Markus Söder ist mal wieder Erster. Kaum ist der Regierungsflieger auf dem Meer notgelandet, erreicht der bayerische Ministerpräsident auch schon das rettende Insel-Ufer. "Unsinkbarer Söder", besingt er sich zufrieden selbst. Einziger Wermutstropfen: Für einen "Solo-Survivor" gibt’s von niemandem Applaus. Aber natürlich bleibt Söder (erstmals gespielt von Thomas Unger) nicht lange allein - das Singspiel auf dem Nockherberg ist schließlich keine One-Man-Show.
Nach und nach gesellen sich diverse Landes- und Bundespolitiker zum CSU-Chef, und Söder bläst in der Wildnis zum Überlebenswettstreit zwischen "Bayern-Power" und "Ampel-Chaos". Mit dem Stück "Gestrandet" (Buch und Regie: Stefan Betz und Richard Oehmann) ist erstmals seit 2019 das traditionelle Singspiel beim Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg zurück - mit viel Musik, ein bisschen Klamauk, aber auch mit hintergründigem, zuweilen bissigem Humor.
Beim Abschieben lässt Söder lieber Herrmann aufs Foto
Zunächst schafft es auch CSU-Generalsekretär Martin Huber (Roland Schreglmann) auf die Insel - und lobt fortan unterwürfig seinen Chef Söder, obwohl der nicht mal seinen Namen kennt. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (Stefan Murr) komplettiert das Bayern-Trio - und macht Söder für die missliche Lage mitverantwortlich: "Hättest du mehr Windräder gebaut, dann bräuchten wir in Schurkenstaaten nicht um Gas betteln."
Schließlich nähert sich ein Schlauchboot der Insel. Sind die drei Insassen etwa Flüchtlinge? "Dann schiebt die der Dr. Markus Söder höchstpersönlich zurück aufs Meer. Und ich mach a Foto", schlägt Huber diensteifrig vor. Söder winkt ab: "Nee, beim Abschieben ist der Joachim Herrmann irgendwie fotogener."
"Das Beste aus drei Welten: nicht praktisch, aber selten"
2020 war das Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg eine der ersten großen Veranstaltungen, die wegen Corona kurzfristig komplett abgesagt wurden. 2021 gab es nur eine digitale Ausgabe ohne Singspiel und ohne Publikum im Saal, 2022 folgte eine Absage wegen des Ukraine-Kriegs. Somit ist es die erste traditionelle Nockherberg-Ausgabe seit 2019. Zwischenzeitlich wechselte Söder nicht nur mehrere CSU-Generalsekretäre aus, vor allem gab es einen Regierungswechsel im Bund.
So steigen denn auch aus dem Schlauchboot die Ampel-Spitzen. "Stundenlang sind wir gewissermaßen im Kreis gepaddelt, weil Ihr Euch nicht auf meine Richtung einigen konntet", rüffelt Kanzler Olaf Scholz (verkörpert von Schauspielerin Nikola Norgauer) seine Minister Robert Habeck und Christian Lindner. Im Angesicht der bayerischen Nörgler stimmen die Berliner Koalitionäre aber dann ein Loblied auf die Ampel an: "Das Beste aus drei Welten / Das ist die Fortschrittskoalition / nicht praktisch, aber selten".
Aiwanger fischt "am rechten Rand"
Fortan suchen "Team Bayern" und die Ampel-Spitzen unabhängig voneinander nach einem Weg, auf der Insel zu überleben. Söder kümmert sich "um die Kommunikation" - statt Rettung zu rufen, postet er lieber Nachrichten auf Instagram und erklärt seine Philosophie: "Jede Ankündigung bereits als Triumph feiern! Ob's nachher was wird, ist dann schon wurscht", sagt er. Und an anderer Stelle: "Ich bin's halt gewohnt, für die gesamte CSU mitzudenken. Bei jedem Minister muss ich die Hausaufgaben kontrollieren und die Fototermine übernehmen. Eine schwere Bürde ist das."
Die Nahrungssuche überlässt er seinem Vize: "Von unserer Bayernkoalition sind nur die besten Kräfte dabei. Hier, der Hubert Aiwanger, der ist Landwirt und Jäger, und der wird uns mit Nahrung versorgen." So geht Aiwanger "schnell fischen - am rechten Rand". Sein Erfolg hält sich allerdings in Grenzen: Als er zurückkommt, fehlt ihm ein Arm. "Der Thunfisch hat sich jetzt leider als Hai herausgestellt", erläutert Aiwanger. "Zugegeben. Das ist jetzt blöd gelaufen." Nicht viel besser endet seine zweite Begegnung mit dem Raubfisch - am Ende des Singspiels fehlt dem Freie-Wähler-Chef auch noch ein Bein.
Song-Battle zwischen Habeck und Lindner
Scholz schlägt sich allein durch die Wildnis - Habeck und Lindner folgen ihm nicht: "Erst, wenn er Richtlinienkompetenz sagt", verkündet Habeck. "Ich mach jetzt mal 'n Feuer." Während Habeck Holz sammelt, macht Lindner, was er nach eigener Einschätzung "am besten kann: widersprechen, gegensteuern, deinen Plan verwässern".
Die beiden Ampel-Partner streiten unentwegt, liefern sich schließlich in einem Hip-Hop-Song ein Battle über die Frage, wer sich in der Koalition mehr verbogen hat. Lindner singt: "Krötenschlucken, Kreidefressen / Schuldenbremse ganz vergessen / Ich hör' Claudia Roth sogar schon zu / Ich halte viel, viel mehr / viel mehr aus wie du." Und Habeck kontert: "Kernkraftwerke laufen lassen / Klimawandel-Stopp verpassen / Ich halte viel, viel mehr aus als wie du."
Schulze sammelt Müll, Reiter verbuddelt sich
Als die Politiker glauben, ein wildes Tier gefasst und damit Nahrung gefunden zu haben, entpuppt sich die Beute als die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze - die fortan nicht nur die Insel von Plastikmüll befreit, sondern auch die Männerriege kräftig kritisiert. "Manchmal ändert ihr Flegel schnell eine Regel, / damit Opas noch lange amtieren / Doch es bleiben Statuten, damit Leute, die bluten, / unter Vierzig nicht Bayern regieren", singt sie mit Blick auf Söders Ankündigung, doch länger als zehn Jahre regieren zu wollen, während die CSU am Mindestalter von 40 Jahren für die Wahl des bayerischen Ministerpräsidenten festhält.
Hin und wieder kommt auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter zum Vorschein, weil er sich mit seinem Stammstrecken-Tunnel "vergraben" hat: "So wird die zweite Stammstrecke nie fertig! Kruzifünferl! Mir hilft aber auch keiner! Nicht bei der U9, nicht bei der Stammstrecke, nicht beim Konzertsaal. Bund, Land, Pfeifendeckel! Ganz zu schweigen vom Söder, dem Erfinder der Denkpause!"
Schneekanone Aiwanger und Söderwürstchen
Irgendwann paddelt auch noch Ex-Kanzlerin Angela Merkel vorbei - verweigert den Gestrandeten aber Hilfe. "Nene, ich misch mich nicht mehr ein. Ihr schafft das schon", ruft sie von ihrem Boot. "Zu Hause hat man euch schon abgeschrieben." Das Team Bayern werde in der Heimat nicht vermisst. Immerhin: Am Sudelfeld sei eine Schneekanone nach Aiwanger benannt worden, im Nürnberger Zukunftsmuseum gebe es ab und zu "Söderwürstchen im Weckla".
Und dann ist da noch CDU-Chef Friedrich Merz, der auf der Insel landet - und mit Harpune Ex-Kanzlerin Angela Merkel sucht: "Die kreuzt hier in der Gegend herum, und ich würde gerne noch etwas mit ihr klären. Grundsätzlich, abschließend, aber schon auch mit der gebotenen Fröhlichkeit."
Reichsbürgerin wittert Weltverschwörung
Zusätzlich verschärft wird die missliche Lage der Politiker, als sie auf der Insel auf eine esoterische Reichsbürgerin treffen, die auf den Umsturz wartet: Freifrau Freia von Reiher (gespielt von Gisela Schneeberger) fühlt sich von den Bundes- und Landespolitikern bedroht und greift zur Waffe: gegen die "Vaterlandsverräter": "Mein Bauchgefühl und ich haben recherchiert: Ihr seid alle Teil einer raffinierten Weltverschwörung."
Im Angesicht der Gefahr offenbart Kanzler Scholz eine Erinnerungslücke, und auch alle anderen Spitzenpolitiker bekennen freimütig ihre politischen Defizite. Gemeinsam stimmen sie schließlich ein "Durcheinander-Shanty" an: "So manche Lösung wird verpennt / auch wenn es kracht und wenn es brennt / und weil man's halt nicht anders kennt / regiert das Durcheinander."
Fastenrede: Söder "babbt" am Stuhl
Kabarettist Maximilian Schafroth zieht in seiner Fastenrede Parallelen zwischen Klimaaktivisten und Söders Am-Amt-Kleben: "Die 15-Jährigen babben sich an die Straße, Ihr babbt an Euren Stühlen, der Markus hat seine Klebezeit grad noch mal verlängert." Kein Lösemittel der Welt werde Söder entfernen. Mit Blick auf die "Denkpause" des Ministerpräsidenten zum geplanten Münchner Konzertsaal beklagt der Fastenredner: "In der Zeit, in der Markus denkpausiert, bauen andere Städte ganze Elbphilharmonien." Und Kanzler Scholz errichte in 90 Tagen ein Flüssiggas-Terminal, Söder in vier Jahren "keine Wohnung".
Dem Ministerpräsidenten und seinen "christsozialen Schlittenhunden" stellt der Fastenredner insgesamt ein negatives Zeugnis aus. "Mit Vollgas in die energetische Abhängigkeit, kein Bundesland war so abhängig von russischem Gas wie wir, dafür Stillstand bei der Windkraft." Und weiter: "Eine desaströse Verkehrspolitik der CSU-Verkehrsminister im Bund. Der Ramsi, der Alex, der Andi. Nix auf die Schiene kriegen, aber die eigenen Wahlkreise durchtunneln wie christsoziale Maulwürfe auf Ritalin."
Scharfe Worte an die Adresse von Herrmann und Merz
Viel einstecken muss Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) – den Schafroth für die bayerische Präventivhaft für Klimaaktivisten verantwortlich macht. "Verhaften, das geht bei uns ganz zackig, liebe Auswärtige, wenn wir unsere Klimaziele so schnell umsetzen würden, wie wir verhaften, dann müssten wir nicht mehr verhaften."
Sehr deutliche Worte gibt es auch an die Adresse von CDU-Chef Friedrich Merz, den der Fastenredner als "politischen Scheunenfund" bezeichnet, der "mit seinem Geschwätz über 'kleine Paschas' eine ganze Kultur" verunglimpfe: Merz müsse sich "eigentlich bei sämtlichen in Deutschland lebenden arabischen Kulturen entschuldigen".
Aiwanger, das "digitale Rumpelstilzchen"
Aiwanger wird als "digitales Rumpelstilzchen" verspottet. Der Freie-Wähler-Chef habe es sich im "Söder-Schwitzkasten" bequem gemacht: "Denn wer aus der konventionellen Landwirtschaft kommt, der weiß, man kann auch mit einem Metallbügel um den Hals ein Freiheitsgefühl entwickeln."
Bei der bayerischen SPD nimmt Schafroth das neue Generalsekretär-Tandem ins Visier: "Das erkennen sie daran, dass es gleichzeitig vorwärts und rückwärts fahren will, das ist höchstmögliche Dynamik bei gleichzeitigem Stillstand." Und die Grünen haben sich dem Kabarettisten zufolge schon vorher bei der Bedienung erkundigt, ob ein "Fleisch-Pflanzl was Veganes" ist. "Nein. Liebe Grüne, gönnt‘s heut mal einen Gockel mit Pommes." Eine grüne Partei, die Kohlekraftwerke ans Netz nehme und mit saudischen Potentaten verhandle, könne auch bedenkenlos einen frittierten Gockel essen.
Stehende Ovationen für ernste Töne Schafroths
Stehende Ovationen erhält Schafroth für ernste Töne am Ende seiner Fastenrede. "Woanders gilt es als Größe und als Stärke, wenn die Herrschenden unantastbar sind, sich abschotten, sich nicht kritisieren lassen - und hier: Schaut es euch an, sitzen sie in die erste Reihe und lassen sich abwatschen." Allen, die zweifeln oder das Vertrauen in Demokratie, Rechtsstaat und Medien verloren haben, sei gesagt: "Ich bin echt, ich stehe hier live, der BR sendet verzögerungsfrei, ich sage hier was ich will."
Wer dieses Glück der Freiheit nicht schätze, wem die Welt zu bunt sei, wer sie lieber lieber schwarz-weiß und binär haben wolle, solle Platz machen: "Für Leute, die zu uns wollen und an der Freiheit teilhaben möchten."
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