Franz Niebler steigt auf seinen Hochsitz. Es hat geschneit, perfektes Jagdwetter. Der Jäger muss heuer noch zwei Rehe schießen, das will er schaffen. Sonst bekommt er Probleme: Franz Niebler hat einen Pirschbezirk bei der Jagdgenossenschaft Utzenhofen, Oberpfalz. Er jagt auf 50 Hektar Fläche. Normale Jagdreviere in Bayern sind 500 bis 700 Hektar groß. Niebler ist aber kein normaler Jagdpächter, er hat nur einen Vertrag für ein Jahr. Er ist Jäger im Auftrag der Utzenhofener Waldbesitzer sozusagen. Ein Dienstleister? "Ich sehe mich als Verbündeter der Waldbauern", sagt Niebler, "ich leiste zwar einen Dienst, indem ich hier jage, aber ich sehe ja auch, dass es was bringt für den Wald."
Waldbesitzer: Kontrolle über die Jagd
Die Utzenhofener Jagdgenossenschaft – das ist die Gemeinschaft der Landwirte und Waldbesitzer – hat seit April 2023 keinen "normalen" Jagdpächter mehr. Sie organisiert die Jagd selbst. "Eigenbewirtschaftung" nennt man das. Konkret: Die Grundbesitzer verpachten ihr Jagdrecht nicht – wie sonst üblich – für neun Jahre an einen Jäger, sondern sie behalten die Verantwortung für die Ausübung der Jagd in ihren Händen. Das macht viel mehr Arbeit als früher, aber es bedeutet auch: Die Grundbesitzer haben die Kontrolle über die Jagd im Wald. Wenn ein Jäger seinen Abschuss nicht erfüllt, fliegt er raus.
Drei Hürden für "Eigenbewirtschaftung"
Die "Eigenbewirtschaftung" ist immer noch eine Ausnahme in Bayern. Erste Hürde: Vielen Waldbesitzern ist es unangenehm, einen Jäger "zu entlassen", vor allem, wenn er aus dem Dorf kommt.
Zweite Hürde: der hohe Arbeitsaufwand. In Utzenhofen ist die Jagdgenossenschaft nun selbst für die Erfüllung des Abschussplanes verantwortlich. Sie haftet für Wildschäden, zum Beispiel auf Äckern. Sie stellt die Hochsitze zur Verfügung und vermarktet das Wildbret. All das macht normalerweise der Jäger.
Dritte Hürde: Die Waldbesitzer brauchen einen vertrauenswürdigen Jäger, der für sie die Jagd managt. Sie dürfen ja nicht eigenhändig in ihrem Wald jagen. Denn nur, wer in Bayern mehr als 81 Hektar besitzt, darf in seinem Wald selbst jagen. Alle anderen Grund- und Waldbesitzer sind in sogenannten Jagdgenossenschaften zusammengefasst, so wie in Utzenhofen.
Utzenhofen: Ein Jäger wurde schon entlassen
In Utzenhofen ist Michael Bartl für die Organisation der Jagd zuständig. Er ist der "Jagdverantwortliche" und somit auch der Ansprechpartner für die Untere Jagdbehörde im Landratsamt. Ihm vertrauen die Waldbesitzer, denn er ist selbst auch ein sehr engagierter Jäger. Das 520 Hektar große Jagdrevier von Utzenhofen hat Bartl unter sechs Jägern aufgeteilt. Er selbst greift als "Oberjäger" nur ein, wenn die sechs Vertragsjäger ihren Abschuss nicht schaffen. Auch das wird kontrolliert, einmal zum Halbjahr, einmal zum Jahresende. Einen Jäger hat Michael Bartl schon hinausgeworfen – er hatte bis September nur ein einziges Reh geschossen.
Kein Mogeln beim Jagderfolg
Franz Niebler hat an diesem Tag kein Jagdglück, er schießt nur einen Hasen. Auch den muss er bei der Jagdgenossenschaft abliefern: Ihr gehört das Wildbret, nicht dem Jäger. Und auch die Streckenliste, also die Dokumentation der erlegten Rehe, macht nun eine Waldbesitzerin, Anna Finger. "Früher konnte der Jäger in die Streckenliste eintragen, was er wollte, niemand hat das geprüft", sagt die 39-Jährige. "Wir wollen aber sicher sein, dass die Rehe auch wirklich geschossen wurden." Sie dürfe halt nicht selbst jagen gehen, so Finger, aber sie könne dafür sorgen, dass die Jagd im Wald funktioniert.
Spannend für engagierte Jäger
Neun Monate ist Utzenhofen nun in Eigenbewirtschaftung und es muss sich noch vieles zurecht ruckeln. Ob es auf lange Sicht funktioniert, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Denn es ist nicht leicht, engagierte Jäger wie Franz Niebler zu finden, die sich auf die Kontrolle durch die Waldbesitzer einlassen.
Dabei kann das Modell gerade für junge Jäger spannend sein, sagt Michael Bartl: "Sie können für wenig Geld jagen gehen, sind nicht langfristig gebunden, und wir können ihnen das Revier individuell zurechtschneidern." Für Franz Nibler passt der Deal: Er möchte gar keine 500 Hektar bejagen, ihm genügen 50 Hektar. Und: Er hat seinen Abschussplan im Griff.
Dieser Artikel ist erstmals am 02. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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