Der Bahnhof in Grafing bei München ist ungewöhnlich leer für wochentags um halb Acht. Nur wenige Pendler, die Hände in den warmen Jackentaschen, warten auf einen Zug. Auch die 27-jährige Helena aus Ebersberg blickt hoch auf die Anzeigentafel: "Jetzt fallen hier alle S-Bahnen aus, bis auf die in 50 Minuten." So lange möchte Helena aber nicht warten. Denn eigentlich wollte sie schon vor einer halben Stunde in der Arbeit sein und dafür früher gehen.
Helena setzt darauf, dass ein anderer Zug sie zum Münchner Ostbahnhof bringt: "Ich hoffe, dass der kommt, bin aber guter Dinge, weil er nicht von der Deutschen Bahn ist." Tatsächlich sollte die Bayerische Regiobahn (BRB) fahren – denn sie wird als privater Bahnbetreiber nicht bestreikt. Helena geht zurück vor das Grafinger Bahnhofsgebäude und vergewissert sich auf der anderen Anzeige: "RB 54 München Hbf, Gleis 3, Abfahrt in sechs Minuten – sieht gut aus!"
Ganz ohne Auto würde es noch viel länger dauern
Um überhaupt in Grafing anzukommen, musste Helena in der Früh schon Eis von ihrem Wagen kratzen – "ohne Auto wäre heut‘ schwierig", sagt sie. So kam Helena zumindest von Ebersberg bis nach Grafing. Einen Schienenersatzverkehr gab es nicht. Jetzt fehlt nur das letzte Stück bis nach München.
Helena ist zuversichtlich, als sie die Treppenstufen zu Gleis 3 hochsteigt – obwohl schon eine Minute Verspätung angezeigt wird. Beim Warten holt sie immer wieder ihr Handy aus der Jackentasche und prüft die Verbindungen: "Jetzt hat sie schon drei Minuten Verspätung, nicht bloß eine, aber ich bin froh, dass sie fährt." Helena beugt sich vor und hält Ausschau nach dem Zug. Kurz danach ertönt schon der Gong auf dem Bahnsteig und eine Frauenstimme verkündet: "Gleis 3, Einfahrt RB 54."
Der fahrende Zug ist dafür deutlich leerer
Als der Zug einfährt, wird aber schnell klar, dass heute auch bei der BRB kein normaler Tag ist: Am Ende des Bahnsteigs hält kein Wagon. "Jetzt ist der Zug auch noch kürzer, schön!", ruft Helena genervt, bevor sie den Bahnsteig entlang rennt, um ihre Verbindung nicht zu verpassen. An der Tür ganz hinten wartet sie und steigt als Letzte ein.
Der Zug ist vergleichsweise leer. Auf der Fahrt bemerkt Helena, dass ihre Entscheidung, den Regionalzug zu nehmen, zumindest richtig war. Ihr Zug fährt an der S-Bahn vorbei, die sie früher hätte nehmen können. Zumindest kommt sie so nicht noch später in die Arbeit.
Nur teilweise Verständnis für GDL-Streik
Um 8.11 Uhr fährt ihr Zug am verschneiten Ostbahnhof ein. "Fünf Minuten Verspätung, das ist gut für unsere Strecke", sagt Helena, nachdem sie ausgestiegen ist. Hat sie für den Streik der Lokführer Verständnis? "Einerseits schon", sagt sie. Alles sei teurer geworden. Andererseits "war das schon so oft dieses Jahr". Gerade in dieser Woche, wo das Schneechaos war, komme "jetzt noch der Streik on top".
Wie sie nach der Arbeit wieder nach Hause kommt, weiß Helena noch nicht. Sie hofft, dass die Regionalbahn wieder fährt. "Ansonsten muss ich mir ein Taxi oder ein Uber rufen", sagt sie, bevor sie sich mit einem Winken verabschiedet – "weil ich ja sonst hier feststecke".
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