Katharina Schulze ist das Gesicht der Grünen in Bayern. Sie war Spitzenkandidatin im Landtagswahlkampf und ist als alleinige Fraktionschefin weiterhin viel gefragt. Nun hat Schulze bekannt gegeben, dass sie und ihr Mann, Danyal Bayaz, ihr zweites Kind erwarten. Bayaz ist grüner Finanzminister von Baden-Württemberg. Zwei Spitzenpolitiker in zwei Bundesländern, mit bald zwei Kindern also. Im Netz nutzen manche die Nachricht für wüste Beschimpfungen.
Wie geht Schulze damit um und wie lebt es sich mit einem vollen Terminkalender zwischen Kita und Landtag? BR24 hat nachgefragt.
BR24: "Als Frau in einer Spitzenposition und wieder schwanger?" – Wie oft haben Sie diese Frage in letzter Zeit gehört oder gespürt, Frau Schulze?
Katharina Schulze: Genau diese Frage mit dem Unterton habe ich ein paarmal gehört. Ich habe aber auch ganz viele Glückwünsche und freudige Gesichter gesehen, als es dann offensichtlich wurde, dass ich zum zweiten Mal Mutter werde. Und ich richte mich eher nach den positiven Kommentaren, weil ich es schön finde, wenn ein weiteres Kind auf die Welt kommt. Und wir freuen uns natürlich sehr.
"Bei Frauen schwingen immer gleich diese ganzen Fragen mit"
BR24: Ärgert Sie das, wenn Sie diesen Unterton hören?
Schulze: Ja, sowas ärgert mich, weil ich mich dann stellvertretend für alle Frauen ärgere. Ich höre von meinen Freundinnen, die zum Beispiel in Unternehmen arbeiten, ähnliche Geschichten. Und ich glaube, jede Frau kennt entweder jemanden oder kann selbst ein Lied davon singen, dass es als "normaler" gilt, wenn ein Mann, der eine Führungsposition hat, das zweite oder dritte oder vierte Kind bekommt. Bei Frauen schwingen immer gleich diese ganzen Fragen mit. Aber wie machst du es dann? Und wer kümmert sich dann ums Kind? Und wann steigst du wieder ein? Da haben wir als Gesellschaft schon noch einen weiten Weg zu gehen, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle Geschlechter gleich gut möglich ist.
BR24: Es wird trotzdem eine Herausforderung. Fraktionschefin und Elternzeit – wie passt das zusammen?
Schulze: Laut Abgeordnetenrecht haben Politikerinnen und Politiker keine Elternzeit. Ich glaube, das liegt daran, dass sich die Herren, die damals dieses Gesetz geschrieben haben, noch nicht vorstellen konnten, dass vielleicht auch jüngere Frauen oder Männer mal im Landtag sitzen werden und eine Familie gründen oder schon haben. Ganz offiziell kann ich also keine Elternzeit nehmen. Ich habe aber schon mit Ilse Aigner, unserer Landtagspräsidentin, gesprochen, und sie darüber informiert.
Ich werde das so machen wie beim ersten Kind: Die ersten Wochen nach der Geburt werde ich erstmal zu Hause bleiben. Dann werde ich wieder einsteigen und das Baby mitnehmen. Da habe ich es ja im Vergleich zu einer Krankenpflegerin oder einer Polizistin einfacher, weil ich das Kind auch ins Plenum mitnehmen kann, in die Fraktionssitzung und in Ausschüsse. Wir haben als Familie auch unglaublich großes Glück, dass wir so eine tolle Unterstützung von unseren Eltern haben. Ohne das Netzwerk mit den Großmüttern würde das nicht gehen. Mein Mann und ich koordinieren Termine wochenlang im Voraus, wer wo ist, wer wann welchen Termin hat und was wann Priorität hat.
BR24: Oft kann der andere Elternteil mehr Kinderzeit übernehmen. Ihr Mann ist Finanzminister in Baden-Württemberg. Gleichberechtigung ist für Grüne ein großes Thema. Klappt das bei Ihnen fifty-fifty?
Schulze: Nein, es ist nicht fifty-fifty, allein aufgrund der räumlichen Gegebenheiten. Wir haben den Familiensitz hier in München, und hier wächst auch unser Sohn auf. Mein Mann ist unter der Woche in Stuttgart. Aber er versucht so viel wie möglich zu Hause zu sein, Homeoffice macht ja zum Glück einiges möglich.
"Frauen können es gefühlt niemandem recht machen"
BR24: Sie reden sehr offen über Familie. Warum? Weil das auch irgendwie politisch ist?
Schulze: Da muss ich ehrlich sagen, da habe ich mich geändert. Beim ersten Kind wollte ich gar nicht darüber sprechen, weil ich das als unglaublich privat empfunden habe und weil ich auch nicht danach bewertet werden wollte. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es Frauen gefühlt niemandem recht machen können. Du sollst arbeiten, als hättest du keine Kinder. Und du sollst Kinder bekommen und sie aufziehen, als würdest du nicht arbeiten. Dieses Spannungsverhältnis Rabenmutter versus Überglucke, das so in unserer Gesellschaft herumschwirrt, das habe ich schon gespürt, als ich noch gar kein Kind hatte. Deswegen dachte ich mir, ich will das irgendwie trennen.
Aber dann kam die Realität und mein Sohn war einfach dabei. Er gehört zu meinem Leben, warum mein Muttersein also verstecken? Dafür habe ich unglaublich viele positive Rückmeldungen bekommen. Gerade von jüngeren Frauen. Da habe ich gemerkt, dass ich jetzt eine Rolle habe als eine Art Vorbild, die ich nutzen kann, für eine Normalisierung von arbeitenden Müttern mit Kindern in der Gesellschaft.
BR24: Ministerpräsident Söder schafft es relativ gut, die Familie aus der Öffentlichkeit zu halten. Ist der in dieser Hinsicht ein Vorbild?
Schulze: Für uns war absolut klar, dass wir unseren Sohn nicht komplett zeigen. Der muss irgendwann selber entscheiden, ob er in die Öffentlichkeit möchte oder nicht. Aber gerade am Anfang, wenn die Kinder klein sind und sie noch viel Nähe brauchen, dann hat man dieses Spannungsverhältnis: Macht man seinen Job oder ist man mit dem Kind zusammen. Für mich ist jetzt dieser Mittelweg normal: Ich versuche über Social Media zu zeigen, was Politikerinnen und Politiker den ganzen Tag machen und wie sie sind. Und dann würde es sich falsch anfühlen, wenn ich mein Kind da ganz raushalte, weil es ein krass wichtiger Teil meines Lebens ist, und genauso für meinen Mann. Aber wir achten darauf, dass man unseren Sohn auf Bildern nicht erkennt. Er hat ja auch Privatsphäre.
"Mache mir Gedanken um meine Familie"
BR24: Sie bekommen viele beleidigende Kommentare in den sozialen Medien im Netz. Haben Sie manchmal Angst um sich und um Ihr Kind?
Schulze: Also ich bin für mich persönlich ein relativ unerschrockener Mensch. Ich mache mir auch nicht ganz so viele Gedanken, denn sonst, glaube ich, könnte ich meinen Job gar nicht so machen. Aber ich mache mir Gedanken um meine Familie, nicht nur jetzt um mein eigenes Kind, sondern auch um meinen Bruder, meine Eltern. Ich habe mir meinen Beruf ausgesucht, aber die sind mit mir verwandt und haben sich das nicht ausgesucht. Und wenn die irgendwie reingezogen und auch beleidigt oder bedroht werden, dann trifft mich das. Man kann mich doof finden, aber bitte die anderen in Ruhe lassen!
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