagen "Hollywood-Rentner", genießt das Leben mit Claudia und bereist die Welt. Das hat die Traumfabrik möglich gemacht.
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