Bärbel Steinbacher verbringt jeden Mittwoch mit ihren zwei Leihenkelinnen Annelie und Hannah. Ein fester Termin in der Woche, so ist das Wunschgroßeltern-Projekt der Diakonie in Traunstein angelegt. Die neunjährige Annelie und ihre ältere Schwester kommen seit fünf Jahren zu Bärbel Steinbacher und ihrem Mann. Sie sind wie echte Großeltern für die beiden.
Besonderes Erlebnis, Kinder aufwachsen zu sehen
Die ehemalige Steuerberaterin kann sich den Alltag ohne die zwei Mädchen nicht mehr vorstellen. Bärbel Steinbacher hat eine Tochter. Doch auch andere Kinder seien bei den Steinbachers in Siegsdorf immer willkommen gewesen. "Ich finde, das ist ein ganz besonderes Erlebnis, wenn man die Kinder vom Kleinkind über das Vorschulalter ins Schulalter begleiten kann", sagt Bärbel Steinbacher. An diesem Nachmittag backen sie Annelies Lieblingsgebäck, Rosinensemmeln und Hefezöpfe.
Auf dem Esstisch liegen zwei Fotobücher, in dem Wunschoma Bärbel jedes Jahr die gemeinsamen Erlebnisse festhält. Mit dabei sind Fotos von den Mädchen auf der Gummi-Wasserrutsche im Garten, beim Verkleiden im Fasching, beim Basteln, Radfahren und Inselbauen an den Kiesbänken der Traun. "Solange uns die Ideen nicht ausgehen, kommen sie hoffentlich noch zu mir", sagt die 67-Jährige.
Wunschgroßeltern haften nicht
Für Interessierte gibt es im Landkreis Traunstein und im Berchtesgadener Land mehrere Anlaufstellen. Im südlichen Teil von Traunstein, angedockt an die Diakonie, bringt Projektleiterin Barbara Brenninger Senioren und Eltern zusammen. Dabei nimmt sie den älteren Menschen auch oft die Angst vor der Verantwortung. Zu Haftungsfragen ist alles geregelt. Die Wunschgroßeltern legen ein Führungszeugnis vor, das vom Landratsamt bezahlt wird und dazu treffen sie mit den Eltern eine schriftliche Vereinbarung. "Wenn die Kinder bei den Wunschgroßeltern sind, liegt die Verantwortung allein bei den Eltern", sagt Barbara Brenninger. Falls ein Unfall bei den Wunschgroßeltern passieren sollte, haften demnach die Eltern.
Kein Ersatz für reguläre Kinderbetreuung
In ihrer Gruppe im südlichen Traunstein machen rund 20 Wunschgroßeltern mit. Die typische Oma oder den typischen Opa gibt es nicht. Die Konstellationen reichen von der 80-jährigen Witwe, die zwei stürmische Buben rein über Geschichtenerzählen in ihren Bann zieht, über kinderlose Ehepaare, die noch sehr aktiv sind, oder Paare, bei denen der Mann nochmal Kinder aufwachsen sehen will. In einem ähnlichen Projekt im nördlichen Landkreis Traunstein betreuen etwa ein Dutzend Wunschgroßeltern Kinder unterschiedlichsten Alters. Im Berchtesgadener Land gibt es etwa zehn Wunschgroßeltern. Das Betreuungsangebot soll keine Tagesmutter ersetzen. Vielmehr sollen Wunschgroßeltern die gemeinsame Zeit nach ihren eigenen Bedingungen und Wünschen gestalten können.
Zu viel Nachfrage für zu wenige Wunschgroßeltern
Auch die kinderlose Projektleiterin bei der Diakonie Barbara Brenninger ist selbst seit vielen Jahren Wunschoma. "Wenn die anderen wüssten, wie schön das ist", sagt sie und blickt ratlos auf die Bewerbungs-Schreiben der Eltern auf ihrem Küchentisch. Sie kann einfach nicht genügend Wunschgroßeltern akquirieren, wie Eltern anfragen. Momentan stehen 20 Eltern auf ihrer Warteliste. Sie hofft, dass sich künftig mehr Senioren melden. Um Wunschoma- oder -Opa zu werden, braucht es ihrer Meinung nach gar nicht viel. "Man muss Zeit haben und viel Freude mit Kindern." Umgekehrt sei die Bereicherung durch die Kinder riesig: "Kinder erzählen so viel und bemerken Dinge, die man selbst gar nicht mehr wahrnimmt, es ist einfach schön und lustig mit den Kindern, und es gibt mir viel Lebensmut.“
- Zum Artikel: "Bussi okay? Warum wir selbstbestimmte Kinder wollen"
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