Mit der Motorsäge fallen die Eichen, Hainbuchen und Weiden fast im Minutentakt. Für Gemeindemitarbeiter Matthias Graf ist das Fällen der jungen Bäume eine leichte Übung. Die Stämme haben nur einen Durchmesser von zehn bis 15 Zentimeter. Auf einer kleinen Parzelle im Waldpark Huisheim entsteht so ein Kahlschlag.
Das Ziel: Zeigen, wie der Wald früher genutzt wurde
Was theoretisch Naturschützer auf den Plan rufen könnte, ist tatsächlich die ganz normale Bewirtschaftung eines Niederwalds. Dabei werden die Bäume alle 15 bis 20 Jahre gefällt – vor allem, um Brennholz zu gewinnen. Die jahrhundertealte Form der Waldbewirtschaftung gibt es heute kaum noch. Das kleine Stück Niederwald in Huisheim ist genau deshalb angelegt worden.
Der Niederwald als "Blick in die Vergangenheit"
"Uns geht es gar nicht um die Brennholzgewinnung, sondern darum, zu zeigen, wie die historische Waldnutzung aussah", sagt der zuständige Förster vom Landwirtschaftsamt Nördlingen-Wertingen, Werner Diemer. Der Niederwald als Blick in die Vergangenheit: Viele junge Bäume, dicht nebeneinander und meist nur einige Meter hoch. Das ist ein ganz anderes Bild als in den meisten Wäldern heutzutage, wo oft hohe Fichten oder mächtige Buchen beim Waldspaziergang zu sehen sind.
Viele verschiedene Waldtypen auf engem Raum
Die Idee für den Waldpark in der kleinen Gemeinde Huisheim im Nördlinger Ries geht unter anderem auf Förster Werner Diemer zurück. Vor mehr als 20 Jahren entstand direkt neben einem Wohngebiet nicht – wie zuerst geplant – ein ganz normaler Park, sondern ein Waldpark. Das Ziel: "Man wollte auf der einen Seite etwas zur Erholung schaffen und auf anderen Seite den Leuten zeigen, wie ein Wald entsteht und wie man ihn auf verschiedene Arten bewirtschaften kann", sagt Huisheims Bürgermeister Harald Müller. Mehr als 50 verschiedene Baumarten würden im Waldpark wachsen. Es geht dabei besonders um verschiedene Waldtypen: Vom klassischen Hochwald über ein Kiefernwäldchen zur Harzgewinnung bis zur Streuobstwiese, die streng genommen gar kein Wald ist. Auf Infotafeln können sich Spaziergänger informieren, der Pausenhof der Grundschule geht in das Parkgelände über.
Keine Aufforstung nötig – Bäume schlagen wieder aus
Nach getaner Fäll-Arbeit schauen nur noch die frischen Baumstümpfe aus dem Laub heraus. Jetzt muss der Förster aber nicht etwa neue Bäumchen pflanzen. Das Prinzip des Niederwalds: Der Wald erneuert sich von allein. Die Baumstümpfe schlagen wieder aus. Das funktioniert aber nur mit jungen Laubbäumen, vor allem mit Eichen, Hainbuchen, Weiden, Erlen oder Eschen.
Tiefe Wurzeln lassen Triebe schnell meterhoch wachsen
Direkt neben der Parzelle mit den gefällten Bäumen zeigt Förster Werner Diemer den Erfolg, der sich schnell einstellt: Ein dichtes Gestrüpp aus dünnen Ästen und Trieben, manche schon sechs Meter hoch. In dieser Parzelle sind die Bäume erst vor vier Jahren gefällt worden. "Dadurch, dass die Stöcke schon da sind, müssen die Triebe nicht anwachsen wie bei einem frisch gepflanzten Baum", erklärt Diemer, "die müssen keine Wurzeln entwickeln, nicht in die Tiefe gehen, die haben das alles schon." Unten am Stamm, unter der Rinde, hätten Bäume sogenannte "schlafende Augen": Wie in einer Knospe ist der Austrieb da schon angelegt. Wird der Baum gefällt, fängt es dort schnell an zu sprießen.
Noch 4.200 Hektar Niederwald in Bayern
Niederwald gibt es heute nur noch sehr wenig in Deutschland. Laut der letzten Bundeswaldinventur aus dem Jahr 2012 sind es 4.200 Hektar in Bayern. Zum Vergleich: 1961 waren es noch 38.000 Hektar und 1900 sogar 85.000 Hektar. Das teilt das bayerische Landwirtschaftsministerium mit. Der Rückgang lässt sich wohl auch damit erklären, dass der Wald heutzutage vor allem Holz zum Bauen und für Möbel liefern soll. Anfallendes Brennholz ist nur ein Nebeneffekt. Früher war das anders: Beim Landwirtschaftsamt Nördlingen-Wertingen heißt es, um 1800 dienten 90 Prozent der Waldfläche der Brennholz- und nur zehn Prozent der Bauholzgewinnung. Heute sei es genau umgekehrt.
Bayern fördert den Erhalt von Niederwald
Als es noch keine Motorsägen gab, war der Niederwald leichter zu bewirtschaften: Statt riesige Stämme per Hand umzusägen, ließen sich die dünnen Stämme leicht mit ein paar Axthieben schlagen. Und durch die Kraft in den Stöcken und Wurzeln wuchs der Wald schnell nach. Das Bayerische Landwirtschaftsministerium sieht in den Niederwäldern einen besonderen naturschutzfachlichen Wert. Deshalb gibt es für Niederwald-Besitzer Fördergelder: 135 Euro pro Hektar und Jahr für den Erhalt und Wiederherstellung von Niederwald. Außerdem 4.000 Euro pro Hektar für die Entnahme der Stockhiebe – also der dünnen Baumstämme.
Ökologische Vielfalt im Niederwald
Auch Förster Werner Diemer lobt den Vorteil für die ökologische Vielfalt. Durch den Kahlschlag haben Waldpflanzen, die mehr Licht brauchen, eine Chance zu wachsen – zumindest für zwei bis drei Jahre. Das dichte Gestrüpp der dünnen Stockausschläge sei Lebensraum für Vögel und Insekten. Der Niederwald also als Kontrast zum einheitlichen, dunklen Hochwald, in dem meist nur wenige Baumarten wachsen.
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