Im Spätsommer und Herbst gehen die Zahlen der Geflüchteten in der Regel Jahr für Jahr noch mal nach oben. Doch so viele wie in den vergangenen Wochen sind seit Jahren nicht mehr gekommen.
Die Bundespolizei Bayern erfasste im August rund 3.600 Geflüchtete. Das sind etwa 1.000 mehr als im August vergangenen Jahres. Die Folge: Die Bundespolizei kontrolliert an der bayerisch-österreichischen Grenze so engmaschig wie seit 2015 nicht mehr. Sichtbar wird das im Großraum Passau: Dort wurde die dritte feste Kontrollstelle aufgebaut.
Neben der Kontrolle an der A3 bei Pocking, die es bereits seit acht Jahren gibt, wurde im August dieses Jahres beschlossen, auch im Rottal zu verstärken und einen Kontrollpunkt bei Kirchdorf am Inn einzurichten. Vor wenigen Tagen folgte eine dritte Kontrollstelle in Wegscheid im Landkreis Passau. Das teilt die Bundespolizei auf Nachfrage mit.
GdP spricht von "Augenwischerei"
Ablehnend hat sich derweil aber die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor dem Hintergrund der Diskussion um stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien geäußert. "Wir sprechen uns als GdP gegen stationäre, feste Grenzkontrollen aus, weil wir das in der polizeilichen Arbeit nicht als effektiv ansehen", sagte die Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Erika Krause-Schöne, der "Rheinischen Post" (Dienstag).
Dauerhafte stationäre Grenzkontrollen seien auch eine "dauerhafte Belastung" und "sehr personalintensiv", erklärte sie. Die Bundespolizei wolle lieber "agil auf der Grenzlinie" agieren können. Ein Schlagbaum wie früher würde auch den Waren- und Pendlerverkehr behindern, merkte Krause-Schöne an. Zudem würden Schleuser einfach um die festen Kontrollpunkte herumfahren.
Die Gewerkschafterin bezeichnete polizeiliche Kontrollen zudem als "Augenwischerei", die das Problem im Kern nicht lösen kann. "Wir können dadurch nicht die Zahlen der Migration begrenzen", betonte sie. Aus ihrer Sicht könne die Migrationspolitik nur auf EU-Ebene vorangebracht werden, unter anderem durch eine Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und eine "Vorfilterung" der Geflüchteten an der EU-Außengrenze.
Gewerkschaft fordert Notifizierung durch EU
Um dennoch effektiver im Zuge der Schleierfahndung kontrollieren zu können, fordert die GdP bereits seit Ende Juli eine Notifizierung der Grenze zu Polen und Tschechien durch die EU. Diese würde flexible Kontrollen im Zuge der Schleierfahndung auch "direkt auf dem Grenzstreifen" ermöglichen, sagte Krause-Schöne weiter. Bislang findet die Schleierfahndung nur in einem Streifen hinter der Grenze statt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich zuvor offen für vorübergehende stationäre Grenzkontrollen gezeigt, um Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen. Außerdem müsse die Schleierfahndung in den Grenzgebieten ausgeweitet werden, sagte sie.
Flucht über die Balkan-Route
Das betrifft auch Bayern - vor allem Passau, als einen der Endpunkte der Balkan-Route, die nach wie vor eine sehr stark frequentierte Flucht-Route sei, so die Bundespolizei.
Dementsprechend versuchten viele Schleuser, die Geflüchteten irgendwo zwischen Simbach und Freyung über die Grenze zu bringen. Rund 20 Prozent aller illegaler Einreisen nach Bayern würden hier festgestellt. Daher kontrolliert die Bundespolizei diesen Abschnitt jetzt verstärkt und bekommt dabei Unterstützung von Einsatzkräften aus ganz Deutschland.
Außerdem unterstützt sie die bayerische Grenzpolizei – auch auf Nebenstrecken. Denn Schleuser reagieren schnell auf das, was die Polizei an der Grenze macht. Sie schickten zum Teil Fahrzeuge voraus und ließen auskundschaften, wo Beamte stünden, dann versuchten sie über kleine Nebenstraßen nach Bayern zu kommen, schildert die Polizei.
Grafik: Entwicklung der Flüchtlingszahlen auf den großen EU-Migrationsrouten
Polizei: Schleuser zunehmend rücksichtsloser
Zwei Entwicklungen beobachtet die Polizei dabei: Schleuser reisen wieder vermehrt mit Kleintransportern an, in die zum Teil mehr als 30 Geflüchtete gepfercht werden. Zudem gehen Schleuser laut Polizei "zunehmend brutaler und rücksichtsloser vor und setzen die Geschleusten zum Teil erheblichen Gefahren für Leib und Leben aus", sagt ein Sprecher der Bundespolizei. Er belegt diese Einschätzung mit mehreren Fotos. Sie zeigen demolierte Fahrzeuge. Denn immer wieder lieferten sich Schleuser zuletzt Verfolgungsjagden mit der Polizei, verloren die Kontrolle über das Fahrzeug und bauten Unfälle.
Warum mehr Menschen aus der Türkei kommen
Die Geflüchteten stammen laut Polizei hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Im Raum Passau kamen im August aber besonders viele türkische Staatsbürger an, berichtet die Polizei. Sie dürften größtenteils Kurden sein, die visumsfrei nach Serbien fliegen können und sich von dort von Schleusern weiterbringen lassen. Seit einem Jahr nimmt die Zahl der flüchtenden Menschen aus der Türkei zu. Integrationsforscher hatten bereits im Frühjahr vorhergesagt, dass bei einem Wahlsieg des türkischen Präsidenten Erdogan mit einer Auswanderungswelle zu rechnen sei.
Mit Informationen von dpa und AFP
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