Bescheiden, hilfsbereit, kompetent: Mit diesen Worten beschreiben langjährige Begleiter aus seiner Heimat Unterfranken Josef Schuster. Er sei ein Mann, der das Rampenlicht nie sucht, obwohl er ein gefragter Gesprächspartner ist. Heute am 20. März feiert Josef Schuster seinen 70. Geburtstag. Ein Blick auf das Leben und Wirken des Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland:
Sanitäter lobt seinen Kollegen Schuster
"Der Josef war immer offen, kollegial und hilfsbereit, nie abgehoben oder hat sich für etwas Besonderes gehalten. Ein ganz normaler Kamerad und sehr kompetent", erinnert sich Reinhold Dietsch, der während seiner Zeit beim Bayerischen Roten Kreuz immer wieder mit Schuster zusammengearbeitet hatte. Auch an Heiligabend sei Schuster Notarzteinsätze gefahren – damit seine christlichen Kollegen den Feiertag frei haben, erinnert sich Dietsch. Für viele Würzburger war Josef Schuster in erster Linie Arzt: Bis 2020 führte er eine eigene Praxis als Internist. Zusätzlich fährt er bis heute regelmäßig Einsätze als Notarzt.
Engagement für jüdische Gemeinschaft
Doch Josef Schuster war der Beruf allein nie genug. 1998 wurde er Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken. Zuvor hatte sein Vater David die Gemeinde fast 40 Jahre als Leiter maßgeblich geprägt. Bis heute hat Josef Schuster das Amt in Würzburg inne. Als eines von vielen: Seit November 2014 ist er Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Im Deutschen Ethikrat sitzt er seit 2020.
Bei all seinen nationalen und internationalen Aufgaben hat Josef Schuster nie seine Heimatstadt vergessen. "Er ist ein Kümmerer", sagt Klaus Reder, Heimatpfleger beim Bezirk Unterfranken, der ihn seit vielen Jahren kennt. Schuster habe sich nachhaltig für die jüdische Gemeinde in Würzburg und Unterfranken eingesetzt – zum Beispiel bei der Entstehung des "Shalom Europa", ein jüdisches Kultur- und Gemeindezentrum. Dieses habe sich zu einem kulturellen Mittelpunkt Würzburgs entwickelt. "Er ist das Gesicht des Judentums, das zu dieser Stadt gehört und zu ganz Unterfranken und zu ganz Deutschland", sagt Reder über Schuster.
Schuster: "Mit Aggressivität kommt man nicht weiter"
In der Öffentlichkeit tritt Schuster besonnen auf. Er wählt seine Worte mit Bedacht und Sorgfalt. In seiner Heimatstadt Würzburg schätzt ihn Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) als "Streiter für die jüdische Community". Er bewundere seine "rhetorische Präzision".
"Als dialogfähigen und zugleich durchsetzungsstarken Verfechter der Anliegen von Jüdinnen und Juden in Bayern und in Deutschland", würdigt ihn Ludwig Spaenle (CSU), der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.
"Mit Schreien und Aggressivität kommt man nicht weiter", sagt Josef Schuster im Gespräch mit BR24. Mit ruhigem Ton gelänge es mitunter besser, andere von den eigenen Argumenten zu überzeugen. Auch Reinhold Dietsch, mit dem Schuster als Notarzt viele Einsätze beim Roten Kreuz gefahren ist, bestätigt: "Ich habe ihn nie gestresst erlebt. Er war immer kompetent und weiß, was er tut. Auch wenn es darum ging Krankheitssituationen den Angehörigen zu vermitteln."
Verfechter der Demokratie und des Miteinanders
In schwierigen Situationen passende Worte finden, muss Schuster in seiner Rolle als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland immer wieder. Insbesondere galt das in den Wochen seit dem 7. Oktober 2023, seit dem Überfall der Hamas auf Israel.
Der Krieg in Gaza sei erschreckend, sagt Schuster. Er beobachte eine zusätzliche Verunsicherung in den jüdischen Gemeinden: durch den Überfall der Hamas, das Aufkommen rechter Parteien in Deutschland und Europa, den Antisemitismus. Letzterer sei zuletzt lauter geworden, "seit dem 7. Oktober auch von muslimischer und linksradikaler Seite". Jüdische Einrichtungen seien mittlerweile gut geschützt. Außerhalb davon trauen sich aber viele Juden nicht mehr sich mit jüdischen Symbolen zu zeigen, so Schuster.
Positiv überrascht zeigt er sich von der Reaktion der Zivilgesellschaft, die in den letzten Wochen und Monaten zu Hunderttausenden gegen Rechtsextremismus demonstriert hat. Für Schuster ein ausgesprochen hoffnungsvolles Zeichen, dass man verstanden habe, dass die Demokratie nichts Selbstverständliches sei.
Schuster: Noch keine Zeit für Hobbys
Ans Aufhören denkt Schuster trotz seiner vielen Ehrenämter auch im Alter von 70 Jahren noch nicht: "Ich habe vor vier Jahren meine Praxis abgegeben, jetzt habe ich ja 'nur' noch mein Ehrenamt, das aber fast schon eine hauptamtliche Tätigkeit ist – aber der Stress ist weniger. Zeit für Hobbys bleibt gerade nicht und wenn, dann mal eine Reise mit meiner Frau."
Sein Wunsch zum Geburtstag? Auf der Welt solle es ein bisschen friedlicher zugehen. Außerdem wünsche er sich Gesundheit und "weiterhin ein so harmonisches Familienleben mit den Kindern und Enkeln".
Familie Schuster von den Nazis verfolgt
Josef Schuster wurde 1954 in Haifa (Israel) geboren. Dorthin waren seine Eltern ausgewandert. Eigentlich kommt die Familie Schuster aus Bad Brückenau, einem kleinen Kurort in Unterfranken. Seine Großeltern führten dort unter anderem ein koscheres Hotel für jüdische Gäste. Die Schusters waren angesehene Bürger. Doch dann kamen die Nazis an die Macht. Sie brachten Vater David und Großvater Julius zunächst ins KZ Dachau, dann nach Buchenwald. Später wurden beide entlassen – unter der Bedingung, dass sie Deutschland verlassen. Die Familie zog nach Palästina.
1956 kehrte die Familie Schuster mit dem zwei Jahre alten Josef nach Unterfranken zurück. Ihren rechtmäßigen Besitz in Bad Brückenau erhielten sie wieder. Da es dort keine jüdische Gemeinde mehr gab, wurde das nahgelegene Würzburg die neue Heimat der Familie.
- Dokumentation zum Thema: Der Fall Schuster